01 Mai 2008

HH-COE Tag 3 "Höllenschlucht und Regenschlacht"

Er begann, wie alle anderen Tage auch schon begonnen hatten - Sonne satt, harmlose Schäfchen grasten den Himmel entlang und ein halbstrammes Lüftchen wehte.

Aber so schön mein Zimmer auch gewesen war, das Frühstück war es leider nicht. Mies war es, um genau zu sein. Der Hunger dann gänzlich vergangen, als ich bemerkte, dass sich unbehelligt ein Obdachloser am reich gedeckten Buffet bedient hatte. Was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn jemand vom Hotel dem armen Mann einfach ein paar Brötchen geschenkt hätte, so aber taumelte der Landstreicher betrunken mit einer brennenden Zigarette von einem Korb zum anderen und fasste wer weiß nicht was alles mit seinen wer weiß wie lange nicht gewaschenen Fingern an.

Toll war ja auch folgendes Gespräch, dass ich mit dem scheinbar vollkommen überforderten Rezeptionisten/Frühstücksbuffetmanager nach dem Bezahlen meines Zimmers hatte:
Ich zu ihm "Sagen Sie, wie komme ich jetzt am besten nach Bad Laer?"
Rezeptionist, wie ein Zauberer: "Sie haben es von Hamburg bis hier, nach Melle geschafft ... Sie werden einen Weg finden ..." sprachs und sah mich freundlich abwesend lächelnd an.
Äh, Danke ...

Komisch, also schnell los. Und da ich nun mit Generalkurs West fuhr, hatte ich für heute Freund Wind im Nacken - also die helfende Hand des Wetters, die den einen oder anderen km/h zusätzlich brachte.

Richtung Bad Laer ging es, immer die Bundesstraße entlang. Und da kam sie dann auch schon, die erste richtige Steigung meines Lebens. Eine Serpentine durch den Wald. Fast eine Stunde lang krampfte ich mich im kleinsten Gang nach oben. Schweißtreibend, gegen Neun, so ohne richtiges Frühstück im Magen. Keine schöne Sache.

Sie nannte sich die "Noller Schlucht", wie ich später beim Kartenstudium erfuhr. Und ich erinnere, wie sie rechts von mir auch ziemlich beeindruckend abfiel. Tritt um Tritt schraubte ich mich mit 4 km/h durch dieses grandiose Waldpanorama. Ein paar frühe Autofahrer überholten mich, schalteten mitleidig einen Gang herunter, so also wollten sie ja nicht zu schnell vor mir davonbrausen. Pochende Muskeln fraßen meine Reserven. Jetzt schon, grad mal eine Stunde unterwegs. Doch wie alles hatte auch diese Tortur ein Ende. Ich sah den Scheitelpunkt, zum greifen nahe. Nur nicht überdrehen, langsam treten, rund treten! Dann war es geschafft. Ich hatte den Noller Berg erklommen. Stolz wie Oskar stürzte ich mich in die Schlucht - als Belohnung wollte ich nun aber bitte auch eine ebenso atemberaubende Abfahrt genießen.

Und die bekam ich! Kurvig ritt ich mit hoher Geschwindigkeit nach unten, herrlich, langgezogen. Nicht treten müssen und doch so schnell zu sein. Ein Genuss, ein Rausch, dieses Durchschütteln. Das Klatschen des Windes in den Ohren, der Freilauf, der hinter mir sein surrendes Lied singt und tannzapfenbeladene Ausleger großer grüner Nadelgehölze, die fauchend vorbeihuschen. Genial! Genau das Richtige, um nun auch restlos wach zu werden.

Bad Laer war nun nicht mehr weit und auch die langsam aufziehende Wolkendecke vermochte meine Hochstimmung nicht zu vermiesen. Immerhin: Heute sollte ich Mel und Coesfeld erreichen.

Weiter ging es durch den schönen Teutoburger Wald. Anstiege folgten, genauso wie schöne Abfahrten. Bad Laer lag nun lange schon hinter mir und irgendwann nach 50 km erreichte ich Münster. Nun sollte es nur noch ein Katzensprung nach Coesy sein!

Und kaum hatte ich das Ortseingangsschild von Münster passiert, öffnete er seine Pforten, der Himmel, und ließ alles raus, was er hatte. Es goss wie aus Eimern und ich fand gerade noch Schutz unter der Markise eines Schönheitssalons. Frierend - denn ohne Bewegung schnell auskühlend - musste ich eine halbe Stunde warten, ehe das Pladdern nachließ.

Was sollte das Herumstehen? Ich musste weiter! Also fasste ich mir ein Herz und fuhr trotz anhaltendem Nieselwetters los.

Münster an sich soll ja die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands sein, aber mal ehrlich: Wer mag schon vierhundert Fahrräder ... an ein und der selben Kreuzung? Ich fand mich gar nicht zurecht, und auch wenn das Radlerchaos dort angeblich seine Ordnung hatte, ich habe es lieber, in der Mindheit zu sein und mich nur nach Autos richten zu müssen. Das war eindeutig zu viel des Guten!

Nun regnete es wieder stärker. Mittlerweile war ich auch von oben bis unten durchnässt. Was nun? Ich musste bis spätestens 14:30 Uhr in Coesy sein, sonst würde ich erst Stunden später Mel antreffen, die einen Termin hatte. Also Augen zu und durch!

Und so nahm ich in strömendem Regen die letzten 40 km in Angriff.

Die Kälte auf diesem Abschnitt war kaum zu ertragen, vor allem die dem Fahrtwind am meisten ausgesetzten Knie und Hände froren bald. Immer mehr fühlte ich die Nässe vor allem meinen Bauch hochkriechen.

Der Regen formte vor mir eine graue Wand, die Sicht nach vorn war nur auf wenige hundert Meter beschränkt. Die Tropfen auf meiner Brille blieben wo sie waren, Blindflug, so ohne Scheibenwischer. Die Gischt der mit unverminderter Geschwindigkeit neben mir (kein Radweg hier!) vorbeirasenden Autos und LKWs tat ihr Übriges.

Regenschlacht. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber auch diese hatte ihr Ende. Ein paar richtig passend auftauchende Berge und entsprechend beängstigende Abfahrten später erreichte ich endlich Coesfeld und rollte 10 Minuten vor Halb auf den Hof.

Eine heiße Dusche. Viel Franzbranntwein. Und ein warmes Bett, wo ich Mels Termin abwarten konnte.

Ich hatte also nach 3 Tagen und 330 km Coesfeld, mein Ziel erreicht.

Gefahren: 93,2 km in elendig langen 5 h und trotz Höllenschlucht ganz schön fixen 18,15 km/h Durchschnitt.

Ach und Schumi, Du bist nicht länger Regenkönig!




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