17 Mai 2008

Ertüchtigungsstrategien, Aufstehmotivation und effiziente Wochenendnutzung

Wir haben ja alle irgendwie zwei Gesichter. Und Körper. Die Wochen über in Rüstungen gehüllt, in Verkleidungen gesteckt oder in Raumanzüge gezwängt, die unser Arbeitsplatz verlangt. Das Corporate Behaviour züchtigt nach den Vorgaben, die die Tätigkeiten geben - wir müssen Geld verdienen.

Der Eine, den wir als betrunkenen Breakdancer vom Hamburger Berg kennen, der steht sonst in Uniform auf Kreuzungen und regelt den Verkehr. Eine Andere, sonst durchgeknallt und flippig, geht mit mäusepiepsig-kreideschmeichelnder Stimme ans Telefon und nimmt charmant Bestellungen über 3.000 l Desinfektionsmittel an.

Und ich, ich bin Werber im Onlinebereich, hecke Strategien aus, brüte über Designs und texte Bannerkampagnen. Meine Uniform ist die Nadelstreifenhose und das Jackett.

Aber am Wochenende, da ändern wir uns. Wir alle. Der eine geht Breakdancen, die nächste flirtet sich die Pfunde nur so weg und ich, ich ziehe meine zweite Uniform an: Das Trikot, die Radlerhose und den Fahrradhelm.

Ich gebe es zu: Ich bin tretlagersüchtig. Ich brauche Kettenwachs und das Kilometerklackern, brauche B-Straßen und Wadenmuskelkater. Ich diene in zwei Armeen.

Und manchmal, da diene ich beiden gleichzeitig. Spion zwischen den Fronten? Nein, das geht: Morgens, zur Arbeit fahren. Früh durch die (noch) leeren Hamburger Straßen fliegen. Hellwach werden von kühler Morgenluft die an den Knien kondensiert. Leicht schwitzend ankommen, als erster, früher, viel früher als alle anderen.

Ich könnte fast 30 Minuten länger schlafen, mit dem Rad bin ich so verdammt schnell in Winterhude. Aber das tue ich nicht. Kann nicht ruhig liegen bleiben. Vor Freude. Vorfreude.
Eine halbe Stunde - andere würden für 30 MInuten mehr Schlaf töten. Aber ich, ich springe hoch, schlürfe grinsend meinen Morgenkaffee, ziehe meine Uniform an und düse los.

Das muss Motivation sein. Süchtig nach 8 Kilometern Speedmachine jeden Morgen. Schon komisch, was Fitness so aus einem Menschen macht.
Früher hätte ich die 30 Minuten gern genommen, mich grunzend und wohlig schmatzend herumgedreht und wäre nochmal in meine Traumwelt weg gedämmert. Heute stehe ich eine Stunde vor Dienstbeginn bei meinem Arbeitgeber auf der Matte und mache das auch noch gern.

Orden gibts da nicht. Beförderungen eher selten. Ich glaube, ich bin pervers.

Und dann steht es da, in meiner Agentur, nur 3 Meter entfernt. Das Rad. Und glänzt. Wartet. Motiviert, 9 Stunden und mehr, arbeite ich, hänge mich rein. Flirte im Seitenblick mit meinem Roß. Und dann, wenn die Stechuhr meine Karte fordert und mir sagt "für heute reichts", dann springe ich fröhlich auf das Gefährt und fliege heim. Stechmücken zerschellen an weißen Schneidezähnen, wenn ich grinsend durch die rush-hour fliege.

Gestern motiviert gefahren: Agentur hin 8,54 km in 24 min und 21,2 km/h Durchschnitt.
Agentur zurück 8,5 km in 26 min und 19 km/h Durchschnitt.

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