27 Juli 2009

Die 1.000-Meilen-Zigarre

Ja, so etwas gibt es auch: Vor genau einem Jahr habe ich mir in Vorbereitung auf die damals anstehende, erste große Tour nach Portugal eine Zigarre gekauft. Und von ihr träumte ich dann, wenn ich unendlich lange Stunden unendlich lange kurbelte durch unendlich weite Weiten ...

Aber sie war nicht irgendeine, kein Tankstellen-Humpen, keine billige Industriezigarre. Nein, es musste eine Besondere sein. Für den Speedmaschinisten, eine schöne, edle, tolle - eine Cohiba.

45 Euro hat mich dieses wohlriechende Duftwerk aus solzialistisch gezüchteten, kubanischen Tabakblättern gekostet. Aber der Preis ist es Wert - denn, so war der Plan - diese Zigarre würde ich schmauchen, auf einer portugiesischen Klippe sitzend, unter mir der sich tosend am Felsen brechende Atlantik, über mir die brennende Südsonne.

Sozusagen meine Sieges-Zigarre. Meine Einsplus. Mein Lohn für die anstrengende Tour.

Und nachdem ich diese Cohiba nun also sorgsam verpackt über 800 km durch die Hitze Portugals geschleppt hatte, vergaß ich, endlich in Porto angekommen. bei all der Freude ob der gelungenen Tour mein Zigarren-Sit-In an Portugals Steilküste. Flog zurück. Einfach so.

Und brachte das gute Stück wieder mit nach Hause.

Nun, ein Jahr später, sollte sich also die Gelegenheit ergeben, meinen Tabakplan noch einmal in die Wirklichkeit umzusetzen. Auch unter einer brutzelnden Sonne, aber nicht der Portugals, sondern der Kanadas.

Nach 1.300 Kilometern durch die Rocky Mountains also doppeltes Lob.

Aber - ja, Ihr mögt es Euch schon denken - auch dieses Mal vergaß ich es, den wohlriechenden Tabakhumpen anzuzünden. Und so habe ich Castros Exportschlager ein weiteres Mal mit der Speedmachine durch die Welt chauffiert. 2.000 Kilometer. Fast 1.000 Meilen.

Und so sitze ich nun auf meiner Terasse. Zuhause. Meine Wohnung. Null Kilometer entfernt. Die Beine brennen noch leicht, eine Reminiszenz an den gar nicht so spektakulären Anstieg in Blankenese heute nach Feierabend. Und ich zünde mir die Cohiba an.

Ich sitze da, ganz bequem in meinen Rattan-Möbeln, lese ein nettes Buch, bin ganz entspannt, höre den startenden Flugzeugen zu, die gar nicht weit entfernt von mir von Hamburgs Airport abheben, genau zu den Orten fliegen, von denen ich träume und sehe die Sonne über dem Dach meines Nachbarhauses untergehen.

Ich rauche die mittlerweile leicht ramponierte Cohiba. Schmauche sie genüsslich. Es ist die Sonne Hamburgs, die mir ins Gesicht scheint, nicht die eines exotischen, weit entfernten Ortes. Und ein paar Kilometer entfernt brandet nicht der Atlantik, sondern Mutter Elbe im Hafen.

Ich bin zufrieden, als ich eine entspannte Stunde lang meine wohlverdiente 1000-Meilen-Zigarre rauche. Es muss nicht immer ein weit, weit entfernter Ort sein, denke ich mir so, manchmal, da findet man sein sein Paradies auch vor der eigenen Haustür. Vielmehr hinter ihr.

Irre oder - was so ein kleines, 15 cm langes Ding alles erlebt: In Kuba entstanden, um die halbe Welt geschippert, um in Hamburg verkauft schon wieder um die ganze Welt zu fliegen, wird Berge rauf- und runtergekurbelt, bekommt alles mit, all das Leiden, die Freude, die vielen, vielen Liegerad-Kilometer - nur um dann wiederum in Hamburg angekommen, aufgeraucht zu werden.

Aber das interessiert mich jetzt nicht. Ich bin entspannt und denke an eines: Jetzt, da ich sie geraucht habe, meine 1.000-Meilen-Zigarre, werde beim nächsten Trip schon mal mit Sicherheit 50 Gramm weniger Gepäck haben.

Ach ja, ich bin strengster Nichtraucher. Und um ehrlich zu sein, irgendwie war es ja auch ein bisschen ekelig, das Ding zu rauchen. Ich gehe dann mal meine Wohnung lüften ... und denke mir mal eine neue "Juchu, ich habe die Tour beendet"-Tradition aus.

Vielleicht habt Ihr ja Vorschläge?


Mit der Speedmachine durch die Rockies - Recumbently Canada
Neue Etappe online - "Fast Transit and Front Wind"

25 Juli 2009

1.300 Kilometer durch Kanada

Wie versprochen - und sogar noch ein paar Tage früher - geht er online, der neue Touren-Blog meiner Speedmachine Adventures.

Mit dem Liegerad 1.300 Kilometer auf dem Trans Canada Highway von Calgary nach Seattle. Viel Spaß beim Lesen & Schmökern, ich hoffe, ich kann ein paar spannende, lustige und abenteuerliche Geschichten erzählen.

Die Tour ist noch nicht vollständig - bis zur Etappe 4 sind die Texte bereits online. Es lohnt sich also, alle paar Tage mal reinzuklicken. Ansonsten gebe ich mir Mühe, die restlichen Etappen (und die wirklich spannenden, harten und speedmachine-igen kommen ja erst noch) so schnell wie möglich online zu bringen.

Mit der Speedmachine durch die Rockies - Recumbently Canada

24 Juli 2009

Der Fünfzig-Prozent-Contador

Es war nass auf Hamburgs Asphalt, kurz nach 18 Uhr, als der Regen endlich aufgehört hatte. Pünktlich zu meinem Feierabend. Die Straße dampfte, als die Sonne zum Abendabschied noch einmal ihre Strahlendecke über uns Regengeplagte auszubreiten gedachte.

Ich flog siegreich meine Feierabendrunde - Blankenese-Wedel-Pinneberg-Hamburg - distanzierte einige Carbon-Radler und fuhr bei Kilometer 40 eine Zwischenzeit von 1:22 Stunde.

Die Tour de France-Wiederholung auf Eurosport - seit 2 Wochen krönender Tagesabschluss - brachte ein spannenes Zeitfahren. Und die Erkenntnis, dass, wenn Alberto Contador die 40 Kilometer rund um den Lac d´Annency in 48 Minuten fährt, und ich die selbe Strecke mit 43 Minuten Rückstand fahre, ich sozusagen ... der 50%-Contador bin.

Ja, ja, ja - ich weiß - in Annency gab es eine Bergwertung der dritten Kategorie, gegen die meine Blankeneser Berge aussehen wie Anfängerhügelchen, aber das lasse ich generös mal außen vor, ziehe mir zum Schlafengehen nach dem Duschen ein gelbes T-Shirt an und gehe als Träger des Maillot Jaune ins Bett.

Und bin beim Einschlafen ein bisschen neidisch auf Alberto, der mit einem wunderschönen Sport sein Geld verdienen kann - und höre die Neuigkeiten von Danilo DiLuca, Cera-positiv und was-weiß-ich-was-sonst-noch - und denke dann wiederum, es ist doch eigentlich ganz gut so:

Dann doch lieber der Einhundert-Prozent-Lars zu sein.

Gefahren: 48,36 km in 1:37 h und 29,62 Schnitt.


NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.

21 Juli 2009

Danke, Deutsche Bahn!

Man, bin ich sauer - und ich weiß noch nicht so recht, ob nun mehr auf mich oder diese ... diese ... ver%**§/te DB!

Alles beginnt mit einem Geburtstag. Mein Daddy. 61 Jahre, klar, dass ich da nach Berlin muss. Ohne Liegerad zwar, aber mit viel Liege im Herzen. Nun bin ich ja manchmal etwas out of order und das war ich wohl auch, als ich mein Ticket gleich zwei mal gebucht hatte.

Und zwei mal bezahlte.

Was mir erst am Freitag, dem ersten Geltungstag, aufgefallen ist. Also eine sehr liebe, nette E-Mail an die Kundenbetreuung geschrieben und gebeten, mit Rücksicht auf meine geistige Umnachtung vielleicht so kulant zu sein, eines der beiden Tickets doch noch zu stornieren.

Die Anwort kommt sehr schnell - wow! Hut ab, denke ich, und lese:

Beginn: Stornierungen sind nur bis zum ersten Geltungstag möglich. Ende.

Ach, das ist er also, der Dienst am Kunden?

Noch ein Zitat: Wir würden uns freuen, Sie bald wieder als unseren Gast begrüßen zu dürfen. Ende

Ähm, also, DB, ich habe Euch gerade 80 € für NICHTS geschenkt und bekomme eine scheißautomatische, noch dazu über alle Maßen zynische Email? So ist das wohl als Spar-Ticket-Bucher: Vom Fahrgast zum Beförderungsfall.

Es gibt Unternehmen - echte Weltklasse-Unternehmen, wie die Lufthansa, die nicht um jeden Preis 80 € behalten müssen. Die es nicht so nötig haben. Und warum?

Weil sie einfach cool sind.

Ihr, Deutsche Bahn, Ihr seid uncool. Ihr seid sowas von uncool, dass ich mir fast nichts sehnlicher wünsche, als mal echte Konkurrenz, die Euch von Eurem Thron runterholt! Widerlich.

Und so stürze ich mich heute Abend in meine reguläre Trainingsrunde um Hamburg und stelle mit einer 80€-Verschenkt-Wut gleich mal nen neuen Rekord auf. Aber davon, davon kann ich mir leider auch nix kaufen.


Größere Kartenansicht

Die knapp 50 Kilometer - immer die Blakeneser und Rissener Berge rauf und runter, 25 km bei - nicht so starkem, zugegeben, aber immerhin - Gegenwind absolvierte ich in flotten 1:35 h und mit einem Schnitt von 30,42 km/h.

Nicht schlecht.

Und nun werde ich noch wütend einen Lachs-Nudelauflauf verdrücken und in ein, zwei Stunden dann, ganz gemütlich sitzend, versuchen, mit besagtem Ticket das Bild dieses Blog-Posts in meinem Klo nachzustellen. Vielleicht gehts mir dann ja besser ...


NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.

19 Juli 2009

Vernäht und zugeflixt!

Wusste ich es doch! Irgend etwas war komisch. Kam mir gleich spanisch vor, die holländische Flagge, die da ganz neu und schick auf meinen Liegerad-Taschen prangt.

Nach der verrückten Recumbent-Tour von Hamburg nach Amsterdam, die ich mit meinem Berliner Speedmachine-Kollegen Olli Ende Mai in 3 Etappen bestritten habe, musste es ja irgendwie auch verrückt weiter gehen.


Kein Wunder also, wenn meiner argentinischen Näherin bei allem Geflirte über die Theke dann nicht aufgefallen ist, dass ich ihr die holländische Flagge schon falsch herum zum Aufnähen gebracht hatte - und aber auch kein Wunder, dass sie, bezirzt von meinem Speedy-Charme, das Teil dann auch falsch herum angenäht hat.


Nun habe ich neben ihrem Leben nun also auch das Liegfiets-Wunderland auf den Kopf gestellt - Zeit, das wieder in Ordnung zu bringen ...


NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.

14 Juli 2009

Catlike Whisper vs. Spiuk Nexion

Tja-haaa, da staunen die Straßenverkehrsteilnehmer - ich fahre einen neuen Helm. Naja, sie werden diese Neuigkeit sicher nicht so umwerfend finden, wie ich, aber er zieht schon einige Blicke auf sich, der neue Catlike Whisper Plus.


Nachdem ich nun seit 2 Jahren den Spiuk Nexion gefahren bin, habe ich mir nach der Kanada-Tour diesen neuen Helm zugelegt. Zunächst soll man sowieso alle 2 bis 3 Jahre seine Crash-Schale austauschen, zum anderen war das bei mir ja kein Zustand, mit dem handbemalten Design.

Doch wie sind die Unterschiede der beiden spanischen Helme zueinander? Kann man den Catlike empfehlen?


Dass sie sicher sind und beide mindestens gleich gut schützen, geht durch die CE-Norm und die selben Crash-Test-Standards klar. Da brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Also fange ich mal an, mir einige - mir wichtige - Kriterien auszudenken: Belüftung des Kopfes, Anpassbarkeit, Tragekomfort und - naja, für mich halt wichtig - das Design.

Die Belüftung

Der gute alte Nexion ist mit 25 Lufteinlässen versehen, die sich über die gesamte Schale verteilen. Da die innen eingeschäumte Dämmschicht recht dick ist, ist bei diesem Helm die Form der Luftkanäle entscheidend. Leider haben sich die Konstrukteure hier wenig Gedanken gemacht, denn die "Kanäle" sind einfache Löcher. Es erfolgt keine Lenkung des Luftstroms. Zudem sind die Luftlöcher sehr schmal. Der Helm belüftet im Vergleich zum Whisper schlecht.

"Wow!" dachte ich, als ich den Catlike zum ersten mal gefahren bin. Mir war, als halte jemand einen riesigen Föhn auch höchster Kaltstufe auf meine Stirn gerichtet! Die 39 (!) Luftöffnungen, die sehr dicht beieinander sitzen und die Luft durch aerodydnamisch geformte Kanäle auch im Inneren des Helms leiten, bringen O2 satt auf die Kopfhaut. Die Innenverschäumung ist sehr schmal gehalten, sodass die Luft nicht nur durch die vielen intelligent geformten Einlässe punktgenau auf die Kopf sondern auch noch unter dem Helm auf den Kopf verteilt wird. Sensationell!

Selbst bei kleinen Geschwindigkeiten merkt man, wie der Helm förmlich Luft anzusaugen scheint. Das gibt volle Punktzahl.

Die Anpassbarkeit

Beide - Nexion und Whisper - sind hinten mit beidhändig zu bedienenden Scharnieren und am Kinn durch einen einfachen Schnapp-Gurt zu schließen. Während der Fahrt, also einhändig, geht da kaum etwas zu korrigieren. Das machen andere Firmen besser - zum Beispiel Bell - hat ein Drehrad, das man während der Fahrt super justieren kann. (Warum man allerdings nach Abfahrt auf einmal Einstellungen an Gurtlängen usw. vornehmen will, weiß ich jetzt auch nicht.)

Beide sind ganz gut justierbar, wobei der Whisper von Catlike die Nase vorn hat, denn beim Nexion konnte ich die Seitenschlaufen nie wirklich genau auf mein Gesicht anpassen. Was an dem Vorkriegsschlaufensystem liegt.

Beim Whisper geht das mit einem Klick. Toll!

Der Tragekomfort

Da gab es zunächst eine Enttäuschung. So genial auch das Belüftungssystem ist - und Leute, wer schonmal 8 Stunden bei praller Sonner durch Portugal gefahren ist, weiß, was es bedeutet, einen Helm aufzuhaben, unter dem es so heiß wird, dass man am Ende der Etappe sein Hirn locker als auf den Punkt gegarte Mahlzeit servieren könnte (Sorry, mir fiel da jetzt keine andere Analogie ein), der wird einen kühlen Kopf zu schätzen wissen - aber so wichtig dieser Punnkt ist, der Komfort ist wichtiger. Für meine Ansprüche und gerade auf mehrtägigen, langen Touren.

Und da entpuppt sich der Catlike leider als kleiner Schwächling: Denn die geniale Belüftung ist mit einer deutlich schmaleren Auflagefläche des Helmes auf dem Kopf erkauft. Gerade einmal 4 schmale Grate sind beim Whisper dafür vorgesehen. Und die sind zudem nur sehr mäßig mit eher dünnen Pölsterchen versehen.

Nach 1 bis 2 Stunden schmerzt der Kopf, man beginnt, unruhig am Helm zu zerren und ich wage mir gar nicht eben jene 8 Stunden Daueretappe vorstellen. Klar, kann sein, dass dieser Helm - Immerhin offizielle Schale des Cervélo-Test-Teams bei der Tour de France mit Sprinter-As Thor Hushovd - speziell für eher kürzere, harte Renneinsätze konzipiert ist, aber das gibtbei mir trotzdem enorm Punktabzug.

Der Nexion aus Spanien hingegen bietet viele und breite Auflageflächen und zudem wesentlich dickere Polster. Ihn zu tragen ist auch 2, 5 oder auch 8 Stunden kein Problem.

Schade, Catlike, hier war ich fast erschrocken, wie minimalistisch Euer Helm ausgerüstet ist.

Das Design

Ahh, Design. Die schönste Unwichtigkeit der Welt. Nebensächlich. Geschmackssache. Aber uns Liegerad-Fahrern ist Design natürlich wichtig. Immerhin ist auch das Liegerad nicht nur eine reine Speedmachine - sondern auch ein Designobjekt. Eine mechanische Skulptur. Da muss ein Helm natürlich passen.


Nachdem ich meinen Spiuk damals fälschlicherweise im abstossenden Sonderpreis-Rosa gekauft und ihn per Hand auf mein Speedmachine-Orange umgemalt hatte, stimmte die Farbe endlich. Die Form stimmte schon vorher. Ich finde, Spiuk baut Helme, die wesentlich stromlinienförmiger und dyamischer daherkommen, als die Bells, Giros und Abus dieser Welt.

Der kleines "Fransen-Effekt" am hinteren Ende macht den Helm agressiv und spannend anzusehen. Ich finde ihn immer noch sehr hübsch und würde ein Spiuk jederzeit den "großen" Marken vorziehen.

Aber nun der Whisper. Whisper plus, um genau zu sein. Ah, was für ein Design! Endlich einmal etwas anderes, etwas neues, etwas radikales: Ist es eine Katze mit 39 Augen, die Dir sprungbereit ins Gesicht starrt? Ist es sonderbare Alien-Technologie, die Dich gleich mal 5 km/h schneller macht? Ich weiß es nicht, aber seit dem ich in einem Rennrad-Magazin zum ersten Mal diesen Helm gesehen habe, war ich fasziniert.

Und ihn auszupacken, in den Händen zu halten, war, wie ein Kunstwerk berühren zu dürfen: In jedem kleinen Zentimeter Schale steckt noch einmal eine kleine Wölbung, in jedem Stückchen Schaum steckt eine Idee. Man merkt förmlich, dass die Konstruktion dieses Helmes komplex und langwierig war. Ihn zu tragen ist wie sich eine Uniform anzuziehen, eine Kokotte anzustecken, gut sichtbar wie einen VIP-Ausweis zu tragen.

Er sieht einfach genial aus - meine ich - und spielt in einer Liga, die Galaxien von allen anderen Helmen auf dem Markt entfernt ist.

Nur der FP 3.1 von Uvex hätte hier mithalten können, aber der wird ja leider - vorerst - nicht produziert.

Catlike Whisper Plus: Klassenprimus! Weshalb ich ihn mir gleich in plain white bestellt habe. Keine auffälligen Designs notwendig hier. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, Michelangelos David anzumalen ...

Also welcher nun?

Wenn ich losfahre, schnalle ich mir den Catlike um. Warum? Weil er einfach der bessere Helm ist. Beide wiegen zwar genauso viel (290 Gramm) aber der Catlike fühlt sich einfach leichter an. Ich kann ihn genau auf meine Kopfform anpassen und die Belüftung ist schon bei niedrigen Geschwindigkeiten unschlagbar.

Das Problem mit den Druckstellen in der Großhirnrinde habe ich auch gelöst: Ich benutze die Einlegepolster meines Spiuk. Und so lebt mein alter Helm, der mir 2 Jahre treuer Begleiter war, im neuen, genialen Catlike Whisper Plus weiter. Irgendwie ja auch romantisch, oder?

Und wenn nun noch das Cervélo-Team mal wieder eine TdF-Etappe gewinnen würde, wäre das Spitze.

Ach, klar, die Preise: Meinen Catlike habe ich für 130 € geschossen, der ist nun auf 119 € herab gesetzt worden. Den Nexion gibt es schon für 99 €, icht zuletzt, weil Spiuk mit dem Daggon einen spannenden Nachfolger des Nexion auf den Markt gebracht hat.

Ich allerdings werde weiter als fauchender Katzenmann auf meiner Speedmachine durch die Lande jagen ... und mir noch viele von diesen kleinen süßen Carbon-Mäuschen fangen.

MIAU!



NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.

13 Juli 2009

Fort im Taunus

Mich tritt ein Pferd. Denke ich, als mich scheppernd eine bellende Stimme weckt, die blechern aus dem Lautsprecher quakt: "Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir Bingen." Bingen also, denke ich, öffne meine verklebten Augenlider und schaue raus: Die Loreley sagt mir Guten Morgen. Ich gähne ihr entgegen.

Neben mir fließt Gevatter Rhein, massiv, schnell und dabei so erhaben. Der Zug legt sich ein ums andere mal in die Kurve, links, rechts, sanft ruckelnd, wie ein Flugzeug beim Anflug aufs windige Hamburg.

Dem Verlauf des großen Flusses folgen wir, ich öffne das Fenster meines Abteils und versuche mich zu strecken und mir mit allerlei Verrenkungen die Qual der vergangenen 7 Stunden nächtlicher Zugfahrt aus den Knochen zu vertreiben. Eigentlich eine Frechheit, denke ich, das alles hier "Nachtzug" zu nennen, und dann nicht einmal Sitze mit verstellbaren Rückenlehnen anzubieten. Aber was solls, angesichts der wunderschönen, noch im Morgendunst liegenden Kulisse des Rheins stört mich das jetzt einfach mal nicht mehr. Beschließe ich.

Ich hänge meinen ungewaschenen Kopf aus dem Fenster und lassse mir die Lungenflügel vom Fahrtwind füllen. Herrlich. Allerdings fühle ich mich auch ein bisschen klebrig, ja ekelhaft: Müde, ich möchte eine Dusche. Ein Bett. Ein Bett. Bett. Bitte. Bingen.

Dann schon fliegt die Landeshauptstadt Mainz vorbei, ein paar Minuten darauf rieche ich Kerosin - Frankfurt Flughafen. Vorsicht an der Bahnsteigkante. Wenig später legen wir uns in die letzte Rechtskurve - hinter dem Gewirr von Schienen erkenne ich die Skyline von Mainhattan. Geschafft.

"Zänk you for träwelling wiff Deutsche Bahn." Na denn ...

Zwei rabiate Österreicher zerren im Fahrradabteil dermaßen an ihren und den anderen Rädern, dass im Laufe des umständlichen Aussteigevorgangs jede der Klingeln aller Fahrräder mindestens einmal ertönt - meine Speedmachine hat freilich keine Klingel, kann sich also nicht wehren, deshalb postiere ich mich als teutonischer Velo-Schutzengel zwischen meiner wertvollen Pulverbeschichtung und den Brutalo-Alpenradlern.

Aussteigen - 7 Uhr. Frankfurt liegt noch im Schlaf. Wochenende. Die Straßen sind leer. Und mein Zimmer im Hotel in Hofheim, rund 30 km entfernt, wird mit Sicherheit noch nicht frei sein. Also beschließe ich, zwischen den glänzenden Wolkenkratzern der armen, armen Banken herumzukurven. New York-Feeling inmitten Deutschlands. Und als ich so hoch schaue frage ich mich, warum in aller Welt gerade Frankfurt die Bankenmetrolpole Deutschlands ist. An meinem Konto kann es jedenfalls nicht gelegen haben.

Ich entscheide mich, über Umwege nach Hofheim zu fahren. Zunächst geht es die leeren Schnellstraßen nach Höchst, vorbei an riesigen Industriekulissen, es riecht nach Chemie, Farb- und Lackwerke, lese ich. Aha, denke ich, das hatten wir in Geschichte auch schon einmal ... Höchst. Da klingelt es.

Klingeln tut es auch in meinen Ohren, denn ich komme sehr schnell voran. Schnelle frische Morgenluft knallt mir um den Helm. Hinter Höchst biege ich nach links ab und fahre herunter an den Main. Idyllisch schlängelt sich ein sehr guter Radweg am flachen Ufer entlang. Unmengen Hoppelhasen liegen faul auf den perfekt gemähten Wiesen, lümmeln sich herum. Sammeln wahrscheinlich Kräfte für Ostern. Ich versuche, sie nicht aufzuwecken.

Olli, Speedmaschinist aus Berlin, und ein Freund auf einer Streetmachine sind schon in Frankfurt, gestern angereist, im eigenen Hotel. Aber die beiden störe ich nicht. Nicht jetzt - 8 Uhr. Wir sind erst für später verabredet und so gebe ich Gas, genieße dieses neue, ungewohnte Terrain und bahne mir meinen Weg durch allerlei kleine Dörfer und Städtchen. Wenn ich mich umblicke liegen die Glastürme der Banken im Morgendunst, schaue ich nach vorn, zum Horizont, eheben sich drohend die Wellen des Taunus.
Und mit dem habe ich auch noch eine Rechnung offen, denke ich.

Hofheim erreicht. Ach schön, denke ich, eine Stadt in der Vertikalen - Hofheim zieht sich an einem steilen Abhang hinauf. Und - ich ahne es und behalte Recht - mein Hotel thront natürlich ganz oben auf. Ich und meine Ahnungen! Obwohl, beim Namen "Hotel am Rosenberg" hätte jeder noch so naive Flachlandpedalist darauf können kommen, dass zwischen ihm und einem frisch bezogenen Bett noch einige Höhenmeter liegen könnten.

Lagen sie auch. Hunger und Müdigkeit treiben mich die engen, steilen Gassen auf den Berg, die freundliche Rezeptionistin bucht mich auf ein nicht belegtes, bezugsfertiges Zimmer um und wenig später stehe ich unter einer belebenden, heißen Dusche. Dann lasse ich mir ein Frühstück schmecken und will mir Schlaf bis 10:30 Uhr gönnen.

Um 12 wache ich auf. 8 Stunden "Nachtzug" (wiff Deutsche Bahn) hinterlassen halt ihre Spuren. Es ist noch Zeit bis zum Tag der Offenen Tür beim Liegeradhersteller HP Velotechnik und so fahre ich ein paar Runden am Fuße des Taunus hin und her, ehe ich mich gegen 13 Uhr nach Kriftel bewege.

Natürlich nicht, ohne mich ein paar mal zünftig zu verfahren. Unterwegs begegne ich 2 oder 3 Mal einer Leitra. Das Velomobil kommt mir dann und wann entgegen, ich grinse und grüße und fühle mich gleich gar nicht mehr so dumm, denn der Velomobil-Fahrer scheint auch seine lieben Probleme zu haben, die Elisabethenstraße zu finden.

Was weniger an unserem Unvermögen liegt, Karten zu lesen, sondern daran, dass die Elisabethenstraße in Kriftel Schmelzweg heißt, und erst außerhalb des Ortes ihren Namen ändert - was dann aber nirgendwo dran steht.

Die einer Messerschmitt ähnelnde Leitra und ich rollen wenig später perfekt getimed gemeinsam auf den Hof der Firma, wir werden aufs freundlichste von den HP-Jungs begrüßt und innerhalb von wenigen Minuten gesellen sich immer mehr Liegeradfahrer hinzu.

Eine wilde Fachsimpelei über CW-Werte, Vor- und Nachteile bestimmter Werkstoffe, Schaltungen, Kosten pro Kilometer im Vergleich Velomobile-Liegeräder und Sportwagen entspannt sich und ich merke, dass ich mich da heraus halten muss. Diese Jungs sind Bastler, sind Tüftler, sind Techniker.

Ich konsumiere Liegerad. Ich fahre es, fliege es. Bin Pilot, nicht der Mechaniker.
Lars, ein M5-Fahrer, kommt mit gebrochenem Lenker auf den Hof geschoben. Einen Kilometer musste er sein Rad schieben. HP nimmt es sofort unter die Fittiche und wenig später wird geschweißt. Toller Service!

14 Uhr, offizieller Beginn. Es sind vielleicht 40, 50 Leute da. Daniel Pulvermüller - das "P" in HP - einer der beiden Gründer und Geschäftsführer, eröffnet den Tag in der Werkstatt und schon finden wir uns in einer kleinen Betriebsführung wieder.

Interessant, zu sehen, wie aus einer Bestellung (die irgendwo ein begeisterter, gespannter und brennend motivierter Neu-Liegeradler aufgegeben hat) dann ein fertiges Scorpion, eine rasante Speedmachine oder eine bequeme Streetmachine wird.

Betont lässig, sehr entspannt und angenehm normal sind die Jungs. Keine Spur von "wir sind Marktführer", überall fliegt einem das "Du" um die Ohren, sie lachen viel, machen Scherze und sind Menschen zum Anfassen. Premium-Marke? HP Velotechnik? Na sicher! Angesichts der Preise und Ehrungen, die diese Firma alljährlich einheimst erübrigt sich jeder Zweifel.

Porsche Cayenne-Arroganz? Elitäres Abgrenzen? Start-Up-Getue? Fehlanzeige - ich habe selten so viel Bescheidenheit und Understatement gesehen, fast schon schüchterne Zurückhaltung, die angesichts der Tatsache, dass HP in aller Welt unter Recumbent-Fahrern ein Begriff ist, umso höher zu bewerten ist.

Dies ist Euer Tag der Offenen Tür, HPler, und Ihr interessiert Euch mehr für uns, als die Aufmerksamkeit auf Euch zu ziehen? Ich bin begeistert!

Genauso begeistert bin ich von der Werkstatt - Skelette von Scorpions, Speed- und Streetmachines hängen von der Decke. Halb- und fast fertige Liegeräder spinnenartig auf Montagegestellen befestigt. Regale, bis unter die Decke mit Federgabeln, Hinterradschwingen und allerlei anderer Anbauteile bestückt. Ein Boden, von dem man Essen könnte. Ein Traum für alle Zweiradbegeisterten!

Á propos Essen - Zu frisch Gegrilltem gab es den mit Abstand zweitbesten Kartoffelsalat der Welt. Der Beste kommt natürlich von Mama. Und so staune ich, dass die Jungs von HP nicht nur richtig Klasse Liegeräder kredenzen, sondern auch Symphonien in Kartoffel.

Wir verbringen einen richtig schicken Tag bei HP. Neulinge testen auf dem Parcours die Produkte, es ist schon süß zu sehen, wie sie sich zum ersten Mal, wackelig, dann immer sicherer und nach einigen Minuten fast schon übermütig, bewegen. Mehr als ein mal muss ich den auf zwei Rädern heran brausenden Scorpions ausweichen, auch die Test-Speedmachine erfreut sich großen Interesses.

Daniel und Thomas schauen sich besonders intensiv meinen Tiller-Lenker an. Die Machinegun-Konfiguration á la Liegeradstudio Hamburg fasziniert ihn. Wenn die in Serie geht, muss ich allerdings Tantiemen-Rechte anmelden ...

Ich halte meine Vorträge, wechsle mich dabei ab mit wirklich faszinierenden Vorträgen vom Christoph, der mit seiner Streetmachine die ganze Welt bereist. Beim Beamer treffe ich viele sympathische Menschen - eine Familie aus Belgien, ein Pärchen, das sich als Speedmachine-Adventures-Fans outet (Vielen Dank noch einmal!:-) und von ganz jung bis rüstig eine bunte Mischung interessierter und interessanter Menschen.

Und dann ist es auch schon 18 Uhr. Beim Tag der offenen Tür werden die selbigen geschlossenen. Ich verabschiede mich von Daniel, von der netten HP-Azubine (viel Spaß Dir!), vom lustigen Cornelius, vom genialen Thomas und all den anderen HPlern - herzlich, lustig, interessant. So muss das sein!

Mit Klaus, dem Streetmaschinisten, und Olli geht es noch auf eine kleine Abendtour ins in der Dämmerung versinkende Frankfurt. Wir fahren entlang des Mains, herrliche Radwege führen uns durch Parks, vorbei an Schrebergärten, durch Wiesen und Felder und auch mal über die eine oder andere Autobahn.

Irgendwann halten wir auf einer Mainbrücke und genießen die Aussicht. Es ist einfach herrlich hier - und ich beginne, meine zugegeben ziemlich eingebildeten Vorurteile über Frankfurt zu revidieren. Zumindest die nähere Umgebung ist eine Reise wert - und die Wolkenkratzerkulisse trägt das Ihre zu dieser ganz eigenen Atmosphäre bei.

Als wir uns trennen wollen - mittlerweile ist es 20 Uhr und ich muss noch 30 km zurück nach Hofheim - entdecken wir einen Sportplatz mit einer verlockenden Kunststoffbahn, die wie Tartan aussieht. 4 Mädchen spielen Roller-Wettrennen. Und wir drei Jungs gesellen uns dazu.

Ich trete als erster rein, Olli macht Fotos. Zwar bremst der Belag ungemein, aber ich genieße es, so schnell wie möglich um das Oval zu fliegen, mal habe ich Angst, dass es mich nach außen trägt, mal wieder muss ich allzu starkes Gegesteuern korrigieren. Kurvenfahren anspruchsvoll.

Ich stelle mir vor, wenn dieser Bolzplatz ein Stadion wäre, wenn diese Nacht Olympia wäre, wenn die 4 Gören zwanzigtausend Zuschauer wären und wenn Olli, der da gerade an der Ziellinie umständlich mit den Ohren am Boden herumschabt, um eine möglichst dramatische Fotoperspektive zu erwischen, wenn dieser Olli die angereiste Presse-Elite des Sportjournalismus wäre. Ein tolles Gefühl, eine schöne Vorstellung.

Aber dann stelle ich mir auch vor, wie ich gleich bei der Dopingkontrolle vor den wachsamen Augen von 4 Altherren pieseln müsste. Und schon freue ich mich wieder, dass jetzt gerade nicht Olympia, sondern ein ganz normaler, aber ganz toller Samstagabend ist.

Wir verabschieden uns und ich mache mich auf den Weg heim in mein Hotel. Hoch auf dem Berg.

Einige Umwege und knapp 1,5 Stunden später erreiche ich es dann auch, pünktlich, denn als ich ins Foyer trete, knipst die Sonne ihr Licht aus.

Vorher habe ich mich natürlich zünftig an der Shell-Tanke mit allerlei (wie ich denke) gesundem Essen eingedeckt. Denn das Restaurant wird bestimmt nicht mehr aufhaben - und großartig Lust, noch (den Berg hinabzusteigen um dann) in der Stadt essen zu gehen, habe ich auch nicht (denn dann müsste ich mit vollem Bauch den Rosenberg wieder erklimmen).

Nein, mir schwebt da eher vor, mich genüsslich vor den Fernseher zu legen, die Tour de France-Zusammenfassung zu schauen und nebenbei meine Körpersalze wieder aufzufüllen.

Was ich auch tue.
Und kurz vor elf einschlafe.

Nicht viel später, so fühlt es sich jedenfalls an, wache ich auf, ein bedeckter Tag graut vor meinem Fenster herum. Wolken hängen tief, triefen vor Nässe aber regnen sie nicht heraus. Sie warten, denke ich, warten, bis ich in meinem Liegerad liege und versuche, die Straßen unter ihnen zu befliegen.

Und genauso ist dem dann auch. Ich verabrede mich mit den Berlinern zu einer rasanten Abfahrt vom lokalen Bergriesen - dem Feldberg. Immerhin knapp 900 Meter hoch und in der näheren Umgebung das höchste hier, verspricht er Steigungen von 10 bis 14 %, jede Menge Schweiß und Muskelarbeit - und mir eine Menge Spaß. Hoffe ich.

Dass die beiden Berliner den Fahrradbus zur Spitze nehmen wollen verzeihe ich ihnen, denn bereits nach 10 Kilometern und gefühlten 40 % Steigung regnet es sich ein. Kein fieser, niederprasselnder Regen, eher die Sorte "tut ganz nett, ist aber auch nass".

Ich überhole am Berg einen Trekking-Biker, mit dem ich mich zunächst eine Weile unterhalte, denke, das passt ja - nett schnacken und dabei zusammen fahren. Aber seine 8 km/h sind mir dann doch zu langsam. Ich sage Tschüs und "ziehe" mit 3 km/h Geschwindigkeitsüberschuss davon. Er bleibt noch minutenlang in meinem Rückspiegel.

Inzwischen habe ich auch die letzte Straße hoch zum Gipfel erreicht, nachdem ich eine etwa 15 km lange Umleitung um den Berg herum nehmen musste. Ach schön - diese Umleitung hat nochmals drei richtig spaßige Rampen für mich bereit gehalten. Auch der Regen ist nun stärker geworden, ich bin nass bis auf die Haut und kalt ist es hier oben auch.

Zur allgemeinen Motivation tragen Ollis SMS á la "Sind jetzt im Bus" auch nicht gerade bei - andererseits gefalle ich mir bei der Vorstellung, wie die beiden jetzt ganz bestimmt in bequemen Frottier-Sitzen des Neoplan-Busses die Steigungen hinauffahren, es warm und weich haben und unvorstellbare Gewissensbisse an ihnen nagen, dass ich, ich armer Hund, bei dem Sauwetter da draußen diese titanische Anstrengung ohne Motorhilfe leisten muss. (Aber wenig später denke ich, dass die mich vielleicht auch einfach nur für ein bisschen bekloppt halten.)

Dann wird auch noch der Berg frech. Vor mir türmt sich eine Auffahrt auf, die ich so in dieser Form weder in den Rockies noch - was die Länge angeht - bei den Willensbrechern in Portugal gesehen habe: Streckenweise mögen das satte 15 % Steigung gewesen sein, in den Spitzkehren der serpentinen-artigen Straße gern auch mehr.

Mein Atem ist weißer Nebel - mein Körper dampft. Ich sehe aus wie ein heißer Kloß, der gerade aus dem siedenden Wasser genommen wurde.

Vor mir fahren 5 Mountainbiker mittleren Alters. Ich schließe zu ihnen auf und hefte mich an sie. Zusammen leidet es sich besser. Der Hintereste bemerkt sich, wir grüßen uns und beginnen ein - teilweise atemloses - Gespräch. Es stellt sich heraus, dass der Herr fast die selbe Strecke durch Kanada gefahren ist wie ich. Nur mit Auto.

Während wir so schnacken, uns links Motorräder dröhnend überholen und alle 2 Minuten ein Rennradler vorsichtig seine schmalen Slicks berab versucht sturzfrei zu steuern, fallen 2 der 5 Biker zurück. Vor der letzten Kehre bedeuten die beiden vorderen Biker ihrem Freund, dass sie nun die Straße verlassen und auf einem Waldweg, zu dem es hier abgeht, weiterfahren möchten. Er winkt ab und erklärt: "Die fahren die Männerstrecke - 17 bis 19 Prozent Steigung, Schotterweg."


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Kein Bedarf, denke ich, stoße wie ein Walroß weißen Atemdampf aus (und rieche dabei bestimmt noch wie eins), kurbele um die letzte Rechtskurve und sehe einige dutzend Meter über mir das Gipfelplateau. Weiße Nebelschwaden werden von einem eisigen Wind über die Fläche getrieben. Der Gipfelturm ist nurmehr als undeutliches Schema zu erkennen - hier mögen es gut und gerne unter 8 Grad sein.

Ich friere - aber der Sieg steigt in mir hoch, als Olli von links "LARS!" brüllt und ich kurz die Hand vom Lenker nehme, um zu winken, ohne dabei umzufallen, denn die letzte Steigung hat es noch einmal in sich und so muss ich heftig gegensteuern, um nicht bei 5 km/h umzukippen.

Der MTBler ist schon im undurchdringlichen Weiß des Höhennebels verschwunden, ich geselle mich zu den Berlinern in eine windgeschützte Ecke, hole sofort die Jacke aus meinem Gepäck (das ich die ganze Zeit mit auf den Berg geschleppt habe) und lasse mich bei einem Becher heiß dampfenden Kakaos von den beiden als Bergfloh des Tages feiern. So komme ich nun also doch noch zu meinem olympischen Gefühl.

Immer mehr Motorradfahrer sammeln sich auf dem Gipfel - der Regen, die spiegelglatte Fahrbahn und das miese, kalte Wetter kann auch diese Jungs wohl nicht abschrecken. Auffällig viele Rennradler haben auch den Weg hierher gefunden - uns so freue ich mich trotz des warnenden Schildes auf die Abfahrt.

Denn die, die habe ich mir verdient: 28,9 km bergauf in 1:41 h und mit einem beachtlichen 17er Schnitt. Ich denke, das ist okay, für ein bergauf ach-so-langsames Liegerad, beladen mit 6 Kilo Gepäck.
Nachdem wir starklar sind, verabreden wir uns unten, denn ich vermute, dass Klaus es nicht ganz so rasant angehen wird, wie ich. Dann trete ich rein, Klaus verschwindet relativ schnell aus dem Rückspiegel, von Olli sehe ich noch das Frontlicht.

So schieße ich bergab - schnell, aber nicht rekordverdächtig. An diesem Tag wird es nur für 67 km/h reichen. Aber angesichts der Tatsache, dass die Straße nass ist und ich in einer Kurve sogar zwei Motorradfahrer überholen kann (!) finde ich das dann doch recht beachtlich.

Unten angekommen errechnen wir, noch 3 Stunden Zeit bis zur Zugabfahrt zu haben und beschließen, auf Schleich-Radwegen, nicht auf der Straße, nach Frankfurt zu fahren.

Allenthalben kommen unserer stattlichen Staffel Liegerädern Rennradler entgegen.

Sie grüßen.

Freiwillig.

Hä? Whoa? "Hast Du das gesehen?", frage ich Olli ungläubig. In Hamburg bin ich das nicht gewöhnt, dass die stolzen Carbon-Jungs grüßen. Ein Nicken, versteckt, ganz schüchtern - ja, das gibts schonmal ab und zu - aber nur, wenn man selbst vorher gegrüßt hat. Hier, im Taunus, scheint es eine andere Einstellung der Rennradler zu Liegerad-Piloten zu geben. Ein Pluspunkt mehr, der mir die hiesigen Hessen umso sympathischer macht.


Wir gleiten - mittlerweile mit weniger bis keinem Regen bei wesentlich angenehmeren Temperaturen - durch Felder auf asphaltierten Radwegen. Hinter uns liegt im Nebel verhangen, dunkel drohend der düstere Feldberg. Er hat seinen Schrecken verloren.

Ich grinse ihn an: Mir machst du keine Angst mehr, Hügel. Dich habe ich bezwungen!

Gemächlich, selten schneller als 25 km/h, schlendern wir fast schon durch die seichten Hügel. Biegen mal hier mal dort ab und erfreuen uns am satten Gelb der Felder, dem Piepen der Vögel und der Sonne, die ab und zu dann doch mal durch die Wolken lugt.

Halt - wenn ich es mir recht überlege, bin es eigentlich nur ich, der sich an diesen Dingen erfreut. An dieser tollen Natur, der Aussicht und dem Geruch von feuchten Feldern. Denn ich merke, dass meine beiden Freunde gar kein Auge für diese Dinge zu haben scheinen: Sie fummeln sich die ganze Zeit zwischen ihren Beinen herum.

Tekkies, GPSler, Tüftler. Dauernd rufen sie sich Dinge zu wie: "Hier müsste es eigentlich wieder auf den Track gehen." oder "Was sagt denn Dein OSM hierzu?". Und nicht selten halten sie an, um dann schweigend nebeneinander zu parken - und drücken dabei auf ihren Navis herum.
Ich kann dazu freilich nichts beitragen - ich habe kein OSM. Weiß noch nicht einmal, was das ist.

Versteht mich nicht falsch, ich bin für Technik. Ich finde Navi super. Aber irgendwie wird es dann auch komisch, wenn 20 km vor uns aus der flachen Ebene die Superstadt Frankfurt mit ihren unübersehbaren Wolkenkratzern empor ragt - und die Jungs alle paar Kilometer ihre Fummelpausen brauchen, um den Track zu eben jenen riesigen Wolkenkratzern zu finden.

Sicher, sie finden auch immer ganz nette Radwege - aber mit der Strategie "Ich fahre einfach mal per Auge auf dieses 200 Meter hohe Haus zu - den Hauptbahnhof finde ich dann schon", wie ich sie angewandt hätte, wären wir sicher auch zum Ziel gekommen. Man ist ja nicht im Dschungel.

Aber es sei ihnen gegönnt - Live-Tracking, GPS und all der Spaß hat ja auch was. Denke ich mir, sonst würden sie die Geräte nicht mitschleppen.

Eine letzte Pause auf offener Flur eingelegt, noch einmal gepinkelt und den letzten Rest aus den Flaschen getrunken, so erreichen wir Frankfurt.

Nicht geschafft, nicht außer Atem, ohne Schmerzen in den Beinen: Eine ganz neue Erfahrung für mich. Aber dafür mit einer Menge Hunger im Bauch.

Den stillen wir in einem kleinen Bio-Restaurant, ich gönne mir handgebauten Mango-Strudel an Walnuss-Eis. Ein Geschmack, von dem ich auf der 7-stündigen Rückfahrt noch zehren werde, ehe ich gegen 23 Uhr endlich zu Hause ankomme, die Speedmachine parke, dusche, mich ins Bett plumpsen lasse und mir gewahr wird, dass in sieben Stunden mein lieber Wecker eine neue Arbeitswoche einläuten wird.

Und wisst Ihr was? Mich stört das nicht, denn obwohl ich fertig bin, geschafft, von insgesamt 16 Stunden Zugfahrt in den letzten 3 Tagen, ich kein bisschen ausschlafen konnte und 175 Kilometer gefahren bin, dabei den lokalen Ungeheuer-Berg im Taunus bezwungen und nur Stress hatte, fühle ich mich erholt.

So richtig schön erholt. Und dann nehme ich mir vor, mir noch mehr, noch mehr, noch mehr positiven Stress zu verschaffen. Schlafen kann ich auch im Altenheim noch genug.

Ein tolles Wochenende - endlich Mama & Papa Speedmachine kennen gelernt und eine schicke, kleine Tour gehabt. Großartig, dacht´s und dämmert weg.


NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.

08 Juli 2009

Open House bei HP Velotechnik

Deutschlands bester Fahrradhersteller und Schmiede der anerkannt besten Liegeräder unseres Landes aus dem hessischen Kriftel öffnet an diesem Samstag, 11. Juli ab 14 Uhr seine Pforten - Tag der Offenen Tür bei HP Velotechnik.

Testparcours der Liegeräder und Trikes, Treffen und Schnack mit Entwicklern und Fahrradbauern und seltene Einblicke in die Geburtsstätte von Grasshopper, Streetmachine, Scorpion und Speedmachine sind ebenso reizvoll, wie die Möglichkeit, diesen Tag mit einer kleinen Ausfahrt in den Taunus oder einer Tour entlang von Main oder Rhein zu verbinden.

Ich werde auch da sein und Vorträge halten. Portugal, Schweden & Kanada - vom Rookie zum Tourenspezi mit der Speedmachine. Neben Grundlagen und Einsteigerfragen gibts Geschichten und Stories meiner Touren und exklusiv die Fotos der Kanada-Tour.

Wir sehen uns?!


NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.

06 Juli 2009

The Vertical Limit

Hat zwar nicht so viel mit Liegeradfahren zu tun, oder doch? Am Wochenende besuchte ich die gute Mel im schönen Münsterland. Deutschlands Radfahrparadies - na, da haben wir ja schonmal
den Radl-Bezug ... und etdeckte etwas anderes, das Fun ohne Ende versprach ...

Ein Profi-Trampolin. Nachdem ich mir nun schon jahrelang mal so etwas gewünscht habe, es aber nie geklappt hat (Wann hat man auch schonmal Gelegenheit, in einem Zirkus aufzutreten?), betrete ich sofort die Manege und beginne. Mit glänzenden Augen, ethusiastisch wie ein Kind - und nichtsahnend ob der Implikationen, stürze ich mich in einen Salto nach dem anderen.


Und Leute - DAS WAR ECHTE SCHWERSTARBEIT! Von wegen leicht wie der Wind! Erst einmal in die Luft zu kommen, weit hoch zu fliegen ohne dabei nach außen getragen zu werden, geht richtig an die Substanz. Dagegen ist meine Volle-Pulle-Feierabendrunde auf dem Liegerad ein Spaziergang!

Richtig lustig wurde es dann aber, als ich mir zum Ziel setzte, meine Salti auch noch stehen zu wollen. Und nachdem ich es schaffte, etwa 50 Mal scheppernd genau auf meine Halswirbel zu krachen und meine Wirbelsäule eins ums andere Mal fies zu stauchen, waren meine Salti dann weniger die grazile Darbietung artistischer Hochgenüsse als vielmehr eine Modern-Theatre Performance mit dem Namen "Flug AF447 - The Dead & the Fallen."

Ich schaffte keine Einzigen. Es ist sauschwer. Es ist verdammt anstrengend. Es tut sauweh!

Heute, knapp 24 Stunden später, kann ich kaum die Speedmachine vorantreten. Ich spüre den Kater im Rücken, bei der viel zu schwach ausgeprägten Stützmuskulatur, er mauzt in den Leisten, den Schenkeln und den Waden, er schmerzt im Handgelenk (!) und macht selbst das Aufstehen vom Klo zur Qual.

Ganzkörpermuskelkater. Und zwar einer vom Feinsten! Da denke ich mir - eine Stunde täglich auf diesem Höllengerät und man müsste doch dermaßen gut in Form sein, dass man sich jede Mitgliedschaft im Fitnessclub schenken können dürfte?!?

Stöhnend erreiche ich nach unglaublich langer Kurbelarbeit mein Büro - ächzend werfe ich meine schmerzenden Glieder in den Stuhl und beschließe, mich heute 8 Stunden lang nicht zu bewegen.


NEU: Am 1. August geht er online, der neue Touren-Blog. Mit dem Liegerad 1.300 km auf dem Trans-Canada-Highway. Stay tuned.