30 Juli 2008

Back from track: Adéus Portugal

Da ist er wieder - zwei Wochen Portugal habe ich hinter mir. Und was das für eine Reise war! Voller Abenteuer, voller Spannung, voller so viel Neuem, Fantastischem.

12 Tage Süden im Juli, das war Hitze, Leid und Schweiß pur, das waren kochende Landschaften, Durststrecken und endlose Aufstiege auf Bergrücken, die Panoramablicke boten, die man kaum beschreiben kann.

Kann man nicht? Man kann - einfach diesem Link folgen:
Recumbently Portugal das Tourenblog für diesen Trip.

Viel Spaß.

Gefahren: 761 km in 7 Etappen und insgesamt 37 Stunden



NEU, die Speedmachine on Tour: Portugal per Liegerad

06 Juli 2008

HH - Rudower See, Tag 1: Eine Grüne Hölle bitte.

Das Wetter versprach schön zu werden. Zumindest signalisierten die Wolken ihren Willen zum Aufbruch, dahinter glühte schön kräftig die Sonne vor, sie wollte es uns an diesem Tag ja auch besonders heiß machen, hatte sie doch richtig was nachzuholen, nach den verkorksten drei letzten Wochenenden in Folge.

Ich stand auf, genoss einen Kaffee und quälte mir eine Schüssel Müsli rein. Ich mag kein Frühstück essen. Mochte ich noch nie. Aber wer bei Kaiserwetter königlich chauffieren will, der muss eben auch frühstücken wie einer. Dazu gab es Fürst Bismarck-Wasser-Granini-Mix.

Punkt halb Neun rollte ich vom Platze. Vor mir lag eine ca. 160 km lange Etappe. Eine letzte Distanzfahrt vor meiner großen Fahrt von Lissabon nach Porto, die nächste Woche ansteht. 160 km heute also. Ich wollte zum Rudower See, ein Idyll - so versprach die Website - mitten in der Prignitz im schönen Land Brandenburg. Eine Fahrt gen Heimat, sozusagen.

Doch zunächst kämpfte ich mich mit der frisch aus der Werkstatt vom 4.000-km-Check überholten Speedmachine durch eine menschenleere Hansestadt, die auch ohne Autos ihre Tücken hat. Aber sich jetzt hier zum x-ten mal über mannstiefe Schlaglöcher, haushohe Kanten "abgesenkter" Radwege und intelligenter Radweg-Verkehrsführung aufzuregen, bringts ja auch nicht.

In Bergedorf, das war mir neu, kann man abbiegen und direkt an einem Arm der Elbe (Norderelbe?) entlangfahren. Das hatte etwas von englischem Park, Central Park und riesen Hundewiese, ist aber sehr entspannend und dürfte für die Bergedorfer eine Oase der Ruhe bedeuten.
Würde nicht hinter einer 10 m hohen Böschung in einigen Metern Höhe die Stadtautobahn entlang brausen. Aber man kann nicht alles haben ... schön ist es dort allemal.

Ich fuhr ein kleines Rennen mit einem Rennradfahrer, das ich trotz beachtlicher Zuladung gewann. Vorbei am Zentrallager des Dänischen Bettenlagers und einigen anderen Industriebauten schoss ich bergabwärts. Etwa 1,5 km zieht sich ab Bergedorf eine wunderschön gebogene, ebene Kurve gen Geesthacht. Ein Traum - und bestimmt eins meiner nächsten Ziele, wenn es um einen neuen Geschwindigkeitsrekord gehen sollte.

In Geesthacht kaufte ich mir bei einem netten Mädel vier Bananen und bemerkte dabei, dass am Hinterrad eine Ventilschraube und die Ventilabdeckung fehlten. Ich habe keine Ahnung, wozu die Teile gut sind, aber ich dachte mir, dass sich ein Unternehmen wie Schwalbe schon etwas dabei gedacht hat, diese Dinger anzubauen.
Also kurvte ich erst einmal ein bisschen in Geesthacht herum, auf der Suche nach einem Fahrradladen (der dann auch hoffentlich offen haben würde). Ein paar ältere Damen, die eine angetaner als die andere von meinem Rad (oder sind es meine Schenkel gewesen, die ihnen muskulös und keck entgegen reckten?), gaben mir dann den richtigen HInweis und schnell fand ich das Geschäft.
Das dann auch noch offen hatte. Sonnenkind, ich. Ein hilfsbereiter Inhaber verkaufte mir sogleich die Teile und bei der Gelegenheit fragte ich gleich mal nach dem Weg. Es folgte eine seitenlange Erklärung, wo und wo nicht ich langfahren solle, ich vergaß natürlich schon nach dem zweiten Satz, wo ich im ersten Satz nochmal hinfahren sollte, aber eines, das blieb hängen:

"Und dann, dann biegen Sie ab und kommen an Krümmel vorbei. Wissen Sie? Krümmel. Das Kernkraftwerk. (Pause) Also, ich denke, das muss man mal gesehen haben ...!"

Muss man nicht, dachte ich mir, gab ihm einen Euro und steuerte wieder auf die B5 Richtung Lauenburg zu.

Die Stadt selbst ist kaum der Rede wert, aber die Abfahrt, die sich ihr anschloss: Wieder ging es über fast 2 Kilometer bergab. Der frische Wind des jungen Morgens ließ einen dünnen Wasserfilm in meinem Gesicht kondensieren, es knallte in den Ohren und das Schaltwerk surrte sein ihm eigenes Frohlocken in die feuchte grüne Böschung neben mir.


Dann fuhr ich ein in die Grüne Hölle. Laubwald, ein paar Lärchen, und immer wieder dichte, grüne Berge aus Blättern. Es türmte sich über mir auf, flirrte in den Augenwinkeln und herrschte über den Himmel, der immer nur kurz durch das Blätterdach zu sehen war. Licht und Schatten spielten ihr Spiel, das umso bewegender wurde, je schneller ich fuhr.
Morgens, wenn der Tag noch frisch ist, der letzte Reif der Nacht herunter tropft und die Bäume noch nicht unter der ätzenden Last stickiger Autoabgase ächzen, ist die beste Zeit, einen Wald zu riechen. Seine Kraft zu spüren und seinen Duft auf der Zunge zu schmecken.

So ging es rasant und doch ein wenig verträumt nach Boizenburg, der ehemaligen Grenzstadt der DDR. Ich erreichte sie und hielt kurz inne - befand ich mich doch auf einem Berg hoch über dem Land. Der Elbberg. Was für eine Aussicht auf die mächtige Elbe, die hier hinter einem Wehr eine riesige Kurve machte und abbog und ganz weit hinten in den Horizont floss. Ein toller Ausblick, wohl einige Dutzend Kilometer weit.
Doch wenig Zeit für eine Andacht.
Ich fuhr weiter.

Und auch dieses mal wurde ich überrascht - mit einer weiteren Abfahrt nach Boizenburg hinein. Kurzer diesmal, aber wesentlich steiler. Hier fand sich dann auch die Stelle der höchsten und der niedrigsten Geschwindigkeit dieser Tour: Bergabwärts 57 km/h und auf der Rücktour 5 km/h.

Es schloss sich eine recht trostlose, meist für Agrar genutzte Landschaft an, die sich erst änderte, als ich Meck-Pomm und Niedersachsen (deren Landesgrenzen ich gleich mehrere Male überquerte) verließ und in Brandenburg einrollte. Die Prignitz hatte mich.

Und das kam er wieder ... der Wald. Doch diesmal, es war schon weit nach Mittag und die Sonne brannte unbarmherzig danieder, kein feuchter, hanseatischer Laubwald. Dieses mal waren es mächtige brandenburgische Kiefern.

Der Wald meiner Kindheit. Sofort holten mich heftige Erinnerungsschübe ein, mit jedem Atemzug, den ich tätigte, mit jedem Mal, da harzgesättigter Sauerstoff meine Lungen füllte und mein Gehirn anregte, längst verschütt geglaubte Erinnerungsfetzen freizugeben. Ich rollte seelig grinsend durch die Kiefern, erfreute mich an weißem Sand, der ab und zu zu sehen war und mich so an meinen märkischen Sand erinnerte.

Und immer wieder diese Kiefern mit ihren hohen, orangefarbigen Stämmen, der ruppigen Rinde unter der das Harz gerinnt und hoch oben, fast 30 m über mir, die Kronen aus frischen, grünen Nadeln, die Schatten spendeten und dem Harzgeruch eine nach Leben riechende Note beimischten. Ein Speedmachine-Flug in die Vergangenheit. Eine Reise in meine Kindheit. Ein Genuss der ganz besonderen Art.


Und irgendwann hatte ich Lenzen erreicht, der Ort, an dem gar nicht weit entfernt, mitten im Wald, ein Campingplatz sein sollte. Und mit ein paar Minuten letzter Anstrengung in sängender Mittagshitze erreichte ich schließlich die Pforte, wo eine flohlockende Berlinerin mir die selbe öffnete und mich herzlich willkommen hieß.

Der Platz fügte sich idyllisch in einen Abhang ein, der zum Rudower See hinab führte. Die Website hatte nicht zu viel versprochen. Der Ausblick war herrlich, die Luft machte Lust auf mehr und vermischte sich nun mit dem feuchten Geruch eines sauberen Waldsees. Das Kreischen planschender Kinder, grüßende Camper und viele Flaggen aus aller Herren (Bundes-)Länder versprühten sofort ein heimeliges Gefühl.

Im Schatten einer Kiefer zwischen alten, vom Regen blank geputzten Wurzeln, schlug ich mein Zelt auf, streifte die schweißnassen Radklamotten ab und duschte erst einmal ausgiebig in den nagelneuen und vorbildlich gepflegten Sanitäranlagen des Platzes.

Einen 2 km-Waldspaziergang zum nächsten Restaurant, ein schweres Maredo medium und zwei Pils später saß ich wieder am See, hatte mir eine Bank direkt am Ufer gesichert.

Ich zog überflüssige Klamotten aus, verfluchte meine Schusseligkeit ob der vergessenen Badeklamotten, streckte meine brennenden Waden von mir und sah langsam die Sonne untergehen.

Wenn der Erholungseffekt dieser kleinen Tour nicht eh schon im feuchten Laubwald bei Geesthacht eingesetzt hatte, dann tat er es jetzt.
Entspannen.
Atmen.
Fast meditativ - nur da sein.

Ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann.
Ein Gefühl, das nur nachvollziehen kann, wer sich nicht in einer Blechbüchse mit 200 km/h über schnurgerade Autobahnen jagt, sondern es sich mit seiner eigenen Körperkraft erfährt.

Dann war Nacht.
Die Grillen zirpten mir eine Gutenachtgeschichte.
Der Schlaf kam schnell und tief.

Gefahren: 158,62 km in 6 h 28 min bei 24,5 km/h Schnitt



Hinweis: Tag 2, die Rückfahrt, lesen Sie im folgenden Beitrag. Sie finden diesen auch rechts in der Navigationsleiste.

HH - Rudower See, Tag 2: Von einem Kribbeln zum anderen.

Es war zumindest nicht die Sonne, die mich wach kitzelte. Und von seichtem Luftzug konnte in dem stickigen Zelt, das sich langsam aufzuheizen begann, keine Rede sein. Die Nacht war, naja, gewöhnungsbedüftig. Denn es hatte den Anschein, als hätte die Kiefer, zwischen deren Wurzeln ich mein Zelt aufgeschlagen hatte, über Nacht noch ein paar besonders knöcherige ausgetrieben - und das natürlich genau unter meiner Isomatte.

Zudem entpuppten sich meine Zeltnachbarn - das war mir vor lauter romantischer Verzückung gestern abend gar nicht so bewusst geworden - als ein ziemlich lebensfrohes Ehepaar aus Leipzig, die ihrer Campinglust nach gewohnt und geliebt mundartlicher Manier Ausdruck verliehen.
Gegenüber, das heißt, neben dem Campingplatz, befand sich ein christliches Begegnungszentrum, in dem bis in die späte Nacht hinein mehr oder weniger begabte Sänger ihrer religiösen Verzückung mit Chorgesängen und Klassikern des Geospelgesangs fröhnten.
Ich weiß nicht, was ich schlimmer fand - aber als toleranter Mensch soll doch jeder nach seiner Fasson glücklich werden.
Gerade hier, am Idyll im Wald.

Und so stand ich ächzend auf - mittlerweile war es 6:30 Uhr und da kann man das ja schonmal machen, zumal ein Rest der beiden großen Pils von gestern Abend sich brennend bemerkbar machte und unbedingt in die gepflegte Keramikschüssel des Sanitärhauses wollte.

Ich trat nach draußen.
Schüchtern versteckte sich die Sonne noch hinter den Wipfeln der Kiefern. Dafür war es still. Fast jungfräulich dieser Tag. Bereit, von mir erobert zu werden. Zähneputzen war angesagt.

Als ich wiederkam bemerkte ich etwas Seltsames an meinem Zelt. Schon von weitem fielen mir unzählige, komische schwarze Punkte auf. Beim Näherkommen erkannte ich es: Ameisen.
Eine ganze Armada.
Tausende mochten es sich da auf meinem Iglu bequem gemacht haben. Und das Verblüffendste - sie bewegten sich nicht einmal. Schliefen wohl alle noch, träumten wohl von einem perfekten Riesenbau. Es sei ihnen gegönnt - mein Heim soll auch Euer sein. Was nur gerecht war, denn anscheinend hatte ich meine Zeltplane genau auf ihrem Bau aufgestellt.

Nachdem ich die Meisen mit einem Wisch von meiner Plane und aus ihren insktoiden Träumen befördert und alles zusammengepackt hatte, verließ ich Punkt 7 Uhr den Platz.
Ohne Kaffee.
Ohne etwas gegessen zu haben.
Wie war das doch gleich mit dem Kaiserfrühstück?
Ich nahm mir vor, bei der nächsten Tankstelle eben dieses nachzuholen.

Doch erstmal musste ich mich durch den Wald kämpfen. Kein Auto auf den perfekten Asphaltstraßen. Und so genoss ich das Gefühl, allein auf der Welt zu sein und fuhr Slalom zwischen den Fahrbahnmarkierungen, fuhr mitten in der Mitte einer B-Straße und stellte mir vor, gleich abzuheben mit der Speedmachine, wenn es einmal heftig bergab ging und ich an Fahrt gewann.

Es war ein besonderes Gefühl, so allein durch die Wälder fliegen zu können. Und ich hätte es wohl auch weit mehr genießen können, wenn da nicht langsam das verpasste Frühstück seinen Tribut forderte.

Ortschaft um Ortschaft wechselte sich ab. Mittlerweile knurrte es immer heftiger in meinem Bauch. Das Steak war längst schon verdaut und sein wertvolles Protein an die nach Eiweiß schreienden Muskelstränge meiner Schenkel und Waden verteilt.
Nachschub, rumorte es in meinem Bauch, Nachschub!

Doch keine Bäckerei hatte geöffnet. Zu früh. Zu viel Sonntag. Zu tiefes Brandenburg.

Eine Tankstelle musste her. Eine Aral, mit einem fetten Bistro. Das stellte ich mir nun vor: 3 Donuts, schön frisch und saftig, vor Fett fast triefend. Dazu einen großen, süßen Macchiato.
Aber es kam nichts.
Schon 20 km gefahren, und so hungrig, noch schläfrig.
Ich rettete mich von Kurve zu Kurve, langsam wurde es unangenehm. Denn mit leerem Bauch - das weiß ich jetzt nun auch - fährt es sich wirklich richtig scheiße. Wieder ein Dorf. Und wieder nichts. Wieder einen Wald passiert. Und wieder nichts. 40 km gefahren. Schon den zweiten Corny gegessen, was aber auch nichts half. Denn langsam ging auch die Wasserreserve zur Neige.

Da endlich - Neuhaus, die erste wirklich große Gemeinde. Und da fand ich sie, die Tankstelle meiner Träume! Wo es zwar keine Donuts (oder sonstiges Gebäck) aber wenigstens den Kaffee gab. Den ich genoss. Wärmend rann das süße Gebräu die Speiseröhre hinab, schmeichelte meinem Gaumen, erweckte auch den letzten Rest aus dem Schlaf.
Ich hatte 58 Kilometer hungrig strampeln müssen, um in diesen Genuss zu kommen.

Gestärkt und guter Dinge ging es an den Rest der Tour. Vorbei an der Löcknitz, die sich vor Morgennebel dampfend einige Kilometer neben mir entlang schlängelte. Wieder durch die schönen Kiefernwälder, deren Duft um diese frühe Tageszeit noch intensiver wirkte, vorbei an Deutschlands größter Binnendüne, an endlosen goldenen Getreidefeldern und eins ums andere mal über kleine und größere Nebenarme von Mutter Elbe.

Was sich gestern als Segen heraus stellte, das war heute Garant für große Augen und Zähnezusammenbeißen: Denn wer einen Berg hinabrollt, der muss ihn früher oder später auch wieder hinauf. Und da ich gestern mit so manch rasanter Abfahrt belohnt worden war - ein Kredit - musste ich diese heute wieder hinauf. Und zwar sie alle. Alle Abfahrten, das war mir klar, denn ich fuhr die selbe Strecke wie gestern. Zeit, den Kredit abzuzahlen. Radlerschicksal, aber weniger erschreckend, wenn man es philosphisch nimmt.

Und so schraubte ich mich zunächst die Mörderabfahrt in Boizenburg wieder hoch. Ohne Radweg im kleinsten Gang bei mickrigen 5 km/h, schwitzend, kein Fahrtwind der kühlt und ständig ein Auge im Rückspiegel ob sich nähernder Autos - keine schöne Sache. Aber eine, die dazugehört. Redete ich mir immer wieder ein.
Oben angekommen, den Elbberg retour, passierte ich wieder den ehemaligen Grenzübergang, der mithin als Imbiss "Checkpoint Harry" genutzt wird. Eine Grenzwurst wollte ich mir aber nicht gönnen und lenkte die Speedmachine auf niedersächsisches Gebiet, wo schon drohend der Anstieg nach Lauenberg am Horizont lauerte.

Aber auch das war überraschenderweise kein großes Problem. Ruhig und gelassen, meinem eigenen Rhythmus folgend, trat ich rund in die Pedale und schob mich mitsamt meiner Ausrüstung liegend die schiefe Ebene empor.

Da kam ich an einer riesigen roten Rose vorbei. Zunächst hielt ich sie für eine optische Täuschung. Dann überlegt ich kurz, ob ich im Time-Tunnel der Grünen Hölle vielleicht geschrumpft worden wäre. Alles Quatsch - aber ein Foto war es mir doch Wert.
Als ich aussteigen und es machen wollte, wurde mir erst richtig bewusst, welche Anstrengung die Fahrt mit all ihren Anstiegen bis hierher war - zumal ja noch 160 km vom Vortag in den Strängen brannten.

Ich ließ mich ächzend in den Sitz fallen und brachte mühsam die Speedmachie und mich in ihr auf Fahrt. Als groß und bunt im Rückspiegel ein Rennradfahrer auftauchte. Er setzte gerade zum Überholen an.

Muskeln im anaeroben Bereich?
Schmerzen?
Keine Puste?
Zwicken in den Knien?
Drau gesch****! Ich lasse mich nicht überholen. Zumindest nicht kampflos.

Also gab ich Gas. 25 km/h in den Steigungen (mit meinem Gepäck eine Knochenarbeit), knappe 40 km/h, wenn es einmal bergab ging. Und da hatte er keine Chance. Anfangs versuchte er noch, sich in meinem Windschatten anzusaugen - da ich aber mit der tiefen Speedmachine kaum einen solchen produziere, gelang ihm das nicht. Bergab und auf den Geraden fuhr ich ihm davon, aufholen konnte er bei den Steigungen. Aber immer nur so weit, bis der Kamm erreicht war, zu dem ich mich verbissen hoch prügelte. Dann half ihm auch das Aufstehen aus dem Sattel nichts - ein Liegerad kann man nicht einholen. Basta!

Unser kleiner Kampf zog sich bis Geesthacht hin, wo der Rennradler irgendwann entnervt abbog. Ich freute mich - denn dieser mit einem leichten High-Tech-Rad und ohne Gepäck ausgerüstete Mann, dessen dicke Waden fast meinen gesamten Rückspiegel ausgefüllt hatten, hatte mich nicht einholen können. Mein stiller Triumph währte allerdings nur kurz - schnell merkte ich, wie sehr diese sinnlose Wettfahrt meine letzten Kraftreserven verbraucht hatte. Schwer atmend erreichte ich (endlich!) ein Aral-Bistro, das mich mit einer riesigen Wurst und viel Trinken versorgte.

Die letzten 50 km vergingen wie im Fluge. Oder eher, wie in Trance.
In Hamburg selbst musste ich noch einmal Obacht geben, denn der Triathlon war in vollem Gange. Aber schließlich erreichte ich mein Niendorf, konnte entladen, duschen und mir einen schönen heißen Kaffee machen.

Tolle Fahrt - und genau das richtige Abschlusstraining für Portugal. Vor der iberischen Steilküste, harten Atlantikwinden und der fiesen Südsonne muss ich nun keine Angst mehr haben.

Oder doch? Jedenfalls kribbelt es ganz gewaltig in den Waden - in einer Woche um diese Zeit werde ich in Lissabon aufbrechen.

Gefahren: 151,41 km in 6 h 21 min und 23,9 km/h Schnitt.
Tour gesamt: 310 km