21 Mai 2010

Abschied.

Was war das für eine tolle Zeit? Damals, ich werde es nie vergessen, als ich vor mehr als 2 Jahren das erste Mal bei Bernd im Liegeradstudio ankomme, zunächst ein untengelenktes Flux fahre und mich dann, ganz verschüchtert noch, das erste Mal in eine Speedmachine von HP Velotechnik setze.

Da beginnen sie, die Speedmachine Adventures. Das war vor 18.136 Kilometern.

Und dann geht es los - ich werde sicherer, lerne, mit jedem Meter den ich rolle. Genieße den Fahrtwind, die Geschwindigkeit, den Rausch des Schnellseins, des Liegens, des bequemen - aber dabei effizient windschlüpfrigen - Fahrens.

Ich entdecke Hamburg. Und die wundervolle Umgebung: Marsch, Vierlande, Wedel-Pinneberg, meine Feierabendrunde, die Schwarzen Berge, das Alte Land. Und immer wieder: Der Hafen, meine Liebe, der Sprint nach der 60 km-Runde an den gaffenden Touristen an den Landungsbrücken vorbei: Suchtpotenzial!

Dann kommen die Touren. Meine erste Große zur Mel nach Coesfeld. Der Generaltest für die bevorstehende Auslandstour. Ich nehme mir für die Hinfahrt bescheidene 100 km-Etappen vor. Brauche drei Tage bis ins Münsterland.

Und entdecke bei der Rückfahrt, dass ich 160 km und mehr am Tag schaffe und fahre in zwei Tagen zurück nach Hamburg.

Ich rocke Portugal, und obwohl ich völlig grün hinter den Ohren bin, keine Ahnung habe vom Tourenfahren, bezwinge ich den Backofen Europas, erlebe meinen ersten (und letzten) großen schlimmen Hungerast und komme nach 2 Wochen glücklich und stolz wie ein Tour de France-Gewinner in Porto an.

Ich habe Blut geleckt.

Eine Tour von Hamburg nach Schweden folgt, ich liebe es, mit dem Liegerad die Natur zu entdecken, zu genießen. Wie es duftet in den harzigen Wäldern Brandenburgs, entlang der unendlich gelben Rapsfelder Mecklenburgs oder an der salzigen Küste während meines Brachialritts zur Insel Pellworm.

Erinnerungen, die mir so wichtig sind, wie meine Augäpfel. Ich zelte, entdecke meine Liebe zum Outdoor wieder. Ich tune mich und mein Rad in dem Moment, wo ich erste Muskeln an meinen Schenkeln sprießen sehe. Ich kleide mich ein, teuer und stylish muss es sein. Markenschlampe - aber hey, Nalini, Jeantex und Co haben ihren Preis.

Süchtig eben.

Ich lerne Freunde kennen. Und das eine Menge. Olli, Speedmachinist, Klaus, ein Streetmachine-Rider mit Leib und Seele. Nicht zu vergessen Norbi, das Eisenschwein, Erfinder der alt-germanischen Dosenwurst-Hochleistungs-Diät - und Ihr vielen Liegeradler, Blog-Leser, Twitter-Follower und ADFC-Vortrags-Zuhörer.

Sarah, mit Dir habe ich meine missionarische Mission im Auftrage der HPlerischen Fahrradreligion zu wahrhaftiger Meisterschaft getrieben - wohl niemand außer mir kann sich rühmen, eine so hübsche Dame wie Dir auf eine so hübsche Speedmachine wie die Deine gebracht zu haben.

Die Heiligsprechung durch die Herren Pulvermüller und Hollants war deren Unterstützung meines - noch immer so wahnsinnig schönen, nie mehr reproduzierbaren - Trips durch die Rocky Mountains und halb Kanada. Momente, die man nie würde kaufen, Eindrücke, die kein TUI-Katalog je wird offerieren können.

Und dann der Höhepunkt - mein Liegerad und mich verschlägt es auf einen anderen Planeten.

Die Fahrt von Tokyo nach Hiroshima. Genau 1.300 Kilometer und zweieinhalb Wochen kämpfe ich mich Berge hinauf, die in Deutschland von TÜV und Amnesty International verboten würden, arbeite ich mich mit Händen und Füßen durch ein Land, in dem mich keiner versteht, in dem ich keinen verstehe, nichtmal die digitalen Roboterklos, in dem die Schriftzeichen ein einziges Kauderwelsch sind und die Kultur so fremd ist, dass ich eine solch überwältigende Einsamkeit erfahre, dass ich gereinigt, fast wie nach einer Zen-Erfahrung oder einer hochphilosophischen Ausbildung zurück kehre in meine Heimat mit Eindrücken, die nur versteht, wer selbst durch diese Schule gegangen ist.

2009 endet und 2010 beginnt mit einem Wahnsinnsprojekt - aus meinem orangegelben Liegerad wird ein Einzelstück, eine Hommage an die legendäre Rennradschmiede Bianchi in Italien, ein Kotau vor den Norditalienern, ein Traum in Celeste und Weiß, eine Bella Macchina, wie sie in Liegeradkreisen wohl einzigartig ist.

Dazu ein Aufrüsten und Greifen in die Zubehörkiste - nach den allerfeinsten Teilen. Zu meinem Rohloff Speedhub gesellt sich der SON und eine Edelux, hinten verrichtet das an minimalistischem Style nicht zu überbietende E3 Taillight seinen Dienst.

Bianchi darf stolz auf mich sein.
Und ich bin es auch.

Was war das für eine tolle Zeit? Über 300 Blogentries, 5 Blogs insgesamt, am Ende mehr als 4.000 Leser pro Monat - und eine ganze Menge Titelbilder, Fotos und Geschichten, die ich mir selbst in langweiligen Momenten gern und häufig mit einem Lächeln auf den Lippen immer mal wieder durchlese.

Das war eine wundervolle Zeit. Zwei Jahre Abfahren. Zwei Jahre Liegeradfaszination, Hochleistung, Sport und Genießen. Zwei Jahre, die mich so viel gelehrt haben - das meiste über mich selbst. Besinnung und Nachdenken bei stundenlangen Ausfahrten. Wie Meditation. Wie Religion.

Und nun? Nun nehme ich Abschied. Die Speedmachine Adventures sind abgeschlossen. Für hier zumindest. Ich habe so intensiv wie es nur ging erlebt und gelebt, was diese Art Rad zu fahren mir hat bieten können. Habe wunderschöne Ecken dieser Welt gesehen. Und wundervolle Menschen kennen gelernt.

Und nun?

Nun beginnt ein neues Kapitel.

Neue Adventures. Auch mit Speed - na klar, denn ich bin FastTransit. Bin Sohn eines Jetfighter-Piloten. Ich kann nicht ohne Speed.

Ich wünsche allen Liegeradfahrern, allen, die ich kenne und allen, die meine Geschichten so lange verfolgt haben, alles Gute! Fahrt unfallfrei, fahrt viel, und vor allem: Keep it Bent! Ich wünsche HP Velotechnik das Beste - Ihr baut ein fantastisches Liegerad!

Und wer verfolgen möchte, wie es mit mir weitergeht, der sollte sich - wenn es nicht allzu schockierend ist - diesen Link bookmarken: SPEEDMASCHINISTS NEUES BLOG


See you on the other side. Danke & Tschüs.


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1 Kommentar:

Joachim Wittkowski hat gesagt…

Sehr schöner Blog und tolle Berichte und Stories. Hast Du Interesse an einen Linktausch? Viele Grüße Joachim http://www.liegerad-blog.de