02 Juni 2008

HH - Insel Fehmarn Tag 2 "Zeitreise"

Es ist erwiesen, dass beim längeren Ausüben eher monotoner Tätigkeiten, die wenig bewusste Denkkapazität erfordern, das menschliche Bewusstsein abdriftet. Und genau das erlebte ich wieder - auf der Rückfahrt.

Nachdem mich gegen 5 Uhr eine selbige innere und ein heftiges Frösteln weckte (14 Grad Nachttemperatur bei stetigem Meereswind sind dann doch nicht so kuschelig, wie angenommen) döste ich noch, mich wild hin- und herwälzend, als ich es gegen 6 nicht mehr aushielt und aufstand.

Großartig, an diesem schönen Ort vielleicht noch großartiger als sonst, stand sie da oben, die Sonne, und brannte den Reif vom feuchten Gras. Voller Tatendrang - allerdings mit sich widersetzenden Wadenmuskeln - packte ich das Zelt zusammen, wusch mich und sattelte die Maschine. Um 7 rollte ich vom Platz. Winkte den Opel-GTs, die noch schliefen, und hangelte mich durch duftende Kornfelder nach Burg. Dort hatte ein Bäcker schon offen, der mich mit einem herrlich heißen Pott Kaffee und zwei riesigen Schokocroissants verwöhnte.

Und dann ging es los. Ganz frech. Als alter Hase, sozusagen, bog ich auf die fette E-Straße zur Fehmarnsundbrücke ein und trat in die Pedale. Der Wind war heute mein mächtiger Verbündeter - schob er doch dermaßen, dass die maximalbeladene Speedmachine locker ihre 26 - 28 km/h Dauergeschwindigkeit erreichte. Was spitzenmäßig ist.

Über die Fehmarnsundbrücke schoss ich - kaum Verkehr, wo es gestern noch ein Auto am anderen klebend gar nicht erwarten konnte, in den Stau vor dem Fährhafen in Puttgarden zu kommen. Ich blieb auf der E-Straße bis Heiligenhafen, das ich etwa eineinhalb Stunden später erreichte. Ab hier wurde das ganze zur Autobahn - sowas musste jetzt nicht sein.

Im Prinzip folgte ich der gestrigen Route. Ich kannte mich ja nun aus.

Alles war im Flow. Fast wie in Trance schoss ich über den Asphalt. Es rollte. Die Sonne tat ihr übriges, denn unerbittlich glühte sie den Schweiß aus meinem Körper. Mehr als ein mal musste ich anhalten, tiefe Züge kalter Getränke zu mir nehmen.

An einer Tankstelle, ich lutschte gerade ein Magnum, standen etwas weiter ab zwei kleine Jungs so um die 10 Jahre. Sie beäugten das Liegerad, sichtlich fasziniert. Sie trauten sich aber nicht, näher zu kommen.
Und so aß ich auf, legte mich in den Sitz und klinkte einen Fuß ein. Da hörte ich den einen Jungen hinter mir: "Wollen wir hinterher fahren? Vielleicht können wir ihn einholen!"
Der andere, sichtlich echauffiert, wie man so etwas offensichtlich Dummes sagen kann, entgegnete: "Quatsch, LIEGERÄDER KANN MAN GAR NICHT EINHOLEN!"

Ich grinste und fuhr los.

Der Rest war pures Zen. Meditation auf der Straße. Die Psalme das ewige Klackern des Freilaufs, mein Amen jedes Einrasten eines höheren Ganges. Ich schraubte mich durch die Landschaft, genoss es, obwohl es immer schlimmer wurde: Die Hitze war mörderisch. Aber die Zeit schmolz, Landschaft flog vorbei, Minuten türmten sich zu Stunden, Berge kamen und gingen. Ich stand neben mir, sah mir zu, wie sich im Gleichtakt meine Schenkel hebten und senkten, jeder Meter verlangte einen Tropfen Schweiß als Opferwasser.

In Bad Oldesloe gab ich mich einer Literflasche eisgekültem Bonaqa hin, das ich mir kurzerhand über Gesicht und Körper goss. Pures Vergnügen.

Ich erreichte nach fast 7 Stunden Hamburg, war froh, wieder im Schatten sein zu können und über diesen erholsamen, tollen Trip an die Ostsee und fragte mich, wo die Zeit hin ist. (Sie steckte in meinen Waden, was ich aber erst Stunden später beim Einschlafen bemerkte, denn das Pulsieren des heißen Blutes in den Adern sollte mich wach halten.)

Gefahren: 139,27 km in 6 h 47 min und mit für ein schwer beladenes Rad tollen 20,48 km/h Schnitt.

Gesamte Tour: 275,97 km in 2 Etappen

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