Nun also Japan. Land zwischen Jahrtausende altem Kodex und High-Tech. Land unendlich frischen Essens und Massen an Instant-Noodles. Samurai versus Manga. Fantastillionenschneller Bullettrain Shinkansen und wie Zunder brennende Papierhäuser.
Ich bin gespannt. 1.500 Kilometer sollen es sein - 13 Etappen - 13.000 Höhenmeter.
Meist durch den Süden, fernab der Beton-Moloche. Von Tokyo geht es zunächst zum Fuji-San, dann runter an der Südküste von Honshu hinüber nach Shikoku und weiter bis Kyushu, wo ich eine Runde um die Seto-Inlandsee drehe und wieder auf die Hauptinsel zurück kehre, um in Hiroshima meinen Trip zu beenden.
Ich werde Ryokans sehen, das eine oder andere Onsen ausprobieren, mich mit leckerer Ramen vollstopfen und freue mich schon auf Kartennavigation nach (mir natürlich gänzlich unbekannten) Kanji-Schriftzeichen.
Watashi wa hotondo nihongo o hanase masen! Ich spreche kein Japanisch.
Ihr, liebe Leser, seid herzlich eingeladen - gern auch täglich - meine Tweets auf Twitter zu verfolgen. Das könnt Ihr auf meinem Twitter-Profil tun, oder einfach hier, auf den Speedmachine Adventures und zur dabei Ablenkung vielleicht die Etappen meiner kürzlich beendeten Liegerad-Tour durch die kanadischen Rocky Mountains lesen. Denn dieser Blog ist nun vollständig fertig.
Ich sage nun Sayonnara, begebe mich nach Frankfurt zu JL408, wo ich mein mehr als bescheidenes Japanisch im gemütlichen Sitz der Boeing 777 versuchen werde, in letzter Minute zu verbessern ...
Wir lesen uns. Bis bald.
Mein besonderer Dank geht an ...
JAL Japan Airlines Danke für die außerordentliche Unterstützung bei Planung und Buchung des Fluges und den vielen, freundlichen, tollen Tipps, auf die ich allein wohl nie gekommen wäre. Ich freue mich jetzt schon auf den Flug mit Euch!
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SIXT Autovermietung Ein bisschen umständlich ist es schon, von Hamburg zunächst mit dem Auto zum Frankfurter Airport zu fahren - aber mit dem großen Karton in der Bahn wäre das umöglich. Gut, dass Sixt da so unschlagbare Mietkonditionen hat.
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HP Velotechnik Jungs, ohne Eure Speedmachine wäre gar nichts gelaufen - das perfekte Reiserad, das beste Liegerad, das ich mir vorstellen kann und dafür spreche ich ohne zu zögern jedem, der sich nur annähernd für Liegeräder interessiert, meine ernst gemeinte, ehrliche und wirkliche Kaufempfehlung aus.
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Bike24.net Wie schon für Canada, Bike24 versorgt mich mit den Ersatzteilen, die ich brauche - und das schell, unkompliziert und zu mehr als fairen Preise. Auch hier ein herzliches Danke.
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PAINTS MULTIMEDIA
Und zu guter Letzt die großartigste Online-Agentur Hamburgs - Danke Euch allen, dass Ihr mir 2 mal 3 Wochen-Trips ermöglicht habt!
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14 September 2009
Ich bin dann mal weg - die Speedmachine in Japan
Lars .... Unknown 1 Kommentare
Die Velolsenbande liegt durch Jütland
"Mächtig gewaltig!" entfährt es mir, als ich nach 3 Tagen endlich wieder in meiner Hamburger Wanne liege und meine geschundenen Waden einweiche. Ein Supertrip war das - die Velolsenbande liegt durch Jütland. Und so kam es:
Ich mit meinem nagelneu überholten Rad und eine Woche vor dem großen Trip nach Japan - und dann die Idee, eine Schleife durch Dänemark zu drehen. Hätte nicht besser getimed sein können, oder?
So treffe ich mich mit Norbi, den ich auf unserem Brocken-Trip kennen gelernt habe, am Freitag in Hamburg nach der Arbeit und wir satteln die Liegeräder, um nach Norden zu stoßen.
Eine Zugfahrt, die ist lustig - war sie auch. Der RE ist nur mäßig besetzt, auch die NOB-Angestellten, die uns ab Itzehoe mit ihren Privatzügen chauffieren, sind freundlich und hilfsbereit. Fast 3 Stunden Fahrt über Husum und Bredstedt - wo eine ganz tolle Frau ihre Wurzeln hat. Ich schaue raus, seufze, aber dann geht es schon weiter ans nördliche Ende unseres schönen Landes: Niebüll, knapp vor DK.
Norbi bereitet sich schon einmal vor und switched von Zivil-Kleidung in Speed-Klamotten, draußen schickt sich die Sonne schon an, unterzugehen und ich muss meine Stirn runzeln, denn die Bäume da draußen hinter den Fenstern unseren warmen, schicken Zuges biegen sich ganz schön in einem augenscheinlich starken Wind.
Und den spüren wir dann auch, als wir unsere Liegeräder satteln und endlich losrollen - dem Wochenende auf Jütland entgegen.
Norbi auf seinem Eigenbau-Kurzlieger scheint prima zurecht zu kommen. Wo ich - 2 Wochen nicht gefahren, kaum geschlafen die Woche - meine lieben Probleme habe, einen guten Rhythmus zu finden, frohlockt er und tritt seine schwere Stahlmaschine mit einer Leichtigkeit, die mich neidisch werden lässt.
Vor uns versinkt die Sonne in gar nicht so fernen Wolken, eine reine, kalte Feuchte lässt mir Schauer über den Rücken fahren. Licht an und ab geht es - wir haben rund 60 km vor uns, ehe wir uns mit Klaus, Manu und Olli treffen wollen.
Manu und Olli kehren gerade aus nördlicher Richtung von einem 2-Wochen-Trip durch Schweden zurück - die beiden und Klaus, einem HP Streetmachine-Fahrer aus Berlin, wollen wir einsammeln und das Wochenende in DK verbringen.
Die windige Wirklichkeit holt mich zurück, als wir im letzten Dämmerlicht des Tages, ich leicht zitternd, Norbi wie immer siegesgewiss lächelnd, die deutsch-dänische Grenze passieren.
Wie immer wehen die Flaggen der skandinavischen Bruderstaaten - die Grenze spüren wir nur daran, dass die Seitenpoller nun nicht mehr weiß, sondern gelb leuchten.
Ein älterer Herr überquert genau nach uns die Straße und holt - militärisch korrekt und nicht ohne dienstbeflissenem Stolz - die Flaggen ein. Morgen, da bin ich mir sicher, wird er, die Nationalhymne summend, die Stoffe wieder in den Wind ziehen. Eine EU-Flagge suche ich vergebens: Klaro, hier ist Euro-Skeptiker-Land. Und hey, ich habe nicht eine dänische Krone in der Tasche ...
Was nun folgt, ist ekelhaft. Und faszinierend zugleich.
In schwärzester Nacht treten Norbi und ich auf den einsamen, leeren Straßen gegen einen Wind an, der sich uns wie eine greifbare Mauer entgegen stellt. Dabei erkenne ich die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit: Fährt Norbi vorn und ich in seinem Windschatten, erreichen wir 25, 26 km/h.
Wenn ich die Führungsarbeit im Wind übernehme, bin ich froh, eine 23, 24 halten zu können. Und das auch nur für die Hälfte der Zeit, die Norbi im Wind verbringt.
Es ist anstrengend, hart und demotivierend. Wir zirkeln durch die Nacht, nur spärlich erleuchtet von unseren Radlampen, und das einzig Faszinierende - und daran halte ich mich fest um nicht gänzlich die Lust zu verlieren - sind ein klarer, beeindruckender Sternenhimmel über und eine hell erleuchtete Insel Sylt neben uns.
Und während sich auf Kampen die Reichen und Schönen und alles, was sich dafür hält in warmen Stuben den Schampus reinhelfen, schwitz-friere ich im Wind, Träne um Träne kullert nach hinten über meine Wangen in die Haare und ich komme nicht aus dem Fluchen heraus.
So geht das Stunde um Stunde. Lust am Radfahren - Fehlanzeige.
Klaus simst Geo-Koordinaten, die uns zum Treffpunkt lotsen sollen. Norbis GPS weist uns den Weg. Die erlösende Nachricht: Nur noch 15 Kilometer. Ich fasse es nicht! Wind wie diesen habe ich schon lange nicht mehr erlebt, selbst nicht auf den fiesesten Etappen durch Kanada.
10 km to go - ich habe dermaßen Hunger und muss pinkeln, dass wir anhalten wollen. Norbi entdeckt ein Wäldchen. Mangelware hier an Dänemarks südwestlicher Küste: Bäume gibt es hier so gut wie keine. (Alle weggeweht, denke ich)
Ich bremse, will wenden, da trifft es mich wie ein Schlag: Wadenkrampf! Ich schreie auf vor Schmerz, bin ganz wild, kann keine meiner Bewegungen mehr kontrollieren, will nur noch, dass dieser Hexenschuss in der Wade aufhört - und stürze. Lande auf dem Asphalt.
Da ich gerade im Wendemanöver war, falle ich in der Mitte der Straße um. Gottseidank nicht schnell gewesen und Gott sei Dank fährt hier nix mehr. So liege ich erstmal da, schreie, fluche und versuche, unter der schwer beladenen Speedmachine herauszukommen.
Es krampft immer noch, als ich aufstehe, das Rad an die Seite schiebe und Norbi, der besorgt angeschossen kommt, beruhige.
So stehen wir 20 Minuten, ich massiere mir die Schmerzen raus (was nicht funktioniert) und merke, dass ich keinerlei Proviant mit habe und plündere ungeniert Norbis Wurstreserven.
Langsam, immer nahe einem neuen Krampf, kurbeln wir durch die Sturmböen zum Treffpunkt, wo die Meute schon auf uns wartet. Angeschlagen rollen wir auf den Hof eines dänischen Bauern, der neben seiner Scheune eine tolle Wiese vermietet.
Heißer Tee, eine kochende Suppe und kuschelweiches Gras empfangen uns. Unter Schmerzen baue ich mein Zelt auf, wir begrüßen uns, stoßen noch nonalkoholisch auf eine gute Tour an und stellen fest - die Velolsenbande ist komplett.
Also rein ins Zelt, den Schlafsack nach oben gezogen und eingemümmelt. Beim Wegdämmern komme ich aus Versehen an meine Krampfwade - und muss fast schreien. Es fühlt sich an, als seien einige meiner Stränge gerissen.
Mit Bildern von inneren Blutungen, zerschmirgelten Myofibrillen und ausgefledderten Sehnen schlafe ich endlich ein, begleitet vom sonoren Schnarchen eines unserer Bandenmitglieder.
Der nächste Morgen beginnt früh. Ich könnte weiter schlafen. Ewig. So daliegen. In meiner Wärme. Träumen, wegdämmern, ab und zu aufwachen und den seichten Wind an der Plane rütteln hören, dann wieder einschlafen. Ausspannen ... erholen ... Urlaub.
Da schnaubt jemand neben mir den Morgenschnodder in den dänischen Birkenwald und mir wird klar, dass es Zeit wird. Mühsam kämpfen wir uns in den vom Kondenswasser feuchten Zelten in leicht feuchte Klamotten um dann Zelt und Ausrüstung von allerlei nass-klebendem Campingzeugs zu befreien, ein einigermaßen ausgewogenes Frühstück zu uns zu nehmen und uns abfahrbereit zu machen.
Ich stelle meine Speedmachine in die Morgensonne, sie soll schon einmal warm werden. Feucht glänzen die nagelneuen Schwalbe Marathon Supremes, die ich habe aufziehen lassen.
In meiner Wade hingegen scheint nichts nagelneu zu sein. Noch immer durchzuckt mich ein stechender Schmerz, sobald ich auch nur in die Nähe des Muskels komme - ich mache mir Sorgen.
Wenig später sind wir on track. Das Camping hat nur 20 Kronen gekostet - nicht einmal 3 Euro. Ich finde, dieses private Camping sollte es auch in Deutschland geben. Aber auf mich hört ja wieder keiner ...
Wir fahren im Team, manchmal in Reihe, manchmal in 2er-Reihen, aber immer gegen den Wind, der heute nichts von seiner Puste eingebüßt hat. Böse Vorahnungen beschleichen mich, denn ich kann mich noch mehr als deutlich an das erinnern, was mir gestern nach nur 50 Kilometern passiert ist - heute steht mehr als das Doppelte auf dem Programm.
Nach den ersten eineinhalb Stunden plündern wir erst einmal einen Supermarkt und versorgen uns mit Wasser, Saft und allerlei Esszeugs.
Klaus fragt mich: "Welchen Saft hast Du eigentlich?" Denn die Auswahl hier ist enorm. Ich, so versichere ich ihm, habe mich für ein Podukt namens "Minimum" entschieden - die Nährwerttabelle verspricht einen exorbitanten Vitalstoffgehalt.
Draußen - ich habe mein "Minimum" gerade mit Wasser vermischt - fällt Manu, der sich als dritter im Bunde ebenfalls mit diesem Getränk versorgt hat, auf, dass es sich bei "Minumum" um Sirup handelt.
Wohl dem, der - wie ich - lieber Schorle trinkt. Manu und Klaus rümpfen die Nase und haben nun ihre Flaschen voller pappsüßer Ungenießbarkeit.
Klaus zieht es durch, entscheidet er. Närhstoffgehalt siegt über Geschmacksnerv.
Wenig später finden wir uns im Wind wieder. Es ist eine elende Treterei. Nur ab und zu unterbrochen von kleinen Gesprächen, hier und da Debatten über die Fahrtrichtung und das Ziel der Etappe. Wir entscheiden uns: Nur kurz hoch nach Esbjerg und dann auf Ostkurs, raus aus dem Wind, Schluss mit der Schinderei!
Hinten sehe ich Manu und Norbi im Rückspiegel. Und auch gleichzeitig gutes und schlechtes Packen. Manu fährt die Ortlieb Front- und Backroller. Voll beladen, schwer und massiv liegt er auf dem Asphalt. Die eckigen Taschen verleihen ihm einen CW-Wert, der dem einer Eiche-rustikal-Schrankwand gleichkommen würde.
Und das, was ich im Rückspiegel sehe, sieht auch tatsächlich mehr nach Kommode als nach windschnittigem Liegerad aus.
Ein Punkt mehr für die stromlinienförmigen Liegerad-Taschen von Radical Design.
Esbjerg - ein riesiger Burger liegt auf dem Teller vor mir. Nur der Appetit will nicht so recht kommen. Was an dem Unfall liegt, den wir nur wenige Minuten vorher haben mitansehen und mitanhören müssen.
Im Tross treten wir unsere Liegeräder durch die Straßen Esbjergs. Ich fahre an Position 2 und schaue gerade routinemäßig in den Rückspiegel, als ich einen weißen Van auf der Gegenspur vorbeirauschend eine Vollbremsung machen sehe, gleichzeitig einen lauten, dumpfen Knall höre.
Wir bremsen sofort.
Olli und Manu, die ganz hinten waren, ich kann sie sehen - Gott sei Dank, es hat keinen von uns erwischt! - dann hören wir es: Das Gejammer.
Es ist ein Hund. Ein großer Hund. Vielmehr: Es war ein Hund. Der Van hat ihn frontal erwischt, Olli erzählt später, dass der arme Köter wild wirbelnd durch die Luft geflogen ist, ehe er auf dem Aphalt der Straße aufschlug. So liegt er da, jault herzzerreißend im Todenkampf und ich weiß, dass wir alle absolut nichts machen können.
Aber was sollen 5 Liegeradler da auch tun? Beschämt, traurig, geschockt und melancholisch machen wir uns von dannen, wohl wissend, dass der arme Hund sich noch lange wird quälen müssen, ehe dann endlich ein Tierarzt ihn erlösen wird.
Schlimme Sache.
Der Burger schmeckt. Aber nicht so gut, wie er hätte schmecken können.
Mittlerweile haben sich die Wolken fast verzogen, weg gejagt von einem harten Westwind, der die weißen Dampfwolken zerreißt, auseinander zieht und wegdriften lässt.
Diesen Wind haben wir im Rücken, als wir von Esbjerg aufbrechen, Kurs Ost, und in einem 28 - 35 km/h-Ritt uns anschicken, Jütland zu durchqueren. Schweren Herzens, muss ich sagen, denn ich wollte unbedingt diese Tour nutzen, um mir einen dieser Zweite-Weltkrieg-Bunker an Dänemarks Westküste anzuschauen. Am liebsten den aus der Olsenbande.
Aber der Wind. Der Wind. Sturm. Plan cancelled.
Eine letzte Pause legen wir an einer Tankstelle ein, versorgen uns noch einmal mit Trinken und Proviant, werfen das eine oder andere Power-Gel ein und dann machen wir uns an die letzten 40 Kilometer.
Stranden-Camping in Sjölund heißt das Ziel.
Crossing Judland ist der Weg.
Mein warmer Schlafsack und ein Bierchen wird der Lohn sein.
Ich massiere meine Wade, sie schmerzt, aber nicht mehr so schlimm. Anscheinend ist nichts besser für einen Krampf, als stetige, leichte Bewegung, die den Muskel wieder lockert und on track bringt. Allzu sehr ziehen und pushen kann ich jedoch noch immer nicht, was mir vor allem in den gelegentlich aufblitzenden Zwischensprints, die ich mir z.B. an Autobahnbrücken mit "Eisenschwein" Norbi liefere, das Genick bricht - dann nämlich, wenn Norbi kraft seiner Dosenwurst-Power mit dem 20-Kilo-Eisenmonster in einer Leichtigkeit an mir vorbeizieht, dass sich meine gelbe Speedmachine grün schämt.
Irgendwann, nämlich kurz nach 18 Uhr, haben wir es dann geschafft und rollen auf einen perfekt gepflegten Campingplatz.
Wir suchen uns ein Areal, das - und das war meine Idee - genügend Morgensonne zulassen würde, sodass unsere Zelte trocknen könnten. Wir bauen auf und - welch´ Erlösung und süße Wonne! - duschen mit heißem Wasser. Freilich nicht ohne Unterbrechung: Alle 2 Minuten muss eine Magnetkarte durch einen Cardreader in der Dusche gezogen werden. Dann geht der teure Spaß weiter.
Frisch umgezogen, schon die dicke Wollunterwäsche für die chilly night angezogen, so gehe ich mit Norbi noch schnell die paar Meter zum Strand. Ruhig liegt sie da, die Ostsee, violett illuminiert und spiegelglatt.
Vergessen der stete Winddruck vom Tage. Klar das Wasser, rosa Steine - zum Träumen schön.
Hinter uns geht die Sonne unter und Norbi mahnt zum Abendbrot - Olli und Manu haben angeboten, die Food-Reserven ihres Trips mit uns zu teilen. Und so gehen wir bergan zurück zu unserer temporären Heimstatt, freuen uns wieder auf Pasta aus der Tüte, heißen Tee und was Ollis dicke Tasche sonst noch so alles hergibt.
Und da stehen sie schon, die drei, Klaus, Olli und Manu, in der Riesenküche des - vorbildlichen - Campingplatzes und bereiten in ihren Titantöpfen die Riesenportionen Spaghetti Bolognese, Carbonara und Whatever zu.
Norbi, unser Spartaner, bleibt seiner Linie treu und ist ... eine Dose Wurst.
Ich mache mich über schweres, schwarzes Vollkornbrot zu einer Riesendose Heringssalat her - Proteine und Kolehydrate scheffeln.
Lüstern köchelt lecker das Essbare in den Töpfen, ich mache mein Bier auf, die anderen tun es mir nach, und erst jetzt, da es wohlig warm von den Gasflammen herüberzieht, uns aufheizt und den pulsierenden Waden schmeichelt, fällt die Last des Tages ab. Diese Last, die Windlast, die die Windräder Dänemarks so effektiv schnell rotieren lässt - und uns Radler, wenn in falsche Richtung unterwegs, die Nerven und vor allem die Muskeln kostet.
Ich trinke genüsslich das 7% Starkbier von Carlsberg und verabschiede mich alsbald.
Dann krieche ich in mein Zelt, versinke tief im neuen Schlafsack, rücke mich zurecht auf der schmalen Isomatte und versuche, mich wegzuträumen.
Es war ein harter Tag heute, aber ein schöner: 136 Kilometer haben wir überbrückt, die Velolsenbande hat liegend in einem Zug Jütland gerockt, ist mit einem irre Rückenwind (als Lohn für die Anstrengung gestern) angeschoben worden und hat nun den perfekten Schlafplatz erwischt.
Ich dämmere weg.
Und schrecke auf, als - wie ich erst annehme - ein Jumbojet direkt auf den Zeltplatz stürzt. Einigermaßen klar höre ich das flattern von Rotoren, anscheinend ein Notarzt-Heli, der hier im Tiefflug die Platzbewohner aus ihren Träumen reißt.
Der nächste Morgen, klare Luft, blauer Himmel, Sonne satt. Schnell ist alles verpackt, schnell sind wir klar, schnell haben wir gefrühstückt. Olli sei Dank gibt es sogar Honig auf die Stullen - und das wiederum gibt Tinte für die Waden. Schnelle, natürliche Energie.
Heute haben wir nicht viel vor. Wir müssen gegen 15, 16 Uhr den Zug zurück an die deutsche Grenze erwischen, also plant Klaus, GPS-Mastermind und Bahner, eine Strecke, die uns über Nebenstraßen, kleine Forst- und Agrarwege abseits des großen Fernverkehrs zu unserem Bahnhof bringen wird.
So beginnen wir die letzte Etappen, unseren kleinen Sonntagsausflug, unten auf Meeresniveau, den anschwellenden Wind, der schon wieder recht wütend tobt, im Rücken. Satteln unsere Liegeräder und ab geht es.
GPS und einer humorvollen Streckenführung sei Dank, bekommen wir schon bald zu spüren, was es heißt, "kleine Forstwege" zu nutzen - wir bleiben in der ersten Steigung stecken.
Ich bin noch frisch und gut am Pedal, stürme den Berg hinauf, bin bald schon an erster Position. Und es kommt, wie es kommen muss - im Rückspiegel taucht, milde lächelnd, Norbi das Eisenschwein auf. Mit federnd leichtem Tritt überholt er mich mit einem Geschwindigkeitsüberschuss, dass ich mir ernsthaft überlege, meine ganzen Protein- und Kohlehydrat-Ernährungspläne auch auf Dosenwurst umzustellen.
Olli, Klaus und Manu schnaufen an mir vorbei, ein perfektes Fotofinish. Ein Fotofinish, das ich an der nächsten Steigung schon nicht mehr festhalten konnte: Wir bleiben in einer 12%-Steigung stecken.
Die ist zwar nicht lang, aber ... eben 12% steil. Ich lasse mich kurz zurück fallen, rufe Manu, der schon arg gezeichnet ist vom Schweden-Trip, ein aufmunterndes "Let´s go!" zu und trete rein. Kurz hinter Olli rächt sich unsere ganze Power-Gel-Süßkrams-Isotonik-Power-Ernährungs-Orgie und ich muss einen Riesenpup ablassen, der so laut ist, dass sich über uns die Bäume schütteln und der lose Kies in der Schräge ins Rollen kommt.
Kurzzeitig schüttelt es Olli und mich dermaßen vor Lachen, dass an vernünftiges Kurbeln nicht zu denken ist - erst langsam kann ich mich zusammen reißen und treten.
Wir sind müde, fertig, als wir oben ankommen. Aber froh. Olli, der im nächsten Jahr zum Nordkapp will, bemerkt, dass 12% der mittlere Gradient des Trollstigen in Norwegen sei, den er auf seiner Liste habe.
Mich kann so etwas nicht motivieren - die letzten 600 Meter mit 12% reichen mir, da muss ich keine 11 Serpentinen auf 1.400 Meter Höhe klettern. Canada hat mich da relativ gut kuriert. Aber ich gönne es ihm :-)
Auf und ab geht es. Irgendwann knurrt uns allen der Magen.
Irgendwann erreichen wir das Städtchen Haderslev, malerisch gelegen in einer schmalen Bucht, mit einem tollen kleinen Yachthafen. Hier, direkt an der Pier, stellen wir die Liegeräder ab und genehmigen uns einen Haufen Pölser, die wir als leckere Hot-Dogs nur so wegatmen.
Die Ostküste Jütlands fährt nun alles auf, was sie hat: Die Farben sind so intensiv, dass ich Angst habe, meine Kamera könnte sie nicht einfangen. Saftiges Grün, schmeichelndes Blau, dazu perfekte Watte-Wolken und immer wieder frische Landluft, die sich mit der salzigen Meeresbrise mischt.
Seicht, bisweilen auch recht steil, geht es bergauf-bergab. Oft reißt es unsere Gruppe auseinander, wenn Klaus, Olli und ich einfach mal reintreten und die 40er-Grenzen sprengen. Dann heißt es an der nächsten Biegung warten, sich kurz die Sonne auf die Nase scheinen lassen, bis die anderen Beiden wieder aufgeschlossen haben.
Manu erweist sich bei unseren Pinkelpausen als besonderer Scherzkeks.
Einmal stehen wir geschlagene 15 Minuten. Jeder macht das, was er machen muss: Der eine geht pinkeln, der andere zieht sich eine Windjacke an. Oder aus. Der nächste isst eine Banane und dann, zum Abschluss, zischen wir alle noch ein Power-Gel.
Außer Manu.
Der wartet, ist längst schon abfahrbereit.
Kaum setzt sich die Bande mit einem lauten "Abflug!" in Bewegung, ruft Manu von hinten: "Können wir nochmal anhalten? Ich muss mein Gel noch essen." Auf die Frage, warum er das nicht gerade eben getan hat, kommt folgende Antwort: "Naja, mir war ja nicht so, aber jetzt durchs lange Warten ..."
Nee, is klar - bei zu langem Warten während der Etappen muss ich auch Power-Gels einwerfen ... ;o)
Ein anderes Mal, wir warten wieder eine Runde extra, kommt er nach dem Pinkeln aus dem Busch hervor. Ich beobachte im Spiegel, wie Manu sich zunächst in den Sitz seines Challenge Ventus gleiten lässt. Aber anstelle sich endlich einzuklinken und loszufahren, ruft er: "Oh fein - Brombeeren!"
Der Running Gag der Tour ist geboren: Jede Verzögerung wird nun von irgendeinem von uns mindestens mit einem Ruf nach "Oh fein - Brombeeren" kommentiert.
Aber auch die schönste Tour hat mal ein Ende. Unseres ist in Roedekro erreicht. Vor dem lokalen Mini-Bahnhof machen wir das Abschlussfoto der Velolsenbande, kämpfen mit den Tücken eines dänischen Ticketautomaten, ehe wir eine Stunde später im RE nach Padborg sitzen.
Beim Umsteigen in Flensburg müssen wir generalstabsmäßig vorgehen, hechten wie Fallschirmspringer aus dem Zug, das Ausladen geht Hand in Hand und so können wir die abenteuerlich misskalkulierte Umsteigezeit von 4 Minuten locker unterbieten, ehe wir, schweißnass zwar, aber glücklich, unsere Räder im engen Radabteil gestapelt haben.
Dann sitzen wir, schnackend und lachend, drei Stunden bis Hamburg. Lassen diese Schleife durch Südjütland noch einmal Revue passieren, freuen uns auf Zuhause - Olli und Manu vorneweg, die ja am längsten unterwegs waren - und versprechen uns, demnächst wieder als Velolsenbande auf die Jagd zu gehen.
Ich springe in Hamburg ab, die Jungs düsen noch weiter bis Hamburg, wo gegen 21 Uhr auch für sie der DK-Ausflug endet.
Gefahren: 272,9 km in 3 Etappen. Nicht die Welt, dafür ein sehr geiler Trip. Danke, Jungs!
Und noch mehr coole Fotos, nämlich die vom Eisenschwein Norbi gibt es hier. Viel Spaß.
Mit der Speedmachine durch die Rockies - Recumbently Canada
Lars .... Unknown 4 Kommentare
05 September 2009
Mümmeln im Marmot
Was für eine Nacht! Es rumort, es stürmt, es grummelt und es rattert - Wolken fliegen in Fetzen über den dunklen Himmel, ab und zu schimmert ein Stern durch, fixer Punkt an einem quirrligen Firmament. Doch dann verschwindet er wieder - es regnet Katzen und Hunde.
Und ich mittendrin. Stehe da, bettfertig, linse durch die nassen Blätter des Bambusstrauches, der auf meiner Terrasse wächst, prüfe noch einmal den Halt meines Zeltes - es steht etwas quackig da, denn auf dem Betonboden hier kann ich keine Heringe einbringen (zumal mal nach 22 Uhr eigentlich auch keine Schlagbohrhämmer mehr benutzt) und so habe ich es lediglich mit den Zugkräften der Abspannleinen gesichert.
Okay, okay, ich gebe es ja zu - eine Heldetat ist das hier alles nicht wirklich. Meine Freunde Olli & Manu sind seit einer Woche im leider total verregneten Schweden und Dänemark unterwegs, und Klaus, der Cyberman, hat sich mit seiner Streetmachine von Berlin aus auf den Weg nach Hamburg gemacht.
Die Jungs kämpfen gegen harte Gegenwinde, Steigungen und literweise Nass von Oben. Und ich? Okay, ich sitze auf meiner überdachten Terrasse superbequem. Bin trocken. Und habe keine 120 Regenkilometer in den Beinen. Dafür ist der Betonboden aber viel härter, als deren Graswiesen, auf denen die heute Nacht zelten können ...
Aber ich kann ja auch nicht anders - meine Speedmachine ist an diesem Wochenende sowieso nicht verfügbar. 15.000 Kilometer-Checkup. Und so ist bei mir der Test des neuen Schlafsacks Programm. Unter echten Bedingungen - also draußen. Der Balkon ist da das beste, was ich bekommen kann.
Zunächst bin ich zufrieden: Zelt und Schlafsack - ein Marmot Wave III - passen großartig in meine Radical-Liegerad-Tasche. Somit werde ich bei den Touren eine der Beiden komplett mit der Campingausrüstung füllen, während die andere Klamotten und Nahrung vorbehalten sein wird. Toll.
Ich krieche ins Innere meines neuen Nordisk-Einmannzeltes, breite den Schlafsack aus, lege mich hinein und ... schwitze. Sauheiß hier drin. Aber das ist immer so im Zelt, weiß ich, am Anfang, wenn der Körper noch heiß ist vom Bewegen, fast dampft.
Draußen testen Sturmböen die Festigkeit der Abspannleinen. Es klingt furchteinflössend, wie im Film. Regen pladdert hinab, die Wiese hinter meinem Haus dürfte sich mittlerweile in eine Schlammpfütze verwandelt haben.
Meine andere neue Errungenschaft ist ein LED-Headlight. Damit hat das Aufbauen von Zelten und Herumkramen in Taschen, nur spärlich und umständlich beleuchtet vom Handydisplay ein für allemal ein Ende: Ich sehe zwar aus wie ein geistesgestörter Bergmann, aber praktisch ist das Teil allemal.
Ich schreibe noch eine letzte SMS, draußen fliegt bei einem meiner Nachbarn ein Blumentopf vom Geländer - weiter weg brüllt der Wind seinen Sauerstoff in die Pappeln. Es hört sich an wie in der Schlussszene von "Der Sturm".
So liege ich da, mache meine Grubenlampe aus und versuche zu schlafen. War das eine Katze? Fliegt da etwa ein Vogel herum? Und immer wieder flattert draußen das Überzelt im Wind. Hier drinnen aber, das muss ich sagen, wärmen mich die Kunstfasern meines Schlafsackes ohne Probleme auf.
Gut, der Sack ist bis Minus 7 Grad im Übergangsbereich getestet, bis Minus 25 geht es mit entsprechender Kleidung. Und da ich hier auf meiner Extremtest-Terrasse gerade mal 12 Grad habe, düfte dieses Tail auch kaum an seine Grenzen geraten.
Wumms! Eine nächste Palme hat es erwischt. Ich schrecke hoch. Schlafe aber bald wieder ein - es war eine harte Woche.
Es riecht nach neuem Zelt und neuem Schlafsack. Nicht sehr lecker - eine Mischung aus ätzendem Silikon (kennen wir ja alle vom Herumspielen mit Fensterdichtmasse) und Gummi. Ich mache mir eine Kopfnotiz, das Zelt und den Sack morgen den ganzen Tag zum Lüften draußen zu lassen.
Irgendwann gegen zwei Uhr nachts, ich schrecke auf - will mich drehen und spüre einen stechenden Schmerz im Rücken. Ach ja richtig, denke ich, ich liege ja im Zelt, nicht in meinem Bett. Mach langsam, Larsen, langsam.
Der Schlafsack, so prüfe ich schnell noch, bevor ich mich wieder umdrehe und einzuschlafen versuche, ist heiß wie ein Ofen. 10, 12 Grad draußen - und hier, in meinem Zelt fühle ich mich wie in einer finnischen Sauna.
Der Wave III ist also nicht nur preiswert, sondern auch wirklich warm. Großartig.
So dämmere ich wieder weg, schlafe ein. Draußen, was heißt draußen?, neben mir pfeift und stürmt es, Winder zerren an meinem Zelt, ich liege auf der Terrasse, denke an weite Touren mit meinem Liegerad, an harzige, duftende Wälder, an Flüsee, deren Ufer zum Nächtigen einladen und treibe ab, meine Gedanken, grau, verschleiert, sie driften hinüber, ich schlaf ein. Tief, fest. Glücklich.
Der Samstagmorgen kommt früh, kommt anschließend, kommt schnell. 8 Uhr, ich stehe auf, pelle mich aus dem Zelt, neben meinem Balkon regnet es in Stromen, aber es riecht frisch, so frisch, selbst hier, in der Stadt - Camping ist eben auch etwas für die Nase.
Leider muss ich meine Isomatte, das sehe ich erst jetzt, an den Enden etwas anspitzen, zuschneiden, damit sie voll ins Nordisk Pasch passt. Aber das geht schon - viel herumturnen wird nach 120-Kilometer-Etappen durch die Berge im Zelt sowieso nicht sein.
Abends kommt dann noch Klaus mit seiner Streetmachine von Berlin nach Hamburg angefahren. Ich bin das Mutterschiff, biete eine Schlafstelle, Pasta und ein Weinchen zum Einschlafen.
Na, wenigstens einen klitzekleinen Liegerad-Kontakt gehabt an diesem Wochenende. Ich winke ihm bei der Abfahrt. Frustrierend, wenn man selbst kein Rad hat - auch wenn es draußen regnet.
Lars .... Unknown 0 Kommentare