31 Oktober 2008

Nebelflug

Kalt ist es. Knackig. Wie tausend Nadeln sticht der Frost. Vor allem an den Stellen meines Körpers, die im Wind hängen: Nach 500 Metern schlottern mir die Ellenbogen, nach 1 Kilometer tropft die Nase. Die Brille beschlägt an Ampeln, denn beim Warten dampft mein Oberkörper die Hitze von 50 km/h aus.

Über der Stadt liegt eine weiße Suppe, sonderbar warm fühlt sie sich an, wenn ich durch sie hindurchgleite, wärmer als die Luft, die scharf an meinem engen Overall entlang streift. Ich
schmecke Süßwasser, das sich mit dem Salz meines Schweißes mischt.

Wundervoll orange glüht der Himmel rund um die Sonne, die nurmehr als gelber Ball blass über der Alster schwebt und versucht, Aufgang zu spielen.

Trotzdem genieße ich es, die Kälte bald ad acta gelegt, ich fühle mich wohl, wenn allenthalben feuchtes Goldlaub unter den Reifen matscht, nasser Asphalt klackert und mein Speedhub beim Schalten Freudensprünge macht. Ein LKW hupt Sturm, als ich mich an einer Ampel vordrängle. Ich winke ihm freundlich - und fahre ihm locker davon, als es Grün wird.

Ein schöner Nebelflug. 1 Grad kalt ist es.
Ich koche, als ich nach 13 Kilometern mein Büro erreiche.


Die Highlights in 2008: Mit dem Liegerad durch Portugal und Die Speedmachine in Schweden

29 Oktober 2008

Fehlkauf

In der kalten Jahreszeit sind alle Fahrten unter 10 Grad eine Zerreißprobe - zu erst ist es die Motivation, die auf dem Prüfstand steht, später die Kleidung.

Letzten Freitag waren es deshalb tolle Handschuhe von Röckl und eine Sturmhaube von GORE, die mein Equipment winterfest vervollständigen sollten.

Über 50 Euro investiert. Für einen Hauch von Nichts. Die Handschuhe - sehr leicht, schmeicheln der Haut und sind griffig an Bremsen und Schaltung - 30 Euro gut angelegt. Dagegen ist die Sturmhaube ein absoluter Fehlkauf.

Sorry Jungs von GORE - aber so ein teures Produkt hätte besser durchdacht sein müssen: Der heiße Atem geht trotz reichlich eingestanzter Atemlöcher immer den Weg des geringsten Widerstands. Und er unten am taillierten Hals nicht durchkommt, saust er nach oben durch den Augenschlitz - um zugleich an der Brille zu kondensieren.

Und das führt zu einem amtlichen Nebelflug. Da kann ich auch gleich mein Licht abstellen und auf die Autobahn fahren - der Unsicherheitseffekt ist derselbe.

Sieht rattenscharf aus, das Teil, taugt aber wenig. Außer für Darth Vader-Themenabende vielleicht ...


Die Highlights in 2008: Mit dem Liegerad durch Portugal und Die Speedmachine in Schweden

26 Oktober 2008

Ralf Schumacher irrt nicht!

Meine Agentur feiert 10-Jähriges und wir feiern dies gebührend bei sportlicher Aktivität. Kartrennen auf Ralf Schumachers ureigenster Bahn südlich von Hamburg.

Tief liegen - schnell fahren? Das kann ich!

Und was soll ich sagen? Speedmachinefahren macht einfach schneller, das mussten die Damen und Herren, die nur noch meinen röhrenden Auspuff zu sehen bekamen, schnell einsehen: Zwei von drei Rennen gewonnen.

Liegerad-Piloten sind einfach geiler. Ralf Schumacher irrt nicht. :-)

Abends noch zwei mal um den Flughafen geflogen - neue Bestzeit. Na bitte!

Gefahren: 31,46 km in 1 h 6,46 min und 28,3 km/h Schnitt.


Die Highlights in 2008: Mit dem Liegerad durch Portugal und Die Speedmachine in Schweden

19 Oktober 2008

7000, Nightflight & A New Pace

Es war Sonntag, als ich mich entschied mein Trainingspensum zu verdoppeln. Das sei eine gute Idee, dachte ich mir. Liegend auf der Couch. Dann zog ich mich an und testete, wie das ist, zwei mal mit voller Power um den Airport zu fliegen.

Gestern Nacht, es war schon stockdunkel, dann die zweite Fahrt. Keine einfache Strecke - enge Passagen durch Kleingärten, Abschnitte über stark befahrene Straßen, Fußgänger allenthalben, Berganstücke mit Waden-Brenn-Garantier und zwei Kilometer über rutschigen Rollsplit. Alles dabei, was das Herz erfreut - und den Schnitt bremst.

Mittlerweile kenne ich jede Kurve, jede Erhebung, jeden Ast, der auf den Wegen liegt. Ist die Ampel grün, wenn ich komme? Wechselt der Radfahrer dort vorn schnell noch die Seite? Es sind diese vielen kleinen Momente, die den Schnitt retten - oder vermiesen können.

Sonntag: 31,45 km in 1 h 10 min und 26,8 km/h Schnitt.
Gestern: 31,48 km in 1 h 8,5 min mit 27,5 km/h Schnitt.
23.10: 31,47 km in 1 h 10 min und 27 km/h Schnitt.


In der Nacht, ohne Verkehr, ohne Menschen, ohne Sonnenlicht - alles scheint rasanter, ein wenig gespenstisch aber unendlich spaßig. Herrlich, durch das Sternenmeer der Straßenbeleuchtung zu fliegen, ohne Menschen und ihren Hunden ausweichen zu müssen. Herrlich, die Straßen für sich zu haben, ohne am Feinstaub Vorausfahrender ersticken zu müssen. Einfach großartig der Flug durch 40 cm breite Buchsbaumpassagen in der Kleingartensiedlung. Ich bin ein Pilot, ein Pilot in dunkler Nacht auf dringender Mission. Lasst mich durch, Ihr Gespenster und Geister! Der Dynamo surrt, beleuchtet spärlich das Geschehen, der Speedhub verrichtet präzise sein Werk, Katzenaugen auf der Jagd verfolgen mich.
Ich zische liegend durch die Finsternis.

Ob die Ein-Stunden-Marke zu knacken ist? 30er Schnitt? Wir werden sehen.

Geknackt aber habe ich meinen 7.000en Kilometer auf der Speedmachine. Wie eine rasante Schussfahrt einen steilen Berg hinab, was ich seit März auf diesem wunderbahren Fahrrad erleben durfte ...


Die Highlights in 2008: Mit dem Liegerad durch Portugal und Die Speedmachine in Schweden

18 Oktober 2008

TouriBashing

Ich gebe es zu: Ich mag es irgendwie, wenn Touris auf den Radwegen stehen, schauend, staunend, und dann vor Schreck ihre Augen aufreißen, weil man angeflogen kommt wie eine Stealth-Flunder - und man auch noch im Recht ist.

Ich mag Touristen, nicht, dass da der falsche Eindruck entsteht. Aber ich stelle mich mit meinem Fahrrad ja auch nicht auf die Autobahn?!
Rot, liebe Touristen, rot sind bei uns die Radwege. Rot sind sie deshalb, damit sie gut zu sehen sind. Damit Ihr nicht verschrocken im letzten Moment vor den heranfliegenden Rädern wegspringen müsst, sondern damit Ihr immer wisst, wo Euer (meist grauer) Gehweg endet und unser Radweg beginnt.

Und weil Ihr das irgendwie nicht verstehen mögt und es mich immer an diese tollen Szenen aus Star Wars erinnert, bei der die Rebellen durch den Todesstern fliegen und rasant allerlei Hindernissen ausweichen müssen ... weil ich das so mag, fahre ich gern in Hamburgs Innenstadt - am liebsten am Westufer der Außenalster. Todessterngebiet.

Meist hebe ich mir diesen etwa 4 km langen Flug für das Ende meiner kleinen Ausfahrten auf - so habe ich den meisten Spaß zum Schluss. Als Climax sozusagen - ganz wie in der klassischen griechischen Tragödie.

Aber zu früh gefreut. Heute war Hamburg irgendwie leer. Zunächst wollte ich nach Stade fahren, das gab ich aber am Fähranleger auf, denn ich hätte im fiesen kalten Herbstwind glatte 15 Minuten warten müssen - mit schweißnassen Klamotten wegen dem Auskühlen eher ungesund. Also entschied ich mich für eine große Hamburger Runde: Elbufer bis Landungsbrücken, durch die Speicherstadt zur Hafencity, wieder in die Innenstadt und durch die Mönckebergstraße (die war allerdings voll!) zum Hauptbahnhof und von da endlich um die Alster.

Aber heute waren nur ein paar Spaziergänger unterwegs. Nix Aufregendes. Nix Spannendes. Nicht einmal ein paar Rennradfahrer, an die man sich hätte hängen können. Heute war Herbstdepri angesagt - und man hat es der Stadt angesehen.

Allenthalben lange Nasen ...


Die Highlights in 2008: Portugal per Liegerad und Mit der Speedmachine in Schweden

17 Oktober 2008

FireAbend

Endlich reißen die Wolken auf. Eine Woche voller Regenattacken, herrischer Windböen und matschiger Laubansammlungen, die jegliches Fahren unmöglich machten, geht zu Ende. Und da ist er - der blaue Himmel. Pünktlich zum Feierabend. Unfassbar gutes Timing.

Ich renne nach Hause, bin eigentlich reif für die Couch, aber die letzten Minuten im Hellen will ich wenigstens noch nutzen, alles schreit in mir, ich solle mich beeilen. Also stürze ich in die Wohnung, ziehe mich aus, wärmende Unterwäsche und den Overall wieder an, poltere die Treppen hinab und stehe da: Mitten im gewaltigen Feuerwerk eines grandiosen Sonnenuntergangs.

Im Westen geht glühend unter, was sich die Woche über hinter dicken, dunklen Regenwolken versteckt hielt, gibt eine Kostprobe ihrer Macht, ihrer Wärme, ihrer Schönheit. Hinter mir, angestrahlt vom Zentralgestirn, nähert sich ein Ungetüm aus dunklen Wolken, sonderbar roséfarbig beleuchtet von der lieben Sonne. Ganz so, als wolle sie damit sagen: "Komm, hab keine Angst, bis du zu Hause bist, bleibt es trocken."

Ich fliege um den Airport, verausgabe mich, schwitze, aber bin warm eingepackt, genieße die Farben des Herbstes und wie sich alles binnen Minuten beginnt in der Schwärze der herauf ziehenden Nacht zu verlieren. Straßenleuchten gehen an, mein Dynamo surrt, feuchtes Laub matscht unter meinen Reifen - ich fliege in Trance durch einen Herbstabend, wache erst auf, als ich nach 35 Minuten wieder zu Hause ankomme und fest stelle, wie gut mir dieser kleine Ausritt getan hat.

Gefahren: 16 km in 38 min und 26 km/h Schnitt


Die Highlights in 2008: Portugal per Liegerad und Mit der Speedmachine in Schweden


11 Oktober 2008

Autumn Mystery Tour

Große Pläne hatte ich, die ganze Woche über schon. Denn eines war klar - dieses Wochenende würde vielleicht das letzte schöne sonnige dieses Jahres werden. Der Plan - eine 165 km-Tour in einen Ort namens Binde.
In ein Landhotel mit Spa und Wellnes.
Abstrampeln, Ausspannen und Sichverwöhnenlassen.
Vielleicht den Olli mit Treffen - das Speedmachine-Meeting sozusagen.

Olli ist krank.
Ich fahre trotzdem los.

Früh war es, aber nicht zu früh. Dennoch, mich plagen beim Aufstehen und auf den ersten Kilometern heftige Motivationsmängel. "Bleib doch liegen, meine Güte, die ganze Woche schuftest Du und nun, an Deinem freien Tag, strampelst Du Dich wie ein Irrer ab" - so surrt mein Schweinehund allenthalben in mein Ohr. Und das Bett war ja auch so verdammt kuschelig und warm ...

Ich kämpfe mich durch die Stadt. Und auch während ich mich auf der Speedmachine durch die frische Morgenluft schneide, kann ich mich kaum motivieren - so schlimm war es noch nie!

Die Stadt allerdings liegt in diesem komischen Licht, das alles in eine eigentümliche, fast unheimliche Stimmung taucht.

Fast hat man das Gefühl, man fahre am Nachmittag. Kühl und feucht schlägt es sich auf meinen engen Klamotten nieder, ich pumpe hart, aber komme gut voran. Das Übliche, ich verfahre mich, orientiere mich aber grob an der Sonne und den super ausgeschilderten Straßen und finde schließlich wieder meine Richtung.

Als ich endlich in Bergedorf bin stehen schon 24 km auf dem Tacho - beschämend und niederschmetternd. Bin ich so bescheuert durch die Stadt gekurvt, dass ich ein Viertelhundert Kilometer runter habe? Ich bin noch demotivierter.

Endlich werde ich entschädigt, als ich entlang eines Elbarmes neben der Autobahn fahren kann, ein dichter Waldstreifen schirmt mich vom Straßenlärm der Erholungssuchenden ab und endlich kann ich durchatmen.
Alles wirkt noch eigentümlicher, Licht fällt durch grün-gelb-rotes Laub, Strahlen treffen mich, streifen mich, mal wärmen sie, mal blenden Sie.

Der Herbst zaubert, gibt alles, was er hat. Und ich fange an, es zu genießen, richtig zu genießen, durchzuatmen und finde endlich den runden Tritt. Und doch, im Hinterstübchen säuselt diese verführerische Stimme, dass es keine Schande wäre, jetzt umzukehren. Die Stadt ist nicht weit, nur 25 km zurück und ich könne wieder in mein großes weiches Bett. Das bestimmt noch warm ist ...

Ich erreiche Geesthacht und finde mich plötzlich neben einem Corso von ca. 50 schweren Motorrädern wieder. Laut knattern die chromblitzenden Maschinen mit den schweren Jungs neben mir her. Ich habe Mühe, mitzuhalten, denn ich muss auf einem der tollen Pflastersteinradwege fahren. Beherzt gebe ich Gas und springe über die Bordsteinkante auf die Fahrbahn, mitten in die verdutzt knatternden Rocker hinein. Der Aufprall ist hart, unter mir schlägt das Federbei hart am Anschlag an, meine Wirbelsäule im BodyLink-Sitz ist gepolstert, schüttelt aber nur mit dem Kopf.

Hier im Stadtverkehr habe ich keine Mühe mit den jeweils in Zweierreihen nebeneinander her cruisenden Rockern mitzuhalten. Zwar überholen mich einige Motorräder, aber an der nächsten Ampel schlängle ich mich zur über und über mit Hamburg-Flaggen bestückten Führungsmaschine durch. So geht das durch ganz Geesthacht.

Irgendwann verliere ich sie, kann nicht mehr ihren Speed gehen, aber ich freue mich, winke dem Schlussmann und frage mich, wie das wohl für die Passanten ausgesehen haben muss - diesen tretenden Fremdkörper, sonderbar angezogen auf seiner leuchtenden Liegemaschine inmitten der schwarzen, schweren Protzkarren zu sehen.
Interessant. Denke ich.

Von Geesthacht aus führt ein fantastischer Radweg weiter nach Lauenburg. Ich hatte schon einmal das Vergnügen hier zu fahren und freue mich, als ich die lang gezogenen Bergabstücke mit lockeren 45 km/h hinabgleite und auf den ebenen Stücken leicht meine 30 bis 34 km/h Durchschnitt halten kann.

Und wieder fasziniert mich das Farbenspiel und die Pracht dieses sonnigen Tages. Befeuert durch die Strahlen einer Sonne, die durch keine einzige Wolke aufgehalten wird, leuchten die Bäume geradezu, ganze Felder gelben Laubes auf dem Radweg erzeugen ein mystisches Rascheln, ich blinzele in den grünen Nadelwald, atme harzigen, feuchten Duft und weiß, dass ich mir hier etwas ganz Gutes tue.

Der Herbst hat seine Palette bestimmt noch nicht erschöpft, denke ich mir, aber schon jetzt scheinen Teile des Horizonts in Flammen zu stehen, wenn weitab Kastanienalleen in Karminrot und Zitronengelb flackern, in diesem märchenhaften Nachmittagslicht. Ein ganzer Tag Dämmerung, ein ganzer Tag wie im Märchenland. Es ist herrlich.

Und doch, diese Stimme, diese Unlust, ganz nach hinten gepackt, aber doch, ich fühle sie, reiße mich aber zusammen. Ein Hallenbad und ein kompletter Spa mit Sauna wird mich heute verwöhnen. Da lohnt es sich zu leiden. Rede ich mir ein, verdamme die Stimme zum Schweigen und trete rein.

Irgendwann erreiche ich Lauenburg. Ein heftiger Abstieg auf einem schlecht in Schuss gehaltenen Radweg, daran kann ich mich noch erinnern. Ich überhole ein paar Radtouristen, die in die Sommerfrische radeln, und biege nach rechts ab - ich muss über die Elbe.

Hier spüre ich ihn dann zum ersten Mal, den Wind, der heute sein Unwesen treibt. Zeitweise führt die Strecke genau entgegen seiner Windrichtung. Was bisher nurmehr als ruckeln an meinem Rad und gelegentliches Pusten von der Seite wahrzunehmen war, entpuppt sich jetzt als handfester Gegenwind. Er bremst mich auf 20, an Steigungen auf ekelhafte 17 km/h herunter.
Ich freue mich, als es endlich wieder auf einen Süd-Ost-Kurs geht und ich nach langem Treten in Bleckede ankomme.

Ich lenke die Speedmachine durch den Ort, habe knappe 90 km auf dem Tacho und - zum ersten Mal seit dem ich das Rad habe, absolut keine Lust mehr. Nicht, dass es keinen Spaß machen würde zu fahren, aber ich fühle mich nicht fit, habe Hunger (was man leicht beheben könnte) und irgendwie hat es diese dumme Stimme da hinten im Kopf geschafft, mich zu schaffen.

Und trotzdem, ich bleibe on track und lenke das Rad eine recht steile Steigung nach Barskop hinauf, nachdem mir eine freundliche Dame beim Laubharken vom Elberadweg bei Hitzacker, meinem nächsten Etappenziel, wegen der "Wolfsschlucht", einer irre steilen, mörderischen Steigung, abgeraten hatte. Obwohl mich kurzzeitig der Ehrgeiz gepackt hatte und ich unbedingt wissen wollte, warum nach ihrer Aussage die Radtouristen auf dem Weg die Elbe nach Dresden entlang dieses steilste aller Stücke vermeiden, wähle ich den einfachereren Weg. Und der ist schon schwer genug.
Ich schnaufe mich den Berg hinauf - um dahinter weitere zu finden.
Wer glaubt, dass die Altmark Flachland wäre, der ist auf dem Holzweg.

Oben angekommen treibe ich mich voran durch dichte Wälder, tauche ein in dunkle Schatten, flirrende Sonnenstrahlen, manche gebündelt, manche so dünn das ich glaube, ich hätte die Bestandteile der Sonne gesehen. Sie führen ihren faszinierenden Tanz auf dem grauen Asphalt der Straße und dem schweißnassen Stoff meines Overalls auf.

Dann wieder komme ich ins freie Land, goldene Ären der Felder biegen sich unter dem heftigen Wind und nun merke ich endlich, was mich die ganze Zeit so komisch sein lässt: Es ist die Heimfahrt morgen, die mir Sorgen macht.

160, 170 km bei diesem Wind? Und morgen, so habe ich es im Internetwetterdienst und der Tagesschau gesehen, soll der Wind noch stärker werden.
Was jetzt nur in unvorteilhaften Kurven und einzelnen Passagen passiert, wird morgen Tagesordnung sein - heftigster Gegenwind.
160, 170 km.
Wie gesagt.

Da durchzuckt es mich. Die Stimme gewinnt. Ich hasse es, aber sie hat Recht. Das ist kein Pool und kein Spa der Welt wert - 160 km bei vollem Gegenwind. Ich beschließe, den Tag wenigstens mit einer großen Runde zu beenden. Dann lenke ich die Speedmachine Richtung Lüneburg. Mitten in den Wind. Und bekomme eine Ahnung von dem, was mir morgen geblüht hätte.

Ich komme auf der stark befahrenen, eher wie eine Autobahn anmutenden Bundesstraße 216 kaum voran. Ein mit rund 380 km/h in entgegen gesetzter Richtung an mir vorbeisägender Rennmotorradfahrer reckt beim Vorbeischießen grüßend den Daumen in die Luft, das motiviert. Allerdings nur kurz. 25 km bis Lüneburg, sagt das Schild.

Ich quäle mich. Der Wind zerrt am Rad, ich komme nur langsam voran. Dazu lange Anstiege, deren Meistern nicht einmal mit rasanten Abfahrten belohnen, denn ich muss stetig treten, so heftig bremst der Gegenwind. Ich überlege noch, ob ich die ganze Strecke bis hoch nach Hamburg mit dem Rad fahren soll, sehe dann aber wenig Sinn darin, mich vor 160 km fiesestem Gegenwind zu schützen, aber 60 km Gegenwind zu ertragen.
Ich muss sogar eine Pause einlegen - lange schon hat mich so ein Wind nicht gequält. Erinnerungen an die Leidensetappen in Portugal werden wach ...

Buchstäblich auf dem letzten Loch pfeifend erreiche ich Lüneburg, kämpfe eine Weile mit dem scheinbar von Genie-Interfacedesignern programmierten Deutsche-Bahn-Automaten, als mich ein paar Jugendliche einladen, auf der Gruppenkarte mitzufahren. So komme ich in netter Begleitung in 40 Minuten Fahrtzeit im Metronom nach Hamburg, bringe die letzten 10 km nach Hause hinter mich und lande mit schmerzenden Waden im Sofa.

Schade, kein Spa.
Schade, kein Speedmachine-Meeting.

Aber besser für mein arg gebeuteltes Konto ist es allemal, und Olli, mein Freund, spätestens im nächsten Frühjahr treffen wir uns im schönen Binde und holen das nach. Und dann, Ihr Mädchen, fahre ich durch die Wolfsschlucht und schaue mir mal an, vor was Generationen von Radwandererern Angst haben.

Trotz allem eine wunderbare, bezaubernde Herbstrunde durch mystische Lichtspiele, farbenfrohe Blätterpracht und einmal mehr mit der Erkenntnis behaftet, dass unser schönes Heimatland so gesegnet ist mit unzähligen, unbeschreiblich schönen Stellen, das es noch tausende Blogs füllen könnte, was es jenseits unpersönlicher Autobahnen zu entdecken gibt.

Gefahren: 140,45 km in 5 h 45 min und für diesen Wind erstaunlichen 24,4 km/h Schnitt


Die Highlights in 2008: Portugal per Liegerad und Mit der Speedmachine in Schweden

04 Oktober 2008

Sturmflug

Herrlichstes Herbstwetter - sei willkommen! Was gestern schon wahnsinnig Spaß gemacht hat, war heute umso eindringlicher: Hamburg explodiert vor Farben. Alle Changierungen des Gelb und Rot, vom verrotteten Braun bis zum strahlendsten Hellgelb, vom schorfigen Blutrot bis zum blendenden Neon. Diese Stadt erstrahlt in feinstem Sonnenschein.

Dazu ein strahleblauer Himmel, an dem die Wolken nur so entlang peitschen, zerrissen werden unter der treibenden Kraft starker Böen, die auch hier am Boden für die ein oder andere heftige Korrekturbewegung beim Steuern sorgen.

Eine herrliche, wenn auch nur kurze, Runde durchs schöne Hamburg, dessen weiße reiche Fassaden den drohenden Winter wegzustrahlen versuchen und dessen Bewohner als Melaninjunkies versuchen, jeden Strahl der Sonne in sich aufzusaugen.

Einfach herrlich ...

Ach ja: Und dann kamen mir noch HP Baxxter von Scooter (nee, doch, er wars, ganz bestimmt!) und eine Frau entgegen, als ich langsam über die Buckelpiste nahe Dockland gefahren bin. Er starrte mich an, ich grinste und beschleunigte, da genau an diesem Punkt wieder der Asphalt anfing. Schwupps - weg war ich. Hyper Hyper!

Gefahren: 32 km in 1 h 25 min


Die Highlights in 2008: Portugal per Liegerad und Mit der Speedmachine in Schweden

03 Oktober 2008

Den Herbst begrüßen ...

... denke ich mir, als ich mein schlechtes Gewissen beruhigend an diesem herrlichen freien Geburtstagstag in den Himmel blicke, erkenne, dass es trocken ist und meine Radklamotten überstreife.

Wer weiß, wie viele schöne Kilometer ich noch würde auf meiner Speedmachine bestreiten können? Also ziehe ich die lange Kombi an, darunter lange Unterwäsche, wuchte mich guter Dinge aufs Rad und beschleunige.

Bereits gestern hatte ich es aus dem Liegeradstudio nach dem 6.000 km-Check geholt: Ein neues Hinterrad, Bremsbeläge, Kette und andere Teile zieren das gute Stück. Heute fährt sie schnell wie eh, die Rohloff surrt ihr Lied von mechanischer Präzision und es macht sich gut an.

Ich nehme mir die große Hausrunde vor - nach Wedel und über Blankenese zurück, Abstecher an Hafen und zum Fischmarkt inbegriffen, Ritt um die Außenalster.

Klaro.
Die Strecke kennt mich.
Und ich sie.
Es ist wie ein Flug mit Autopilot.

Kalt ist es, dazu feucht auf den Straßen. Fieses Matschlaub verwandelt Teile der Strecke in gefährliche Gebiete: Hier auch nur ein bisschen zu viel an den Bremsen ziehen und man ist verloren. Und ein aus der Fahrlage geratenes Liegerad wieder zu stabilisieren ist ein nahezu unmögliches Unterfangen.

Der Herbst hat Einzug gehalten in Deutschland. Leuchtend bereits hier und da die Farben - prächtiges Gelb und Rot glüht in der Sonne, dann und wann reißt der graue schwere Himmel über mir auf und gibt der Sonne Strahlen freie Bahn. Dann bekomme ich Tränen in die Augen, so sehr blenden die verfärbten Blätterdächer über mir.

Wedel ist schnell erreicht, ich prügle meine Machine durch die Stadt, Touristen staunen an rotn Fußgängerampeln. Es folgt Rissen und ich rolle wenig später endlich mit irrer Geschwindigkeit in Blankenese ein. Hier lasse ich es langsam angehen, wähle den Sandweg an der Elbe entlang und schlängele mich durch die vielen Spaziergänger. So wird es auch bis Övelgönne bleiben, erst ab Dockland habe ich wieder Straße unter den Mänteln und kann Stoff geben.

Mein Lieblingsstück - die Außenalster - kommt. Ich freue mich. Joggern und Touristen ausweichen, dabei die stets langsameren Radfahrer überholen, es ist wie der halsbrecherisch rasante Flug durch den Todesstern in Star Wars.

Irgendwann werde ich das mal mit Helmkamera filmen ...

Eine tolle Runde, denke ich mir noch so, als ich daheim angekommen unter der heißen Dusche den Schweiß loswerde, mir einen Macchiato bereite und mich freue. Und wie schön, dass unsere Republik heute Geburtstag hat, denn so bleiben noch morgen und übermorgen, um sich ähnlich schöne kleine Ausritte vorzunehmen.

Gefahren: 60,35 km in 2h 37 min und 23 km/h Schnitt


Highlights 2008: Portugal per Liegerad und Mit der Speedmachine in Schweden