21 Mai 2010

Abschied.

Was war das für eine tolle Zeit? Damals, ich werde es nie vergessen, als ich vor mehr als 2 Jahren das erste Mal bei Bernd im Liegeradstudio ankomme, zunächst ein untengelenktes Flux fahre und mich dann, ganz verschüchtert noch, das erste Mal in eine Speedmachine von HP Velotechnik setze.

Da beginnen sie, die Speedmachine Adventures. Das war vor 18.136 Kilometern.

Und dann geht es los - ich werde sicherer, lerne, mit jedem Meter den ich rolle. Genieße den Fahrtwind, die Geschwindigkeit, den Rausch des Schnellseins, des Liegens, des bequemen - aber dabei effizient windschlüpfrigen - Fahrens.

Ich entdecke Hamburg. Und die wundervolle Umgebung: Marsch, Vierlande, Wedel-Pinneberg, meine Feierabendrunde, die Schwarzen Berge, das Alte Land. Und immer wieder: Der Hafen, meine Liebe, der Sprint nach der 60 km-Runde an den gaffenden Touristen an den Landungsbrücken vorbei: Suchtpotenzial!

Dann kommen die Touren. Meine erste Große zur Mel nach Coesfeld. Der Generaltest für die bevorstehende Auslandstour. Ich nehme mir für die Hinfahrt bescheidene 100 km-Etappen vor. Brauche drei Tage bis ins Münsterland.

Und entdecke bei der Rückfahrt, dass ich 160 km und mehr am Tag schaffe und fahre in zwei Tagen zurück nach Hamburg.

Ich rocke Portugal, und obwohl ich völlig grün hinter den Ohren bin, keine Ahnung habe vom Tourenfahren, bezwinge ich den Backofen Europas, erlebe meinen ersten (und letzten) großen schlimmen Hungerast und komme nach 2 Wochen glücklich und stolz wie ein Tour de France-Gewinner in Porto an.

Ich habe Blut geleckt.

Eine Tour von Hamburg nach Schweden folgt, ich liebe es, mit dem Liegerad die Natur zu entdecken, zu genießen. Wie es duftet in den harzigen Wäldern Brandenburgs, entlang der unendlich gelben Rapsfelder Mecklenburgs oder an der salzigen Küste während meines Brachialritts zur Insel Pellworm.

Erinnerungen, die mir so wichtig sind, wie meine Augäpfel. Ich zelte, entdecke meine Liebe zum Outdoor wieder. Ich tune mich und mein Rad in dem Moment, wo ich erste Muskeln an meinen Schenkeln sprießen sehe. Ich kleide mich ein, teuer und stylish muss es sein. Markenschlampe - aber hey, Nalini, Jeantex und Co haben ihren Preis.

Süchtig eben.

Ich lerne Freunde kennen. Und das eine Menge. Olli, Speedmachinist, Klaus, ein Streetmachine-Rider mit Leib und Seele. Nicht zu vergessen Norbi, das Eisenschwein, Erfinder der alt-germanischen Dosenwurst-Hochleistungs-Diät - und Ihr vielen Liegeradler, Blog-Leser, Twitter-Follower und ADFC-Vortrags-Zuhörer.

Sarah, mit Dir habe ich meine missionarische Mission im Auftrage der HPlerischen Fahrradreligion zu wahrhaftiger Meisterschaft getrieben - wohl niemand außer mir kann sich rühmen, eine so hübsche Dame wie Dir auf eine so hübsche Speedmachine wie die Deine gebracht zu haben.

Die Heiligsprechung durch die Herren Pulvermüller und Hollants war deren Unterstützung meines - noch immer so wahnsinnig schönen, nie mehr reproduzierbaren - Trips durch die Rocky Mountains und halb Kanada. Momente, die man nie würde kaufen, Eindrücke, die kein TUI-Katalog je wird offerieren können.

Und dann der Höhepunkt - mein Liegerad und mich verschlägt es auf einen anderen Planeten.

Die Fahrt von Tokyo nach Hiroshima. Genau 1.300 Kilometer und zweieinhalb Wochen kämpfe ich mich Berge hinauf, die in Deutschland von TÜV und Amnesty International verboten würden, arbeite ich mich mit Händen und Füßen durch ein Land, in dem mich keiner versteht, in dem ich keinen verstehe, nichtmal die digitalen Roboterklos, in dem die Schriftzeichen ein einziges Kauderwelsch sind und die Kultur so fremd ist, dass ich eine solch überwältigende Einsamkeit erfahre, dass ich gereinigt, fast wie nach einer Zen-Erfahrung oder einer hochphilosophischen Ausbildung zurück kehre in meine Heimat mit Eindrücken, die nur versteht, wer selbst durch diese Schule gegangen ist.

2009 endet und 2010 beginnt mit einem Wahnsinnsprojekt - aus meinem orangegelben Liegerad wird ein Einzelstück, eine Hommage an die legendäre Rennradschmiede Bianchi in Italien, ein Kotau vor den Norditalienern, ein Traum in Celeste und Weiß, eine Bella Macchina, wie sie in Liegeradkreisen wohl einzigartig ist.

Dazu ein Aufrüsten und Greifen in die Zubehörkiste - nach den allerfeinsten Teilen. Zu meinem Rohloff Speedhub gesellt sich der SON und eine Edelux, hinten verrichtet das an minimalistischem Style nicht zu überbietende E3 Taillight seinen Dienst.

Bianchi darf stolz auf mich sein.
Und ich bin es auch.

Was war das für eine tolle Zeit? Über 300 Blogentries, 5 Blogs insgesamt, am Ende mehr als 4.000 Leser pro Monat - und eine ganze Menge Titelbilder, Fotos und Geschichten, die ich mir selbst in langweiligen Momenten gern und häufig mit einem Lächeln auf den Lippen immer mal wieder durchlese.

Das war eine wundervolle Zeit. Zwei Jahre Abfahren. Zwei Jahre Liegeradfaszination, Hochleistung, Sport und Genießen. Zwei Jahre, die mich so viel gelehrt haben - das meiste über mich selbst. Besinnung und Nachdenken bei stundenlangen Ausfahrten. Wie Meditation. Wie Religion.

Und nun? Nun nehme ich Abschied. Die Speedmachine Adventures sind abgeschlossen. Für hier zumindest. Ich habe so intensiv wie es nur ging erlebt und gelebt, was diese Art Rad zu fahren mir hat bieten können. Habe wunderschöne Ecken dieser Welt gesehen. Und wundervolle Menschen kennen gelernt.

Und nun?

Nun beginnt ein neues Kapitel.

Neue Adventures. Auch mit Speed - na klar, denn ich bin FastTransit. Bin Sohn eines Jetfighter-Piloten. Ich kann nicht ohne Speed.

Ich wünsche allen Liegeradfahrern, allen, die ich kenne und allen, die meine Geschichten so lange verfolgt haben, alles Gute! Fahrt unfallfrei, fahrt viel, und vor allem: Keep it Bent! Ich wünsche HP Velotechnik das Beste - Ihr baut ein fantastisches Liegerad!

Und wer verfolgen möchte, wie es mit mir weitergeht, der sollte sich - wenn es nicht allzu schockierend ist - diesen Link bookmarken: SPEEDMASCHINISTS NEUES BLOG


See you on the other side. Danke & Tschüs.


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12 Mai 2010

Dressed to kill.

Mein Händler sagt vorgestern, dass er alle Teile vorrätig hat - bis auf den Rahmen. Naja. Wie lange das jetzt noch dauert, weiß kein Mensch, also denke ich mir, nutze ich die Zeit und ... shoppe.

Richtig, denn mir fehlt natürlich noch Einiges an Ausrüstung für das neue Rad.
Fangen wir mit den Klamotten an.

Der Umstieg von Tornado auf Eurofighter brachte ja nicht nur ein neues Cockpit mit sich - sondern zunächst auch mal eine neue Kampfkombi für die Piloten. Beim Speedmaschinisten ist das nicht anders. Gemäß des neuen Farbschemas meines Boliden entscheide ich mich - ganz klassisch - für die Teamklamotten des ProTour-Vereins Cervélo.

Adieu, liebe Euros. Aber die Investition lohnt sich. Tolle Markenqualität von Castelli ziert da meinen Körper. Eng und geschmeidig liegt das Langarmshirt an. Innen leicht geflockt - so lässt sich auch mal eine schnelle Ausfahrt bei Temperaturen unter 10 Grad aushalten.

Das Trikot finde ich am genialsten - erinnert es mich doch an mein geliebtes Nalini-Trikot. Diesmal also gebrandet, aber wie ich schon sagte, Cervélo ist meine Lieblingsradmarke und dafür fahre ich gern Werbung. Zudem ist gerade Giro - und da wünsche ich Carlos Sastre (natürlich auf Cervélo) alles Gute!

Tja, fehlen nur noch neue Schuhe. SPD-SL wird von meinen Shimano RT-52 leider nicht unterstützt. Und das heißt, dass ich vielleicht sogar mal in Carbon-Monster von Sidi investieren werde. Mal sehen, was das Konto so sagt, nachdem der Cervélo-Aderlass vorbei ist.

Jedenfalls nimmt er langsam Form an, der neue Pilot des neuen Rades.

Wenn nun noch die Maschine käme: Toi toi troy, kann man da nur sagen, was?


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08 Mai 2010

The Cervelover

Nicht nur, weil ich als Werbefuzzi die Marke Cervélo so liebe, die "Höllentour" auswendig kenne und bisher mit Freude selbst jeden Rennradler, der da vor mir auf dem Asphalt aufgetaucht ist, aus vollstem Herzen versägt habe, freue ich mich auf den Start des 2010er Giro.

Eurosport läuft schon warm.
Karotten und Gurkenscheiben werden gleich zurechtgeschnibbelt.
Vielleicht setze ich mir meinen Catlike-Whisper auf - immerhin der Teamhelm von Cervélo - und freue mich auf die erste Etappe beim Zeitfahren in Amsterdam.

Und damit nicht genug - die Jungs fahren zumindest teilweise auf der Strecke, die in weniger als 4 Wochen auch mir bevorstehen wird: Der BentGiro mit Klaus.

1.400 Kilometer von Venedig nach Catania. Von Nord nach Süd. Von Ost nach West. Durch alle Zonen Italiens. Wein, Pizza, Pasta und Tifosi. Das Verkehrsgewusel Roms, die einsamen Täler der Abruzzen, schnuckelige Gasthöfe, abgelegene Dörfer, kochender Asphalt, mediterrane Sonnenhölle.

Ich freue mich!

Also: Jeden Tag Giro gucken, vielleicht lerne ich ja was über einige Streckenabschnitte, die wir unbedingt mit in unser Programm nehmen müssen. Oder lieber aussparen sollten.

Und Cervélo die Daumen drücken. Carlos Sastre, Du machst das! Alles Gute! Und ob unser Heinrich Haussler (oder gehört er den Aussies? Keine Ahnung ...) mit dabei ist, muss ich mal noch evaluieren.

In jedem Fall - der Cervelover schaut zu. Großartig!


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04 Mai 2010

Barjin oder Furon?

Tag 0: Super-GAU. Das Rad ist weg. Niedergeschlagen.

Tag 2 danach: Der erste Schock ist überwunden. Denn ich weiß - die Speedmachine ist in guten Händen.

Tag 3: Ich entscheide mich, mein neues Rad zu kaufen. Ich entscheide es, weil ich meinem Bauch schon immer gut vertrauen konnte. Ich entscheide es, weil ich Listen gemacht habe, wahre Excel-Monster, weil ich Tretlagerüberhöhungen auswendig kenne, Kilogrammzahlen mit und ohne Carbon-Ausstattung gelernt habe, allerlei Daten und Fakten kenne und viele, unzählige Emails von Herstellern und Vertrieblern, von Fahrern und Händlern gelesen habe.

Tag 4, heute: Ich habe bestellt.

Auf Twitter hat mein Liegerad-Verkauf für einigen - vollkommen unerwarteten - Wirbel gesorgt und eine Diskussion in Gang gesetzt.

Verkehrsrot Ich setze 20 auf Baron.

SPMRider Standard? Nee, der nimmt ein Rad wie Döner: Immer mit alles!

VeloLars Ich setze 20 auf Fujin.

Verkehrsrot Dann erhöhe ich 25 auf Baron.

Velolars Ich gehe mit und will sehen. :-)

Tja, Jungs. Leider dauert es damit noch ein bisschen. Und ich kann Euch hier heute nur ein paar Einzelheiten - nicht aber das ganze Bild - kund tun. Das Geheimnis wird also noch eine Weile mehr oder weniger Anlass zu Rätseln aufgeben.

Eins aber, das steht fest: Eine schöne Dura Ace 7900 wird meiner Schenkel Arbeit in Vortrieb umwandeln.


Leider keine Di2 - denn die hätte den Kostenrahmen leider beiweitem gesprengt. Dafür aber werden einige andere sehr feine Teile das neue Geschoss zieren. Auch Carbon. Sehr viel sogar. Eine wahre Orgie, kann man fast sagen.

Obwohl ich diesem Werkstoff - vor allem auf langen Touren - immer äußerst skeptisch gegenübergestanden habe. Immerhin kann ein kleiner Stubbser (z.B. ein umgekipptes Rad) schon das Aus bedeuten. Andererseits kann auch ein Alu-Rahmen brechen.

Besonders freue ich mich über die Laufräder. Das werden edle Teile werden.

Die R-SYS von Mavic haben es mir schon seit einiger Zeit angetan. Heute hatte ich eines in den Händen. Ein sauberer Lagerlauf, sehr feine Verarbeitung - so muss das sein. Geordert, eingetütet, fix gemacht.

Naja, Jungs, Ihr fragt Euch, was es werden wird, das neue Rad. Der Nachfolger des Edizone Bianchi?

Ich warte damit mal noch ne Weile. Will erst abwarten, wie es aussieht, fertig.
Heute haben sie mich vermessen, eingestellt und katalogisiert.

Die Teile sollten bis Mitte nächster Woche alle da sein.
Das Rad in maximal 14 Tagen zur ersten Testfahrt rollen.
Muss es auch - in 5 Wochen geht es nach Italien.

Alles neue macht der Mai? Aber Hallo!
Fujin oder Baron? Barjin oder Furon? Man darf gespannt sein. Ich jedenfalls bin es.


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30 April 2010

She´s gone ...

Oh ja, so belämmert kann es aussehen.
Mir schmerzt es im Bauch. Im Herz klafft eine Wunde. Fast scheint mir, als blute ich WD40, als seien mir innerlich die Schaltseile gerissen.

Sie ist weg. Meine Speedmachine.

Da sitze ich nun auf meinem Sofa. In meinem Wohnzimmer. Vor mir ein Stapel 50er Scheine. Aber Geld spielt keine Rolle, jetzt, irgendwie in diesem Moment. Denn drehe ich meinen Kopf, schaue ich nach links, da, wo ich einst meinen Eichenholzesstisch in den Keller räumte, um Platz zu schaffen, auf dass mein geliebtes Liegerad in meiner warmen Stube einen Platz finden mochte.

Und nun? Leer ist der Platz.
Leer, wie mein Herz gerade.

Georg aus Berlin steht 17 Uhr vor der Tür. Hat sich den Nachmittag mit seinem kleinen Brompton in Hamburg vergnügt. Und nun sitzt er da, auf meinem Sofa, löchert mich, fragt, schaut, prüft.

Ja, eine tolle Maschine, das ist sie.
Er liebt Bianchi, sagt er.
Na, da bist Du bei meiner Edizione Bianchi richtig, sage ich.

Er prüft und schaut. Rüttelt mal hier, schaut mal da. Prüft mein Werkstattheft, sichtet die gesammelten Rechnungen vom Liegeradstudio. Dann will er raus, eine kleine Runde drehen.

Zunächst sieht es wackelig aus. Tiller sei ungewohnt, sagt er. Aber faszinierend zu sehen, wie es mein Liegerad schafft, ihn schon nach wenigen Metern relativ sicher geradeaus fahren zu lassen. Kein Problem. Es ist eben doch ein sehr gutmütiges Rad, dieses HP Velotechnik.

Er dreht seine Runde auf regnerischem Asphalt - naja, so sind wenigstens die Kinder, die hier sonst mit bunter Kreide ihre Figuren malen, nicht im Weg.

Dann erbittet er sich eine halbe Stunde Bedenkzeit. Ich denke mir nichts dabei. Hänge meine Wäsche auf als sei nichts gewesen. Er geht um den Block derweil. Ich beachte die Speedmachine gar nicht, die da hinter mir steht. Da, wo sie immer stand. Seit 2 Jahren stand. Wo sie stand, wenn ich sie nach den 18.000 Kilometern immer wieder dort geparkt hatte.

Ich drehe ihr den Rücken zu, hänge meine Shorts auf.
Dann klingelt es.
Ich mache auf.
Georg hält mir einen dicken Umschlag Geld hin.
Ein Kaufvertrag wird unterschrieben.
Dann verladen wir die Speedmachine.
Ich muss mich beeilen, denn 20 Uhr macht der Aldi zu und ich habe nichts zu Essen am morgigen 1.Mai.
Sie ist weg.
Weg.

Und ich, ich merke es erst, als ich wie belämmert auf meinem Sofa sitze und die kahle Stelle im Wohnzimmer mir eine kalte Schneise ins Herz schneidet.

Sei gut zu ihr, Georg.
Sie wird sehr gut zu Dir sein, da bin ich mir sicher.

Zu Heulen irgendwie.


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24 April 2010

Kettenreaktion.

Sowas kommt von sowas, sagt man ja. Und wenn in China ein Sack Reis umfällt, ein Schmetterling pupst oder jemand seine Brille vergisst, dann kann das hier in Europa Wirbelstürme auslösen oder sonstwas anrichten.

Heute hatte das Universum für mich auch so Einiges parat.

Ich beginne den Tag mit relativ luxuriösem Ausschlafen bis halb Neun und stehe auf, um festzustellen, dass ich keine Milch mehr für meinen Morgensenseo habe. Als ich mir meine Toasties auch noch ohne Butter schmieren muss, hätte ich die Zeichen eigentlich erkennen sollen. Tue ich aber nicht - und steige hochmotiviert in mein Liegerad, schieße durch die Stadt und heiße einen Frachterriesen aus Panama willkommen.

Neuer Nepp und Tünnef, damit unser Konsumrausch auch nahtlos weiter gehen kann.

Für mich wird es heute eine politische Tour - und deshalb finde ich den konsumkritischen, antikapitalistischen Start am Hort der Globalisierung - dem Hafen - doch einigermaßen passend.

Heute ist Ketten-re-Aktion, und da will und darf ich nicht fehlen. Wir sagen Nein zur Atomkraft. Vor allem, wenn sie aus veralteten Meilern kommt, wie dem Schrotthaufen Krümmel, der nicht weit von meiner Stadt in Geesthacht vor sich hinbrütet.

Ketten-re-Aktion also: Eine klare Ansage an diese furchtbare Regierung, die am Ausstieg rüttelt (Danke nochmal an alle, die sehenden Auges diese Lügner und Lobbyisten gewählt haben!), eine klare Ansage an die Konzerne und ... ich will einfach dabei sein. Flagge zeigen.

Ich winke dem Pott, der mir - zugegebenermaßen sehr faszinierend - seinen dicken Hintern hindreht, um sich die Süderelbe zum Terminal hinabzuschieben, und beginne meine Tour.

Ich habe vor, nach Brunsbüttel, dem Start der Ketten-re-Aktion zu fahren, dort, wo sie beginnen werden, sich an den Händen zu halten, um eine Menschenkette hinunter durch Itzehoe, Elmshorn, Hamburg bis nach Krümmel zu formen.

Das Wetter ist göttlich - aber wo sind die Menschen? Ich fahre durch menschenleere Elbauen. Wunderschön hier, es riecht nach Frühling, feuchte, klare Seeluft, ein Genuss.

Aber keine Reaktionäre.

Ich fahre durch Blankenese, begegne einem Dutzend Jogger, ein paar Touristen - die meisten werden sich wohl noch am Büffet laben, und wundere mich: Keine einzige gelbe Flagge mit der roten Sonne. Keine Gitarrenmädchen, keine Dreadlocks-Jungs, keine Demonstranten. Nichts. Niemand.

Ist der Protest abgesoffen?

Dafür erfreue ich mich an der Natur. Endlich mal wieder eine Tour, bei der ich so richtig die Seele baumeln lassen kann. Ich hänge mein Grinsen in die Sonne, lasse mich braten, schraube meine Geschwindigkeit nicht allzu hoch - geht ja auch kaum, bei dem Auf und Ab auf Schottersand.

Kaum habe ich das berühmte Wilkommhöft erreicht - Wedel, keine 35 km stehen auf dem Bike-Computer - als es auch schon passiert ist. Der Schwalbe Supreme, mal wieder vorn, gibt auf.

Ich merke es bergab, habe gemütliche 35 km/h drauf, fahre gerade über eine seichte Kreuzung - alles kein Problem - als die Lenkung schwer, dann schwammig und letztlich unlenkbar wird. Platten! Verdammt!

Ich komme mit der allerletzten Luft im Schlauch bis genau vor das Wilkommhöft, gerade wird die panamalesische Fagge gehisst, es ertönt die Nationalhymne des kleinen Staates und dann "Muss I denn, muss I denn zu-um Städele hinaus?"

Ja, würde ich gern - aber nicht so!

Das Loch ist schnell gefunden. Millimeterlange, feine Schiefersplitter stecken im Mantel, der fast 5 mm lang aufgeschlitzt ist. Was keine 1.300 km kanadische Rocky Mountains und auch keine 1.300 km Japan geschafft haben, macht der Elberadwegschotter in wenigen Kilometern. Dumm.
Naja, zum Glück habe ich ...

... habe ich nicht! Verdammt! Gerade heute, warum auch immer, habe ich keinen Wechselschlauch dabei. Also Flicken. Flickzeug, ja, da ist die kleine grüne Schachtel. Die gute alte Vulkanisation, sie wird mir ...

... wird sie nicht! Scheiße! Habe die Reifenhebel, warum auch immer, nicht eingepackt! Was ist nur mit mir los?!? Ich gehe auf eine 200 km-Tour und habe nicht einmal das rudimentärste Werkzeug mit? Und wie will ich das Vorderrad lösen? Schnellspanner gibts seit dem Einbau des SON nicht mehr.

Oh man.

Oh nein!

Ich warte geschlagene 60 Minuten, spreche etwa 15 Radler an, bis ich endlich ein älteres Pärchen finde, die Flickzeug und Reifenhebel dabei haben. Auch die beiden warten schon eine Ewigkeit, erzählen sie mir, mit ihrem Flickzeug. Und zwar auf jemanden, der sich damit auskennt.

"Na sehen Sie," sage ich, "da haben Sie jetzt jemanden, der Ihnen den Reifen flickt und ich jemanden, der mir hilft, meinen zu flicken."
Das Universum hat wieder gewunken.

Ich mache beide Räder startklar, tue meine gute Tat, und fühle mich wieder etwas besser, als sie sich überschwänglich bedankt.

Aber irgendetwas in mir hat die Lust verloren, jetzt noch nach Brunsbüttel zu fahren. Gerade mal 35 von 100 km geschafft - und dann würde auf mich noch der Rückweg warten. Und alles mit mittlerweile zwei geflickten Schläuchen an der Speedmachine. Und ohne Werkzeug. Weiter am Elberadweg - und ab Wedel bis Glückstadt nun gänzlich ohne Zivilisation - das wird mir zu riskant.

Und wieder winkt das Universum. Es sagt mir, dass nicht ich zur Kette muss. Sondern dass die Kette zu mir kommen würde.
Ich wende die Speedmachine. Und fahre, vorsichtig, immer mit einem Blick aufs Vorderrad, langsam meinem Hinweg wieder zurück.

Ich beschließe, mich in die Kette zu stellen.

Kaum bin ich wieder in Hamburg, hupt neben mir der nächste dicke Brummer, Bringer von billigen Flatscreens, Turnschuhen und Pokemons. Wieder ein fetter Brocken. Wow, denke ich - und erinnere mich daran, als noch vor wenigen Monaten im Hafen wochenlang kein einziges dieser Riesenschiffe festmachte.

Ich besuche Bernd im Liegeradstudio, bezahle noch eine offene Rechnung.
Und auch das kommt mir wie ein Wink des Universums vor - tilge erst deine Schulden, mein Lieber, dann sei auch dir Freiheit gegönnt. Bernds Freude ob der Abbuchung scheint das zu bestätigen.

Und dann suche ich die Kette.

In Altona treffe ich dann die ersten kleinen Grüppchen. Polizei und Rundumleuchten sperren zunächst kleine Nebenstraßen. Na, wollt ihr etwa den Protest von den Prachtboulevards der Bourgeoisie fernhalten?

Nein, wollen sie nicht.
Können sie auch nicht.

Die ersten Kettenabschnitte von mehr als einhundert Metern Länge fahre ich ab. Man grinst und freut sich, einige junge Mädchen rufen mir: "Absteigen und Einreihen!" hinterher, ich winke ihnen und fahre trotzdem weiter.

Weiter unten am Hafen wird die Kette dann vollständiger. Reaggae-Musik, Bierkästen und ganze Grillstationen haben sich die jungen Leute mitgebracht. Ich sehe viele, viele Jugendliche, aber auch Familien, Ältere und ganz Alte. Wow, denke ich mir - hier ist ganz Hamburg auf den Beinen!

Und richtig so: Immerhin müssen alle ein Zeichen setzen gegen die Profitgier der Energiekonzerne und den politischen Supergau, den die schwarz-gelbe Regierung da im Auftrag der Konzerne veranstaltet.

Es herrscht Anarchie auf der Straße. Keine Autos, nichts und niemand. Leute sitzen auf den Mittelstreifen. Fahrtspuren werden wie in England benutzt, ich spiele mit einem Polizeimotorrad James Dean-Szenen aus seinen Rabaukenfilmen.

Endlich gibts dann auch meine Gitarrenmädchen, die Dreadlock-Jungs und all diese verrückten Abiturienten, die noch nicht durch Vorgaben des Arbeitsmarktes gestreamlined sind, vernünftige Frisuren haben und ihr Bier noch aus der Flasche trinken.

Es ist warm, es ist angenehm. Und die Stimmung hat etwas Vibrierendes, so zwischen Volksfest, Festival, Demo und Barrack-Obama-ist-gewählt-wir-sind-Pabst-und-Weltmeister. Hamburg, so gefällst Du mir!

Ich fahre über den Rödingsmarkt in Richtung Innenstadt - was am Rathaus los ist, will ich mir ansehen. An einem Tag wie diesem ist an sich schon mit Touristenoverkill zu rechnen - aber heute ist der Ausnahmezustand perfekt: Die Mönckebergstraße ist eine einzige Laufmeile. Die Kette hat hier keine Löcher mehr, sie haben hier sogar gelbe Atomfässer mitgebracht, Jugendgruppen musizieren, ein Straßentheater gibt den GAU.

Ich stelle mir vor, wie es sein muss, in einer Welt ohne Autos zu leben, und diese tolle Atmosphäre jeden Tag zu erleben - breite Straßen, auf denen Fußgänger und Radfahrer die Vorfahrt haben, super Flüsterasphalt, auf dem keine Porsche Cayenne sondern Schwalbes (meinetwegen auch die geflickten) rollen.

Utopia?

Kopenhagen!

Zum Bahnhof hin wird es dann wieder lichter. Aber auch hier stehen sie. Auch hier grinsen sie mich an, winken sie und machen Fotos. Ich stelle mir vor, wie beeindruckend diese protestierende Menschenschlange von oben aussehen muss, von da oben, wo unablässig ein Polizeihubschrauber kreist. Oder ist das Google?

Ich hoffe, dass sie auch in Elmshorn stehen. Dass sie in Brunsbüttel stehen. In Geesthacht. Und ich wünsche mir, dass die Vattenfalls und E-ONs dieser Welt das hier sehen könnten, diese Gesichter, dieses Lächeln, diese kleinen Kinder, die hier mit den gelben Anti-Atomkraft-Luftballons spielen. Und ich wünsche mir - und uns allen - dass sie sich überlegen, ob es das alles wert ist. Ob die Milliarden Euro es wert sind, das alles aufs Spiel zu setzen.

Und ich fürchte, ich kenne die Antwort.

Zuhause in Niendorf gönne ich mir noch ein Ki-Ba-Mel-Eis und schlecke mir den kühlen Frost in meinen schwitzenden Schädel. Da stehe ich, ein kleiner Junge begutachtet meine Speedmachine, ich blinzele in die Sonne und verstehe, was mir das Universum heute versucht hat zu erklären.

Morgen werde ich viel entspannter sein. Morgen werde ich vorbereitet sein. Morgen habe ich alles erledigt - und deshalb werde ich meine Tour morgen auch ohne Probleme fahren können.

Ohne Platten.
Ohne Schulden.
Und ohne Gewissensbisse - denn heute hat das Universum mich an die Stelle geführt, an der ich gebraucht worden bin. An einer Stelle, wo ich durch meine Anwesenheit eine Stimme abgegeben habe.

Und morgen dann wieder - Sport frei!


Gefahren: 73,5 km - mit Muskelkraft statt Atomkraft.


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17 April 2010

Kopfschuss.

BOOOOOM! - macht es plötzlich. Ein Höllenschmerz durchzuckt mich. Panisch schreie ich auf.

Bin gerade 40 km/h schnell. Garstige Autofahrer zucken an mir vorbei - Rückenwind, war gerade beim Aufdrehen, Full Speed Ahead, das Liegerad liegt super, ich in ihm, gerade neues Ritzel montiert, ein nagelneuer Kettenspanner surrt unter mir und ich nutze eine kleine Passage Rückenwind vor Pinneberg, um wenigstens einmal die Speedmachine richtig auszufahren.

Und dann das-
SCHEISSE! - brülle ich.
Krampf?
Nein - besser.

Wespenstich. Mitten in den Kopf.

Sie hatte sich im Catlike Whisper verfangen. Kam direkt in eines der Lüftungslöcher geflogen, ich spüre ihren Aufprall, denke mir aber nichts. Ist schon oft passiert. Meist krabbeln die Viecher dann wieder raus.

Aber nicht heute. Maja sticht mir mitten durch die Gaze in den Kopf.

Und wie es mich durchzuckt! Ich verliere für eine Millisekunde die Orientierung, so sehr schmerzt es. Gerate auf den Schutt neben dem Asphalt - gefährlich, so einen Stunt bei 40 km/h mitten im fließenden Verkehr zu wagen.

Und kann erst nach 500 Metern anhalten. Verdammt tut das weh! Als ich den Helm abnehme, steckt sie immer noch in der Gaze. Ich flippe sie heraus - nein, zertreten tue ich sie nicht. Sie wird eh verenden. Oder wie war das?

Na. Jedenfalls prüfe ich das kleine Horn, das mir da auf dem Kopf wächst. Was? Man sieht gar nichts? Nee, ich auch nicht. Aber es juckt jetzt - knapp 2 Stunden nach dem Kopfschuss - immer noch.

Naja. Wenigstens ne schicke kleine Runde gedreht und kurz vor der Haustür noch einen Carbon-Radler abgefangen. Aber den Cobain, den will ich wenns geht nicht noch einmal geben.


Gefahren: 56,45 km in 2 Stunden mit 26,6 km/h Schnitt bei saumäßigem Gegenwind.


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16 April 2010

Wieviel wiegt (m)ein Liegerad?

Nun wurde ich schon mehrere male gefragt, wieviel dieses Liegerad denn eigentlich so wiegt. Gerade, weil es ja nun auch zum Verkauf steht.

Die Kilogrammthematik flackert immer gern mal auf und ich kann mich noch gut an die 2009er-Diskussion bei uns erinnern, als wir alle unsere Zelte, Isomatten und Wechselschlüpper für die Sommersaison gewichtsoptimiert haben.

Da wurde gespart. Gemacht und getan. Titanbesteck bei dem Einen. Halbe Isomatten bei dem Anderen. Und ich habe mich dem ja auch nicht entziehen können - allerdings bin ich von Natur aus eher der schlanke Hirsch, weshalb es dann bei mir ruhig auch die ganze Isomatte sein durfte.

Da nun vor allem die Interessenten an meinem Liegerad aus der Rennradszene zu kommen scheinen, wo "Gramm oder Nichtgramm" genau DIE Frage ist, dachte ich mir, ich schreibe mal was dazu.

Also stelle ich mich auf die Waage und subtrahiere mich selbst vom Systemgewicht Speedmachine-Speedmaschinist.
Und da bleibt dann eine schöne runde 17,5 übig.

17 einhalb Kilo also. Zu viel?

Zugegeben - in Rennrad-Dimensionen wäre das katastrophal. Ich fürchte, nicht einmal die Teilnehmer der ersten Tour de France 1903 sind mit solch schweren Böcken an den Start gegangen. Aber hey - wir reden über ein Liegerad und nicht über Hightech-Carbonmonster.

Die Speedmachine ist werksseitig mit 14 Kilogramm angegeben. Das bezieht sich natürlich auf die Grundausstattung - und schon allein der "rote Reaktor", mein Rohloff Speedhub, erhöht dieses Gewicht um fast ein ganzes Kilogramm.

Letztlich, so ist meine Erfahrung mit diesem schönen Liegerad, ist auf einer Tour das Systemgewicht zwar schon interessant, aber 5 Kilogramm mehr oder weniger zu haben - das sind Unterschiede, die der Hobbyfahrer mit seinem 22er-Durchschnitt sowieso nicht bemerkt. Da kann man mit intelligent gepackten Seitentaschen schon mehr rausholen. Zur Not auch mit dem Titanbesteck.

Es sei denn, man fährt mehr als 8 %ige Steigungen hinauf - Allerdings, ab diesen Gradienten tut es dann eh weh, egal, wieviel das Bike am Ende wiegt.

Also kann ich zum Abschluss sagen: Jungs, wenn Ihr richtig speedy heizen wollt, dann ist die Speedmachine eh nix für Euch. Aber wenn Ihr große Touren mit hohen Durchschnitten (25+) und viel Komfort bei viel Gepäck machen wollt - there´s no other Bent like a Speedmachine.

P.S. - Ich könnte ruhig ein bisschen zunehmen.


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13 April 2010

The Baron of Copenhagen

Am Wochenende war es mal wieder soweit. Leider ohne Liegerad, dafür aber mit meiner lieben Mauz. Ein Wochenende in Kopenhagen. Eine Stadt, die sich immer wieder lohnt.

Heimat von Kildemoes, vom kostenlosen Cykel und den leckeren Pölser-Hotdogs. Ich kenne Kopenhagen schon, kam unter anderem bei meinem Schweden-Trip hier durch. Aber es lohnt sich immer wieder - vor allem im Hafen kennt der Baudrang der Dänen scheinbar keine Grenzen.

Ich liebe die Atmosphäre hier - vor allem am Nyhavn - die irgendwo zwischen Amsterdam, Hamburg und der Hauptstadt eines Roboterplaneten liegt. Dänen, so meine ich, haben so eine liebenswürdig ulkige Art. Ich mag das. Schräg, irgendwie wie funkferngesteuert. Aber sehr liebenswert.

Zudem - und hier wirds zweirädrig - wollte ich mir gern einmal das berühmte kostenlose Fahrradverleihsystem anschauen, nachdem ich ja schon so begeistert von Hamburgs handygesteuertem bin.

Und so entdecke ich mit der Mauz in einem kleinen, keine 10 Kilometer langen Trip auf einem der 20-Kronen-Pfandräder (kein Licht, keine Bremse, kein nichts) vor allem Holmen und Christiania. Fühle mich dabei auf jedem einzelnen Rad-Meter in der Stadt sicher - breite Radwege und eine allgemeine Akzeptanz des Radfahrers seitens der Autobesitzer (und nicht zuletzt die Massen an Radfahrern) schaffen eine Pro-Rad-Atmosphäre. Man kann entspannt selbst auf den großen Hauptverkehrsstraßen fahren.

Dass es ab und zu über grobes, historisches Kopfsteinpflaster geht, stört bei den ungefederten, rudimentären Rädern nur kaum - eher noch der fiese Gegenwind, der scharf und stark weht. Eine Liegerad-Tour an diesem sonst grandiosen Wochenende wäre wieder in einen ausgewachsenen Luftkampf ausgeartet, fürchte ich.

Aber zurück aufs Pfandrad: Leider, so wird mir erzählt, wird das System wohl demnächst eingestampft. Aber sicher lassen sich die Kopenhagener da was einfallen - schließlich wollen sie ja Welthauptstadt des Rades bleiben.

Und am Samstagnachmittag treffe ich ihn dann.

Wir verabreden uns in einem Kaffee. Seine tolle Frau Ilse ist mit dabei und so sind wir ein schönes Vierergespann. Wir sitzen und schnacken. Zu meinem (nicht sehr tief empfundenen) Bedauern den Frauen gegenüber ... meist über Liegeräder.

Denn Anders ist der Baron von Kopenhagen.

Über Twitter kennen gelernt war ich interessiert daran, aus erster Hand etwas über den Optima Baron zu hören. Er erzählt von seinen BikeToWorks - täglich fast 2 Stunden pro Tour, knapp 40 Kilometer vom Norden Kopenhagens in die Stadt.
Wow, 80 km täglich. Das ist nicht übel, denke ich mir.

Anders ist Anwalt - und so sendet er mir Pix von dem Baron und sich in Arbeitskleidung. Stylish, wie der Rest der Dänen, denke ich mir. Nicht umsonst ist dänisches Design so beliebt bei uns - und im Zweireiher Lowracer fahren. Das hat nun wirklich Stil ...

... und vielleicht eine Idee, wie wir hier in Deutschland das Birkenstock-Image der Liegeräder loswerden können. Vielleicht organisiere ich mal eine Gentlemen-Ausfahrt: Teilnahme in Smoking oder Frack wäre dann Pflicht.

Anyway. Wir verabschieden uns von Anders, genießen noch einen wunderbaren Abend in einer Brauerei, entdecken am Sonntag Vormittag das schwedische Malmö via Öresund-Brücke und sind spät Abends mit dem ICE wieder in Hamburg.

Ein toller Trip.
Ein tolles Wochenende.

Und eine schöne Audienz beim Baron von Kopenhagen - demnächst hoffentlich mal auf einer gemeinsamen Liegerad-Ausfahrt.

Keep it bent!



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12 April 2010

Eine Woche Speedmachine

"Das mache ich gerade zum ersten ... und zum letzten Mal!!!", schnaufe ich es wütend heraus, als ich mein neues Liegerad nach der ersten Fahrt (vom Liegeradstudio in meine Wohnung) endlich abstellen kann. Zweites Geschoss nach 15 Kilometern. Ohne Klickpedale.

Nein, das ist alles andere als Pinky-Barbie-Scheiß - das ist harte Arbeit!

Bin hinter Lars hergefahren. Getreten. Getreten. Immer wieder getreten. Und gelitten: 15 Kilometer ohne Klickschuhe. 15 Kilometer Hölle.
Durch eine dunkle, durch eine volle Stadt.

Rush-Hour, alle wollen nach Hause. Adrenaline-Rush in meinen Arterien. Ich fliege durch die Dunkelheit. Wind im Haar, wow!
"21 km/h", ruft Lars.
Ah. Naja ...

Ich wusste, dass meine Beine untrainiert sind. Dass sie aber SO untrainiert sind? Jetzt sitze ich im Flur und sehe Sterne. Pudding im Schenkel. Nein, eigentlich nicht mal mehr das. Aber von vorn.

Montag war es soweit. Endlich bekomme ich meine Speedmachine. Pink sollte sie werden, logisch - ich bin ein Mädchen. Im Liegeradstudio ist es Liebe auf den ersten Blick. Ein Liegerad in Pink, gefahren von einer Frau – die Aufmerksamkeit der Auto- und Radfahrer dürfte mir schon ohne jegliche Kurbeldrehung sicher sein. Also Helm auf und rein ins Abenteuer.

Ein bisschen zickig sind sie, meine Shimano-SPD-Schuhe. Leider die etwas klobigere MTB-Version, denn die Japaner haben leider keine Touringschuhe in Mädchengrößen. Also gehts in den Lauf-Asics los.

Die ersten Kilometer rollen dann auch ganz entspannt. Lars ist natürlich Lichtjahre schneller, aber wenigstens komme ich mit allen Schalt- und Kurvenmanövern so einigermaßen zurecht. Ich freue mich, kann auch mal rollen lassen, mich umschauen: Da grüßt mich Hamburg mit einer unbezahlbar herrlichen Sicht auf die abendliche Binnenalster, lichterloh. Dann eine klare Salzluft von der Elbe. Beste Laune. Ich bin voller Endorphin.

Pink macht süchtig.

Als ich in viel zu hohen Gängen anfahre und auf den Fahrspuren der Straßen herumeiere, erträgt es die Gattung "gestresster Autofahrer nach Feierabend" mit Geduld. Sie scheinen zu ahnen: Die macht das hier noch nicht so lange. Lars ist natürlich immer 200 Meter weiter weg, bremst, fährt langsam. Und ich kämpfe ab und zu mit der Schaltung. Links für die Blätter vorne, rechts für hinten? Oder doch anders herum? Drehe ich mit Fahrtrichtung für ... Hochschalten oder ... doch runter?

Meine Beine sind quackig wie zwei Zitteraale - sie oben auf den Pedalen zu halten ist Schwerstarbeit.

Nach einigen Kilometern; eine Verkehrsinsel; eine Ampel springt auf Rot. So überraschend wie Weihnachten am 24. Dezember. Eigentlich müsste ich nur Bremsen und den Fuß herunter nehmen. Aber diesen Reflex gibt es bei mir noch nicht. Gehirn bleibt aus. Grauzone. Nichts passiert.

Zeitlupe: Ich kippe einfach zur Seite. Ellenbogen aufgekratzt und Finger geprellt (das merke ich aber erst am nächsten Tag). Liegeräder haben also nicht Vorfahrt. Hätte ich mir denken können.

Drüben lächelt Lars: „Da musst Du durch, das passiert jedem mal“, ruft er.
"Jaja“, denke ich und versuche mich vom Rad zu befreien und aufzustehen. Peinlich. In der Mitte zwischen den Fahrspuren. Alle Welt sieht mich. Crash in Pink. Aber zum Heulen bleibt keine Zeit.

Die Tret-Lok Lars zieht wieder an und ich kann nicht anders als weiter kurbeln. Auch wenn meine Beine nach einem weiteren Kilometer fast schon taub sind.

Pinki macht mir klar, dass man sich eben nicht einfach nur reinlegen kann und gut. Denken muss man schon auch. Recht hat sie. Denken! Pinki und Brain eben. Nicht Pinki und ... Dödel. Irgendwann, es ist 21:30 Uhr, sitze ich in meinem Flur. Ein Haufen Pudding.

Ich fummle den Bike-Computer ans Rad. Anbauen ist kein Problem. Nur das Teil richtig herum an den Lenker zu bekommen, das schaffe ich irgendwie nicht mehr. Wer lesen kann, ist eben klar im Vorteil. Mein Brain ist aber aus. Overdose.

Ich übe noch eine Runde Ein- und Ausklicken, mache den viel zu großen, viel zu hässlichen Aufkleber vom Hauptholm ab und bin geschafft für heute. Erster Tag mit Liegerad. Erster Tag mit der Speedmachine.

Dann ab in die Falle. Speedträume träumen.

6 Stunden später geht es wieder los. Ich bin bereit zur ersten Fahrt in die Agentur. Alleine. Mit den Klickschuhen. Die Stadt erwacht, ich fahre früh los - wer weiß, wann ich ankomme ...

Unter mir die Radical-Taschen voller Wechselklamotten. In Radsachen kann ich in der Agentur nicht auftauchen; einmal komplett umziehen ist also angesagt – so viel Mädchen muss sein.

Die Luft ist herrlich und die Fahrt stressfreier als gedacht. Das Klicken klappt ziemlich gut und nach einer guten halben Stunde steht Pinki – so taufe ich mein Liegerad – im Agenturkeller. Mission erfüllt, Radklamotten aus und umgezogen – Lars schielt um die Ecke, er kommt gerade von seinem BikeToWork an. Ich bin beim Umziehen.

"Ooops, Sorry," ruft er. Und wird fast genauso Pink im Gesicht, wie die Speedmachine neben mir.

Gründonnerstag wage ich mich das erste Mal in den Stadtpark. Der aufgeweichte Boden und die vielen Pfützen und Schlaglöcher würden ein perfektes Handling-Training sein. Tadaaaa, ich werde sicherer, rede ich mir ein: Langsam fahre ich mit dem Rad und nicht das Rad mit mir.


Als 1.70 m große Dame verschwindet man schon eher in der Maschine. Wird von ihr eingesogen. Zumal meine 55 Kilo nicht wirklich Druck in den Sitz bringen.

Während der Slalomfahrt durch den Matsch wird mir klar: Der Ausleger muss weiter rein, Finetuning ist angesagt. Bei jedem Tritt rutsche ich im Sitz runter; egal wie steil oder flach ich ihn stelle. Da muss ich also noch mal ran.

Karfreitag: Die Sonne scheint, es sind 8 Grad, kalt, fröstelig, aber alles in mir schreit nach einer Ausfahrt. Einmal quer durch die Stadt zu einem Freund.

Schon beim Losfahren merke ich: Das wird heute nichts. Ständig genervte Jogger und entspannte Familien, glotzende Touristen und ignorante Radfahrer. Hamburg halt. Aha, DAS meint Ihr also immer ...

Permanent muss ich anhalten, schlängeln, klingeln. Nach einigen Minuten bin ich entnervt. So sicher bin ich dann doch noch nicht, als dass ich durch unberechenbare Menschenmassen düsen könnte. Und auf der Straße zu fahren, das will ich mir auch noch nicht antun.

Irgendwo an der Rothenbaumchausse legt es mich dann wieder hin. Ein Kind springt mir vor das Rad. Ich kann zwar noch bremsen, aber – Klassiker – vergesse das Ausklicken. Wie ein Käfer also einmal mehr auf der Seite

„Mama, warum ist die Frau hingefallen?“ Schnauze, Blag!

Immerhin hilft mir ein Tipp von Lars: Nach einem Crash erst allein aufstehen, dann das Rad aufheben. Beides zugleich geht nicht.

Irgendwann komme ich endlich an. 11 Kilometer stehen auf dem Bike-Computer. Ah, superb! Der Hinterreifen ist platt. Irgendwo auf den letzten Metern habe ich mir anscheinend etwas eingefahren.


Oh man, stöhne ich, lasse die Taschen bei Freunden und schiebe Pinki mit angehobenem Hinterrad zur Bahn. Aber das wird schon – wer sein Rad liebt, der trägt es eben: So habe ich wenigstens noch schönes kleines Workout für meine Arme gehabt.

Ach ja, und zur Feier des Tages war dann auch noch meine Nahverkehrs-Abokarte abgelaufen, wie der Kontrolleur feststellt. Herzlichen Glückwunsch, Frau Pinki. Neben der kompletten Aufmerksamkeit der Fahrgäste ("Können Sie bitte etwas mehr Platz machen mit ihrem ... komischen Ding da!") stehe ich am Bahnsteig in einem Pulk Ticketchecker, die alle mein Rad bestaunen, während ihr Anführer den Strafzettel schreibt.

Dumme-Sprüche-Favorit: "Ey, Du Lila-Schwuchtel!"
Mmh, das ist P-I-N-K, Herr Maulwurf.

Gefahren: Knapp 20 km mit einem 14er Schnitt.


P.S. - Sarah, diese Grafik kannst Du Dir einfach mehrmals ausdrucken und immer griffbereit haben. Das kannst Du dann den etwas begrenzten Autofahrern geben. Am besten, die kleben das an die Rückseite (also die nicht-silbrige) der Fetenhits-CD, die am Rückspiegel hängt (gegen Blitzer). Das Ganze gibts dann demnächst noch für Grün & Rot (hilft dann den Jungs, um mit der Reizüberflutung moderner Ampelanlagen klarzukommen, bei Wahlen und ... ach, nee, die sollen lieber nicht wählen gehen) und in Level 2 dann auch zusätzlich noch mit Gelb (die Farbe braucht man an einer Ampel zwar nicht wirklich, hilft aber guten von bösem Schnee zu unterscheiden).
:o)




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