29 Juni 2008

Die schönste Stadt der Welt ...

... wahrlich, das kann man schon mit Fug und Recht so sagen, die schönste Stadt der Welt ist Hamburg. Selbst wenn es stürmt und regnet, ist dieser Perle an der Elbe etwas wildromantisches abzugewinnen.
Umso herrlicher alles natürlich, wenn die Sonne scheint.
So wie heute.

In den Tag gestartet mit einem nicht so üppigen Frühstück, dafür ausgeschlafen bis 9 Uhr. Die Sonne stand bereits hoch oben, schon über 20 Grad im Schatten - wen es da noch im Bett hält (gilt nur für Singles), der hat einen Schaden.

Halb Hamburg war von THW-Leuten umstellt, die Polizei hatte ganze Stadtteile abgesperrt - Halbmarathon. Am Hafen stand ich eine Weile da und sah die Massen sich abmühen, wie sie schweißgebadet persönlichen Rekorden nachjagten, durchhalten wollten oder einfach nur "Dabeiseinistalles" machten. Als es mich auch endlich packte und ich wieder losfuhr. Richtung Blankenese, die Sonne im Rücken, den Wind im Gesicht.

Zunächst ein neuer Geschwindigkeitsrekordversuch auf der Palmaille - leider ob des neuerlichen Windes fehlgeschlagen. 60 km/h glatt. Aber die 70 schaffe ich auch noch, keine Sorge.

In Neumühlen auf die Fähre gerollt und drüben in Finkenwerder am Deich entlang, an Schiffstanklagern, Containerlagerkomplexen und allerlei bunten Industrieflächen vorbei. Als ich vor der Köhlbrandtbrücke stand - für Radfahrer leider gesperrt - kehrte ich um.

Neumühlen wieder an Land gegangen und an der Elbe entlang ging es zurück. Alster bei schönstem Wetter umrundet. Mittlerweile sah man nur noch vereinzelt Läufer traben. Meine Hochachtung, Jungs & Mädels - bei der Hitze sicher kein Spaß (ich habe ja wenigstens noch den Fahrtwind).

Beim Endspurt nach Hause wieder einen penetrant hupenden Radwegnazi-Rentner in seinem Sonntagsauto mit obszönen Fingergesten beleidigt um dann später glücklich, hungrig und um einige wundervolle Eindrücke dieser tollen Stadt bereichert wieder in den Keller zu rollen.

Gefahren: 55,2 km in 2 h 27 min und 22,5 km/h Schnitt.

Und heute Abend werden wir Europameister!

28 Juni 2008

Fastest human-powered Lars ever ...

Aber zunächst mal: Alles Gute, H.H., herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und großes Schade, dass ich nicht kommen konnte. Aber heute morgen sah es mies aus - fieser Sturm im Rücken, der noch fieseren Sprühregen vor sich herpeitschte. Die Hinfahrt nach Schwerin wäre kein Vergnügen gewesen - nass + kalt. Die Rückfahrt noch viel weniger - stürmisch + langsam.

Und so raffte ich mich wenigstens zu einer Ehrenrettungsrunde auf: 45 km durchs stürmische Hamburg. Und nachdem ich endlich warm war - gut getimed - stand ich oben, am Anfang der Palmaille.

Den Wind im Gesicht, aber das machte nichts. Ich trat in die Pedale. Kurbelte mich in weigen Umdrehungen in den höchsten Gang. Ein Blick in den Rückspiegel - kein Auto. Freie Bahn bis unten. Gut ein Kilometer steil bergab zum Museumshafen.

Wütend fauchend knallte der Wind in meinen Ohren. Die Schenkel überschlugen sich, trieben kraftvoll die Speedmachine an. Ich kauerte mich in meinen Sitz, wollte dem Wind so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten.

Das Tacho, es zeigte 55. Mehr, mehr, ich will mehr!

Fauchend mein Atem, Schläge aus Wind im Bauch, das Surren des Schaltwerks zum konstanten Dröhnen geworden, das Grau des Asphalts, der nur wenige Zentimeter unter mir wie Sandpapier vorbeiflog, es verschmolz zu einem einzigen Strom. Ich gab alles.

60 km/h. Palmaille zu Ende.

Fastest human-powered Lars ever! Ein tolles Gefühl. Sonne im Gesicht, Schweiß strömt unterm Helm, tropft auf die Augenlider, am Straßenrand bleiben Touristen stehen, glotzen, als flöge da Jan Ullrich heran, Kinderfinger verfolgen mich. Ich bin glücklich.
Sechzig Kilometer pro Stunde. Zwar bergab, aber ... trotzdem sauschnell.

Zurück nach Hause gings gemächlich. An der Alster entlang, halb Hamburg auf den Beinen. Letzter Sprint heim. Schöne Tour. Nicht zur Geburtstagsoma, aber dafür mit Geschwindigkeitsrausch.

Gefahren: 46 km

26 Juni 2008

Ein ganz neues Gefühl - und Deutschland ist im Finale!

Was für ein Wahnsinn! Über weite Strecken haarsträubend, aufregend allemal, dabei immer mitreißend, emotional aufwühlend und die ganze Konzentration abfordernd. Herrlich! Ein Wechselbad der Gefühle.

Und ein ganz neues Gefühl dazu - endlich da zu sein, mithalten zu können und das richtige Ergebnis zu haben.

Oh, ich rede nicht vom Deutschlandspiel gestern. Ich rede von dem ganz neuen Fahrgefühl auf der Speedmachine, jetzt, wo der Bike-Computer richtig eingestellt ist. Endlich die echten Geschwindigkeiten sehen, die wahren Distanzen ablesen, richtig gute Sprintzeiten zu notieren. So macht das Spaß.

Die selbe Strecke, jeden Morgen. Aber ab heute mit neuem Gefühl. Wie, als hätte man den Booster-Knopf entdeckt und gedrückt, einen neuen, bisher nie benutzten Gang im Getriebe gefunden. Herrlich, so abziehen zu können!

Gefahren: Agentur hin 10,25 km in sprintschnellen 21 min und 29 km/h Schnitt bei ebenerdigen (naja, ein bissel gings schon bergab, aber eben nur ein kli-kla-kleines Bissel) 52 km/h !

Achso: FINAAAAAAAALE! Yeah!

24 Juni 2008

Tadaaaaa: Überraschuuuuuuuung!

Tja, dank meiner überragenden Algebrafähigkeiten, fast schon an göttliche Eingebung grenzende Intuition und die Hilfe von Olli konnte ich mir heute morgen ein ganz großartiges Geschenk machen: Ich habe mich selbst überrascht.

Denn nachdem ich nun endlich meinen Bike-Computer richtig eingestellt hatte, konnte ich zum ersten mal seit mehreren tausend Kilometern meine echten Geschwindigkeitswerte und echte Distanzen ablesen.

Und somit stolz verkünden: Alle Zahlen aller Touren und Fahrten in allen Beiträgen sind falsch. Richtig nämlich wären die 1,2-fachen Kilometerangaben.

Und so bin ich anstelle 3.100 km nun schon fast 3.800 km gefahren. Mel, meine liebste Mel, zu Dir sind es mitnichten nur 630 km, es sind satte 760! Dirk, Blutsbrud, zu Euch ist Herkulars fantastische 240 km an einem einzigen Tag geflogen, möchte man schon fast meinen. Heike, gute Heike, Lars war deshalb so fertig, weil er nicht nur 110 km an diesem Tag, sondern weil er sich 132 km gegen den Wind stemmen musste ... und und und.

Toll. So kann man sich also selbst nochmal eine Überraschung bereiten. Und umso süßer die Erkenntnis, sich unter- anstelle überschätzt zu haben.

Was natürlich nun ein ganz neues Licht auf die Planung der kommenden Touren wirft ... yeah!

Und somit bleibt mir am Wochenende eigentlich nur noch die Auflösung der einen, dringenden Frage: Wo liegt denn nun meine wahre Höchstgeschwindigkeit?

Wir werden es sehen ... Samstag, High Noon, Palmaille Altona.

BANZAI!

23 Juni 2008

Mysteriös, mysteriös ...

... kommen mir langsam die Werte vor, die mein Bike-Computer liefert. Der Anlass: Ich finde mich morgens beim Sprint zur Arbeit im Verkehr den Autos geschwindigkeitsmäßig ebenbürtig wieder - das Gerät zeigt aber nur 40 km/h an.
Oder ich lese auf den Hinweisschildern "Buxtehude 20 km" und bin nach 15 km schon da.
Oder ich fahre wie ein besengter und komme doch nicht über 28 km/h heraus.

Das kann doch alles nicht stimmen?!?

Und klaro, fällt es einem Abitur Grundkurs-Absolventen sofort auch auf, wie kann das Gerät auch akurate Daten liefern, wenn der Radumfang, den man als Grundeinstellung dem Computer eingibt, ja im Grunde gar nicht mit dem Radumfang übereinstimmt, den der Taktgeber gibt? Folgendes Schaubild hierzu:
Also, der Taktgeber wird ja an einer Speiche am untersten Ende derselben befestigt. Nun gibt man im Computer den Radumfang ein, der sich, wie wir alle wissen, aus PI x 2r ermittelt.
Und hier die Frage: Gebe ich als r nun den Radius an, den ich von der Nabe exakt zum Taktgeber habe - oder den Umfang des Rades, also der äußersten Linie?

Bei meinem Radreifen, die dazu eine extrem dicke Felge haben, wären das mehr als satte 5-7 cm Unterschied, die dann den Umfang - wie hier dargestellt - erheblich verlängern und damit das Ergebnis der Anzeige beeinflussen würden.

Wie um alles in der Welt soll ich nun meinen BC einstellen?

Und was ist, wenn ich die ganze Zeit mit 50 km/h durch die Gegend splatattere und es nicht mitbekomme? Was, wenn die 650-Tour sich am Ende als 800 km-Tour heraus stellt?

Da muss es doch ein Rezept geben ... mysteriös, mysteriös ...

22 Juni 2008

Im Liegen ist es viel schöner, Helga!

Recht so. Doch bevor es zu diesem denkwürdigen Satz kam, mussten allerdings erst einmal einige Kilometer gekurbelt und einige Liter ausgedünstet werden.

Es begann beim frühstücklichen Blick aus dem Fenster - Sturm und Gewitter waren angesagt, Böen und blauer Himmel die Realität. Und da ich schon nicht nach Berlin fahren konnte, so wollte ich doch wenigstens einige Kilometer wettmachen.

Austrinken - Anziehen - Anfahren.

Pinneberg war schnell erreicht und mit diesem Hamburger Vorort auch die mithin schlechtesten Radwege. Aber das alles konnte mich nicht schrecken - wollte ich doch diesen Sonntag als weiteren Test für meine anstehende Portugal-Tour nutzen. Denn Hitze, starke Winde und fiese Straßen sind das, was mich aller Wahrscheinlichkeit nach in 3 Wochen dort erwarten wird.

Beständig unter Spannung spulten meine Muskeln das Programm ab - sie traten und zogen kraftvoll an den Kurbeln, sorgten in ihrem präzisen Gleichklang für vorzüglichen Vortrieb trotz teils heftiger Gegenwinde.

Ich genoss die Sonne, die Gerüche, die sich abwechselnd mal würzig wegen der Kiefern am Wegesrand und mal salzig ob der Elbnähe präsentierten. Viele Familien genossen das Wetter ebenso wie ich, der Verkehr überraschend dünn - mir sollte es recht sein.

In Wedel dann, ich hielt an einer Ampel, näherte sich von links ein Liegerad. Der Mann winkte, ich winkte zurück und mit einem freundlichen "Moin, moin" schoss er an mir vorbei, gefolgt von (s)einer Dame auf einem Upright.
Grün - ich fuhr los. Und dachte mir an der nächsten Kreuzung, dass es doch mal ganz nett wäre, eine Runde mit dem Herrn Recumbentfahrer zu schnacken. Also rechts abbiegen - einholen war angesagt.

So jagte ich durchs verkehrsberuhigte Wedel und versuchte den Weg des anderen zu antizipieren. Ich dachte mir, entweder fährt er nach Hamburg oder er kommt von Hamburg und fährt nördlich den Elbe-Radweg entlang. Doch ich fand ihn nicht.

Da stand ich nun wieder an einer roten Ampel, die Sonne brannte auf schweiß-salziger Haut, als neben mir das charakteristische Surren einer Shimano-Schaltung zum Stehen kam: Der Herr Recumbentfahrer. Er hatte mich gefunden.
Wir begrüßten uns, ich wollte etwas sagen, als er mir zuvor kam, auf meine Speedmachine deutete, seinen Kopf in den Nacken legte und zu der Dame, die hinter ihm wartete, sagte: "Siehste, im Liegen ists viel schöner, Helga!"

Sie winkte nur ab. Und drehte, peinlich berührt und genervt, ihren Kopf weg.
Ich musste grinsen - es hat doch was für sich, Single zu sein.

Wir grüßten zum Abschied, ich trat in die Kubeln und schnell waren der Mann auf seinem Jan Cordes-Kurzlieger und Lady Upright im Rückspiegel nicht mehr zu erkennen.

Weiter gings durchs idyllische Blankenese, wobei ich mich fälschlicherweise für den unbequemsten Weg entschied: 1 km Schiebestrecke. Das nervte, zwischen all den Touristen gehen zu müssen, die ständig stehen bleiben, völlig sinnlos die Gehwegseiten wechseln und all die unlogischen Dinge tun, die man eigentlich nicht tut.



Aber dafür genoss ich den Ausblick auf die vielen schönen kleinen Kapitänshäuschen, den Hafen und den wundervollen Elbstrand.

Beim Museumshafen gings dann endlich wieder aufs Rad. Gas geben am Elbufer, wo sich die Angler aufreihten und die Ebbe ausnutzten. Hier fand ich auch die einzige freilebende Feige Hamburgs wieder (was allerdings zu beweisen wäre), eine Entdeckung, die dereinst Anna Laura tätigte. Vóila: Dieses Bild ist nur für Dich:

Weiter am Fischmarkt vorbei, hoch zur Alster und wieder Heim.

Alles in allem eine mittellange Strecke, vorbei an den wesentlichen Sehenwürdigkeiten Hamburgs, sich durch Wald, durch Felder und Wohnghettos windend, flach mit wenig steigungen - eben eine Sonntagsstrecke, die einfach nur Spaß macht.

Und wieder mal die Bestätigung, dass eine Konstante im Verkehr unstrittig Beständigkeit hat: Im Liegen ist es einfach schöner. Vielleicht kommt Helga ja auch noch dahinter.

Gefahren: 51,7 km in 2 h 34 min und schnuffeligen 20 km/h Schnitt

21 Juni 2008

Harte Jungs und Hamburger Muttersöhnchen

Stürmisch weht es dicke weiße Quellwolken über die Stadt. Und stürmisch knallen blank geputzte Maschinen mit ihren Harley-Kerlen durch die Straßen. Die Sonne blitzt auf, wenn sie von den Spiegelbrillen der harten Jungs zurückgeworfen wird - und mittendrinn surre ich durch das Gewusel aus Testosteron.

Wie passend.

Da ich ja nun leider nicht nach Berlin fahren konnte (Na, wäre ich mal, das Wetter ist herrlich, danke, Wetter24.com!), wollte ich wenigstens ein paar Kilometer zur Buße abspulen. Und was liegt da näher, als ganz lässig zum Heiligengeistfeld zu fahren, wo die schweren Maschinen, schick gemacht für die Gunst der Juroren, um die der ordinären Besucher buhlen?

Mal hier geschaut, mal da geguckt, an den Ampeln das milde Lächeln der Lederkerle geerntet, die Reeperbahn im Korso (leider kein Foto machen können! Mist!) entlang geschossen, über Hafen und Alster dann wieder zurück nach Niendorf gegurkt.

Zwischenhalt bei Aral, ein eisgekühltes isotonisches Getränk sollte es sein. Vor mir in der Schlange eine wunderschöne Frau in ihren 40ern - top gepflegte Haare, Armani-Jeans, die unvermeidlichen Perlenohrringe und teure Blahniks. Draußen parkt der Chayenne in weiß - klaro. Neben ihr steht der Sohn - wahrscheinlich Stolz eines alt eingesessenen Hamburger Ruderclubs - riesengroß ist er, ebenso teuer angezogen, gegelte Haare, teures Schuhwerk und Hemd. Aspirant auf einen Vorstandsposten in Dads Unternehmen, man kann mit 22 Jahren ja schonmal üben.

Mama war sauer. Und faltete ihn, während sie die PIN ihrer Gold-Member-Card eingab, verbal zusammen. Schimpfte und schimpfte. Und je mehr der kassierende Tankstellenmann und ich grinsen mussten, desto mehr vergrub sich Muttersöhnchen in den steifen Kragen seines 200 €-Hemds, versteckt sich hinter den eingestickten Initialien.
Als sie den Kassierer dann noch mit "Oder habe ich Unrecht?" ansprach und der in türkisch-deutsch dem Jungen riet "Mama haben immer Recht!" war es geschehen.

Der Stolz der Jungen Union-Eppendorf verkrümelte sich gesenkten Hauptes. Mama stiefelte sexy - aber wütend - hinterher.

Nettes Kontrastprogramm - Harte Biker, weiche Buben und eine kleine Spritztour durch ein wunderschönes, sonniges Hamburg.

Gefahren: 27,38 km in 1 h 22 min und schnuffeligen 20 km/h Schnitt

19 Juni 2008

In Worten: Dreitausend.

Leider hat mir heute das Wetter einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht - nix mit Berlin. Dafür dann hoffentlich nächste Woche. Vielleicht ergibt sich am Wochenende eine kleinere Tour an die Nordsee Richtung Cuxhaven. Wir wollen mal sehen.

Unter eine ganz andere Rechnung kann ich jedenfalls ein nicht minder dicken Strich ziehen: Mein 3.000ter Kilometer auf der Speedmachine.

Heute war es soweit.

Komisch ist, dass ich mich noch ganz gut an das tolle Glücksgefühl des 1.000ten Kilometers erinnern kann. Es war auf der Fahrt nach Coesfeld, irgendwo bei Nienburg an der Weser, ich starrte gebannt auf die Kilometeranzeige. Und als diese dann endlich umgesprungen war, grinste ich stolz in einen dichten Laubwald und ein paar Vögel zwitscherten mir anerkennend entgegen. Der 2.000te ging dann aber irgendwie an mir vorbei. Umso schöner heute, als ich enttäuscht die Berlin-Pläne sausen lassen musste, aber sogleich erfreut sein konnte.

3.000 Kilometer in viereinhalb Monaten - das sind 666 Kilometer pro Monat. Uiui.

18 Juni 2008

Weg mit dem braunen Sumpf!

Es war 1936. Die Nazis hatten Deutschland im Würgegriff und nutzten Olympia, um sich bei der Welt einzuschleimen. Damals entstand folgender Gesetzestext:

„Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Presserklärung des Reichsverkehrsministeriums zur Einführung der allgemeinen Radwegebenutzungspflicht in der RStVO vom 1. Okt. 1934) WIKIPEDIA

Es ist 2008, Nazis gibt es zum Glück nur noch wenige (und die haben keine Macht, Ätsch!) und wir müssen uns nicht in der Welt einschleimen. Die Radwegebenutzungspflicht gibt es immer noch.

Und jeden Morgen das selbe: Wohngebiet Niendorf, schicke Einfamilienhäuser, getrimmte Vorgärten und gediegene Eisentore mit automatischem Öffnungsmechanismus. Deutsche Gemütlichkeit. In Beige gefliesten Küchen wird Buttertoast gegessen, Männer fahren zur Arbeit in ihre Reedereien, Mütter bringen die Kinder zur Schule und die Sonne kitzelt einen leichten Niesreflex hervor.

Gediegen. Hamburg halt.

Mit flotten 28 km/h ziehe ich leise surrend durch die deutsche Gemütlichkeit. Und jedes mal werde ich von einem silbernen Honda überholt. "HH-CG" habe ich bisher gerlernt. Der Honda kommt heran, schließt auf - und hupt.

Dann zieht er davon, bis ich zehn Sekunden später wieder neben ihm stehe, Ampelrot. Er würdigt mich keines Blickes. Natürlich.
Aber jeden Morgen muss er mich anhupen, der Reichsstraßenverkehrsordnung genüge tun - schließlich darf ein Radfahrer nicht die heilige Fahrbahn der Automobile benutzen.

Da habe ich ihn nun also, meinen ganz persönlichen Radweg-Nazi.

Gestern hatte ich ihn dann auch auf dem Heimweg. Und vor lauter Frust gab er schon 250 m hinter mir Signal. Er hupte sich all den Stress seines Jobs vom Leibe, trat extra noch einmal aufs Gas um mich nach besonders knappem Überholen gleich wieder an einer roten Ampel auszubremsen. Ich grinste, wie immer.

Armer Autofahrer, denke ich immer, das kostet alles Lebenszeit, erhöht dein Herzinfakrt-Risiko.

Er biegt ein zur Shell-Tanke. Ich auch. Ich halte neben ihm, lächle ihn freundlich an und frage, warum er jeden Morgen die Niendorfer Anwohner mit einem Hupkonzert belästigt.
Er rastet aus.
"Sie müssen auf den Radweg!" faucht es mir feucht entgegen.
Ich weise ihn freundlich darauf hin, dass die Radwegbenutzungspflicht nur bei zumutbaren Wegen gilt und ich den unseren hier für nicht zumutbar halte.
"Das haben Sie nicht zu entscheiden!" faucht es weiter.
"Das kann ich genauso entscheiden wie Sie, ob Sie überholen oder nicht." lächle ich ihn weiter an.
Es wird immer aggressiver.
"Ich ... ich hole die Polizei und ... und dann erklären die Ihnen das mal!"
Ich muss nun auflachen. Nicht gut - er spuckt nun beim Fauchen.
Verhaspelt sich.

Als ich - grinsend - losfahren und ihn stehen lassen will in seinem silbrigen Feierabend-Honda ruft er mir noch ein verhaspeltes "... und Sie haben die PLFICHT auf der Straße zu fahren ... ähh ... dem Rad- ... Radweg!" hinterher. Tankende schütteln ihren Kopf.

Ich winke ihm zum Abschied und sehe im Rückspiegel, wie er frustriert seinen Schlauch in das Tankloch schiebt.

Warum sind in Deutschland alle Autofahrer sofort in ihrer Männlichkeit gestört, wenn sie ein Rad überholen müssen? Oder frustriert es sie, dass ich keine 1,50 € pro Liter zahle und trotzdem an der Ampel wieder neben ihnen stehe?

Hupt euch meinetwegen taub, ihr Autofahrer, hupt Euch das "auf den Radweg mit Dir!" aus der Seele, schneidet mich, brüllt mich an und beleidigt mich - ich werde weiterhin auf UNSERER Fahrbahn fahren!

Und wegen Euch Radweg-Nazis mache ich mir meine teuren Felgen nicht auf unseren schlechten Radwegen kaputt, fahre nicht Hindernis-Parcours um parkende Autos herum, lasse mir nicht von unsicher fahrenden Kindern ins Vorderrad einbiegen und schlurfe auch nicht mit 8 km/h im Radweg-Stau, weil ganz vorn zwei Muttis nach dem Lidl-Besuch nicht schneller können.

Eine Speedmachine gehört auf die Straße. Und keiner hat gesagt, dass wir alle verpflichtet sind einem Autofahrer möglichst bremsfreie Bahn zu ermöglichen.

Es wird endlich Zeit, dass dieses unsinnige Gesetz wegkommt - oder baut vernünftige, breite und sichere Radwege.

Und immer lächeln, Jungs.

Gefahren: Agentur zurück, 8,47 km in 23 min und 22 km/h Schnitt

12 Juni 2008

Speedmachine - Kroatien 2:0

Es ist nach dem enttäuschenden Spiel. 20:30 Uhr - die Spieler ziehen ihre Trikots aus.

Frust in Deutschland, Stirnrunzeln ob der Niederlage in Klagenfurt. Ich schiebe die Klagen fort, ziehe mir mein Trikot am und steige auf die Speedmachine.

Abreagieren. Reintreten. In den Verkehr grätschen: Auf zur Airportrunde bei Sturm.

Die Sonne geht prachtvoll unter, versinkt in ihrem eigenen Orange, blendet und taucht den Westen in Blut. Selbiges pumpt heiß durch die Adern, Schweiß rinnt.

Ich fliege durch leer gefegte Siedlungen. Autos mit schlaffen Deutschlandflaggen parken bewegungslos am Straßenrand - ihre Herrchen ertrinken Frust im karierten Fernsehsessel der gepflegten Stube. Neben mir auf den Fahrbahnen fliegen agil die stolzen Flaggen Portugals, Polens und der Türkei vorbei.

Und eine Kroatische. Hupkonzert von drei Jungs. Sie fahren allein - dafür aber stolz, dass es für einen ganzen Korso gereicht hätte.

Sie überholen mich schneidend. Knapp. Routine halt. Fahren brausend und hupend davon.
Ich verliere sie aus den Augen, aber hinter einer Kurve stehen sie an der Ampel. Ich hole sie ein - fahre langsam an ihnen vorbei.

1:0 für die Speedmachine.

Grün. Lostreten. Kurzer Sprint über die Brücke die über die Stadtautobahn und zum Airport führt - sie überholen mich wieder. Weit vorn schert ein Bus schwerfällig aus und begibt sich behäbig in einen engen Kreisverkehr. Alles bremst.
Außer ich. Überhole wieder alle Flaggen. Auch das kroatische Schachbrett am Opel. Und schieße davon.

2:0 Speedmachine - Kroatien.

Hinterm Airport hupt mich einer an und winkt.
Niederländisches Kennzeichen.
Er freut sich - ich mich auch und winke zurück.
Bin ja auch vollkommen orange heute.

Go, Oranje!

Gefahren: 13,84 km in 35 min und stürmischen 23,6 km/h Schnitt.

10 Juni 2008

Deutsche Bahn sucks!

Ich wollte nach Garmisch. Zugspitze, Hochland. Vier Tage lang am Fuße des mächtigen Massivs zelten, Alpenpässe fahren, schweißnass stundenlang harte Aufstiege hochknüppeln und rasante Serpentinen mit Höchstgeschwindigkeit nehmen.
Ein Hardcore-Weekend.
Zwei Tage Urlaub und ein paar hundert Euro wäre mir der Spaß wert gewesen.

Geplante Anreise mit der Bahn. Und das war der Fehler.

Als Einstimmung aber kurz dieser Witz, den man auf der Website der Bahn lesen kann:
Mit der Bahn reisen Sie umweltfreundlich. Mit dem Fahrrad auch. Was liegt da näher, als beides zu verbinden. Ob Fahrradausflug oder Mobilität am Zielort, die Bahn bietet Radlern viele Möglichkeiten.

Schön, dachte ich, und marschierte guter Dinge ins Reise-Zentrum. Und als ich dann nach nur 40 Minuten Schlangestehen auch an der Reihe war und dem Herrn am PC meinen Wunsch auftrug, entsponn sich folgendes Gespräch, das ich allen Theaterfreunden gern ungekürzt darbiete:

Die Rollen in diesem Schauspiel:
Ich - Kunde, zahlungswillig, am Planen meines Urlaubs.
Er - Dienstleister, der von "Ich" finanziert wird, sollte beim Planen des Urlaubs helfen.

Erster Akt: "Naiv"

Ich "Guten Tag, ich möchte gern mit dem Fahrrad nach Garmisch-Partenkirchen."
Er (schaut und grient blöde): "Was wollen Sie dann bei mir?"
Ich "Ja, schon im Zug ...?!"
Er: "Na, so wird schon mal ein Schuh draus." (dummes Kichern)

Hier, als kleines Intermezzo mit einem weiteren Lese-Witz von www.bahn.de:
Einladen, einsteigen, losfahren und dort aussteigen, wo die Radtour beginnt!

Zweiter Akt: "Hoffnung"

Ich: "Ja, also im Nachtzug am 20. Juni ab Hamburg wäre ideal ..."
Er (gibt die Daten in den Rechner ein): "Oh-oh."
Ich: "Hab schon gehört, dass das nicht so einfach gehen soll bei der Deutschen Bahn."
Er (starrt auf den Monitor): "Ui-ui"
Ich: "Für die Rückfahrt am Montag - da wäre ich auch vollkommen flexibel ..."
Er: "Tse-tse" (jedes mal Schnaufen und Augen verdrehen, dabei stirnrunzelnd auf den Bildschirm schauen und ein DIN-A4-Blatt nach dem anderen aus dem Drucker nehmen, diese kurz anschauen und wegtun)

Und wieder von der bahn.de:
Auch in der Gruppe lässt es sich mit Bahn&Bike gut reisen.
Nahverkehr: Mehr als sechs Fahrräder bitte vorher anmelden!


Dritter Akt: "Aufgabe"

Er: "Also, ich habe hier ein Angebot, passt auch super mit den Zeiten und kostet im Sparpreis mit Ihrer Bahncard nur 138 Euro."
Ich: "Aha. Cool. Und das Fahrrad dann pro Strecke 9 Euro?"
Er (ertappt, tippt noch einmal das Fahrrad ein): "Fahrrad darf nicht mit - ausgebucht."
Ich: "Und eine Woche später?"
Er (tippt): "Sieht gut aus - da wären wir dann bei 88 Euro hin und zurück."
Ich: "Ja, und das Fahrrad?"
Er: "Achso. Sorry. (...) Auch ausgebucht."
Ich:" ... ?!?#*&%"
Er: "Fahren Sie doch nach Dänemark. Ab Hamburg fährt ein Zug der dänischen Staatsbahn - da gibts nie Probleme mit Fahrrädern."

Und für sone Kacke ist nun eine Mittagspause draufgegangen.

Ich werde jetzt zu meinen Eltern nach Berlin fahren. Leider ohne Alpenpässe und Zugspitzen-Panorama, dafür aber auch ohne Bahn-Stress. Und mit der Genugtuung, diesem Unternehmen für solche schlechten Theaterstücke nichts von meinem Geld gegeben zu haben.

06 Juni 2008

Räder - Rüpel - Sensationen!

Heute ist er gefallen, der Zur-Arbeit-fahr-Rekord. Meine bisherige Bestmarke von 20 min 54 sek ist um eine ganze halbe Minute gepurzelt: Grüner Welle und rüpelhaftem Lückenspringen sei Dank.



20 min 12 sek für die 8,5 km - in sensationellen 25,5 km/h Morgenrushhourdurchschnitt.

Allez allez!

02 Juni 2008

HH - Insel Fehmarn Tag 1 "Welcome to the Church of Bike"

... aber zu erst war Aufstehen angesagt. Nun hatte ich mir schon mitleidsvoll eine Stunde mehr gegeben als sonst, denn die 3-Uhr-Weckaktion vom letzten Mal hatte mich für meinen Geschmack dann doch etwas zu brutal aus süßen Träumen gerissen. Zu stressig war die Woche gewesen und zu wohlverdient ein langer Schlaf. Nein, um drei ist unmenschlich, das sehe ich nun ein.

Der Wecker klingelte um vier.

Um sechs, pünktlich eine Stunde zu spät, stand sie dann vor mir, die schwer beladene Speedmachine, ready to to go. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, die Temperaturen stiegen spürbar, fast hätte man die Plusgrade laut mitzählen können.

Dieses Mal der ultimative Test für meinen großen Trip nach Portugal: Ich sollte heute in keinem sauberen Bett in einer schnieken Pension schlafen, denn ich führte mein Haus mit. Zelt, Schlafsack & das ganze Pipapo, das man so zum Zelten braucht.

Mein Ziel: Ein Campingplatz am Ostufer der laut Google 150 km entfernten Insel Fehmarn, Sprungbrett nach Dänemark und sonnenreichste Insel unseres schönen Landes.

Auf gings.

Mittlerweile war die Sonne am lupenreinen Blau des Sommerhimmels empor gekraxelt, die Sonnenbrille und entsprechende Milch mit UVA-Filter und Faktor 30 schützten mich. Bei jedem Atemzug sog ich den typischen Geruch dieser Creme ein und - vielleicht machen die das mit Absicht - fühlte mich sofort in Urlaubsstimmung. Das werde ich mir denn dann auch merken für die Wintermonate, wenn es kalt, dunkel und deprimierend ist: Einfach ein bisschen Sonnenmilch auftragen und Standfotos angucken, der Rest kommt ganz autosuggestiv von selbst.

Ich fuhr gegen einen östlichen Wind an (der selbe, der mir schon die Pellworm-Tour teilweise zur Hölle gemacht hat), aber diesmal wehte er von der Seite, was nervte, aber nicht wirklich bremste.

Bad Oldesloe war schnell erreicht, Ahrensbök ebenfalls und nach einigen Bergen und schicken Abfahrten rollte ich in Oldenburg i.H. ein. Hier grummelte mein Magen derart, dass ich mir an der Tanke zwei Mayonnaise-Massaker kaufte (Ei + Thunfisch-Sandwiches) und mich an einen kleinen Fluss zur Pause bettete.

Da erschien er mir - der Heiland. Er hatte sich angeschlichen, stand plötzlich hinter mir. Oder hatte er sich einfach so aus dem Nichts materialisiert?
"Ist ja richtig Quality ..." meinte er.
Ich drehte mich um, einen unzerkauten Thunfisch im Mund. Er stützte sich auf ein altes Fahrrad, hatte einen riesigen Bauch auf dem ein blaues, fleckiges T-Shirt spannte. Seine Haare waren lang wie die Yoko-Onos, allerdings anders als ihre durchzogen von weißen Strähnen. Ein Bart ziehrte sein Gesicht, einer der wilden Sorte.
Er bückte sich und schaute auf mein Kettenblatt: "Aha, mmh, ordentliche Schaltung hatter auch, ich erkenne das!"
Ich nickte.
Adieu, ruhige Pause am Flussufer, urteilte ich vorschnell.
Der Mann hatte einen Fahrrad-Mantel um den Hals.
"Früher, als ich noch 25 Kilo weniger hatte, bin ich jeden Tag 70 km gefahren." sagte er und grinste.
"Ich fahre nach Fehmarn." meinte ich.
Aber das interessierte Jesus nicht. Er hatte meine Lampe entdeckt.
"Ist die mit LEDs?" fragte er.
"Nee, eine Normale, denke ich."
"Meine hier ist mit LED, Standlicht und macht vierzig Lux, der Vogel." schnackte der Heiland in reinstem Norddeutsch weiter.

Es stellte sich heraus, dass der Mann richtig Ahnung von Fahrrädern hatte. Er erzählte von Touren mit 220 km Tagesleistung, von 3-Gang-Schaltungen kurz nach dem Krieg, von seinem Kumpel, "einem ziemlich bekannten, norddeutschen Turner", der sich durch Übermut die Knie zerstört hatte und präsentierte voller Stolz sein Fahrrad, das ich vorhin noch als Schrott bezeichnet hätte.

"Den Rahmen hab ich von ALDI," begann er und schlug auf den Mittelholm, "wollte schauen, wie lange die Scheiße hält, aber nun fahre ich 2 Jahre und der Kahn geht nicht kaputt! Den Lenker hab ich angebaut, ich mag dieses Verstellorgien nicht, ordentliche Griffhörner, patente Bremsen und diesen alten Ledersattel hier, nicht so´n Gel-Quatsch." Dann zog er seinen Computer ab und zeigte ihn mir: 22.000 km stand da.

Ich verneigte mich vor Velo Christus. Und musste dann aber auch los - der Thunfisch schwamm in meinem Magen.

Ich hätte gern noch ein Foto gemacht, aber man darf sich ja kein Bild von seinem Herrn machen. Allseits Gute Fahrt, Heiland der Zweiräder, gesegnet sei dein Schlauch!

Satt war ich. Und gut drauf. Weiter gings in Richtig Neustadt, dann ein Schwenker nach Norden - Puttgarden auf Fehmarn stand nun auch schon auf den Verkehrsschildern. Mal fuhr ich B-Straße, mal kleine verträumte Landstraßen, die sich durch grüne Kornfelder windeten.

Kurz vor Heiligenhafen, die Ostsee schon im Blick, hielt ich kurz an. Eine Trinkflasche war leer und ich wollte die volle aus den Tiefen meines Gepäcks pellen. Ich kniete so in der Sonne, Dampf flimmerte über dem Asphalt und die Ostsee-Brise vermochte kaum für Erfrischung sorgen.
Als es knallte.
Wieder und wieder.
In unmittelbarer Nähe.
Das waren keine Jäger. Was schon gruselig genug gewesen wäre: Das war Maschinengewehrfeuer! Salve um Salve knatterte davon. Kaum 200 m entfernt war da dann wohl ein Schießplatz. Das gruselige an der Sache war, dass auf jede Salve, die unmittelbar neben mir abgegeben wurde, jemand weiter weg, leiser, aber unmissverständlich, antwortete.

Ich füllte schnell um und hoffte, dass ich da in kein Duell oder irgendeine neue und praxisnahe Ausbildungsform der Bundeswehr geraten war.

In Heiligenhafen schoss ich am Kai vorbei, wo die weißen Millionärsboote lagen, erklomm einen kleinen Berg und hatte die Fehmarnsundbrücke im Blick. E-Straße. Kein Radweg. Nur ein Seitenstreifen. Autos, so schnell wie auf der Autobahn. Darf ich hier fahren?

No Chance - über die Brücke gab es nur einen Weg - die Straße. Unverständlich, warum hier nicht für Tagestouristen ein Radweg eingerichtet wurde! Also ordnete ich mich in fließendem Verkehr ein und schoss auf die Brücke zu. Eines ums andere Mal zuckten Autos vorbei. Aber der Streifen war breit und das Speedlimit bei 80. Kein Problem also.

Mitten auf der Brücke erfasste mich ein starker Seitenwind, bremste mich ab. Harte Arbeit folgte.

Dann ein schön bunter Anblick, den man selten hat: Wie an einer Perlenkette aufgereit kamen mir röhrend an die 20 Opel-GTs entgegen - tiefe Sportwagen aus den 70ern, fast wie kleine unausgewachsene Corvettes. Sportwagen-Tennager sozusagen. Wundervolles Fahrtwetter, dachte ich, vor allem im Cabrio. Aber ich hatte es ja auch gut, liegend in meinem fahrenden Fernsehsessel. Allerdings schmerzten langsam die Beine, Zeit, endlich anzukommen.

Fehmarn war bald erreicht, bei Burg von der E-Straße und die letzte Stunde zum Ostufer geradelt. Da war er nun: Mein Zeltplatz, ich sah mich schon am Strand. Freuet mich. Dies unerträgliche Hitze bald abkühlen zu können.

Direkt an einem steil abfallenden Uferteil gelegen, das Rauschen des Meeres stetig im Ohr. Ich suchte eine böschungsgeschützte Stelle und stellte mein Zelt auf. Allenthalben kamen freundliche Leute vorbei, denen ich mich vorstellte. Man grinste sich an, sagte Hallo und war miteinander Freund.

Als mein Haus endlich stand, packte ich mich auf die faule Haut und genoss etwas die Sonne.

Sofort setzte Urlaubsstimmung ein. Ich war angekommen. Es roch nach damals, als ich mit Mutti und Vati an der Ostsee war. Als Urlaub war. Als alles perfekt war. Und nun saß ich da, zwischen Bully-Fahrern, Dauercampern und einer Abi-Klasse im Riesenarmeezelt.

Ich unternahm einen Spaziergang am Meer. Blickte hinaus und freute mich, schaute feucht glitzernde Strandsteine an und wandelte über die Gebeine von Millionen Muscheln. Die Fähren rüber nach Rodby in Dänemark glänzten weiß am Horizont, ebenso wie die Insel Lolland. Der Wind kühlte, es roch salzig nach Seetang. Und verzückt im wilden Wind segelnde Möwen kreischten ihr nordisches Lied.

Perfekt. Perfekt, freute ich mich in mich hinein.

Als ich zurück kam und mich für das Abendessen fertig machen wollte, knatterten dumpf brummend eben jene Sportwagen auf die Zeltwiesedie ich noch vorhin auf der Fehmarnsundbrücke gesehen hatte. Zufälle gibts ... Einer der Opel-Gang erkannte mich sogar und kam zu einem Schnack rüber. Es war der, dessen Lackierung genau der Farbe meiner Speedmachine entsprach: RAL 3011.

Und so schaute ich in der Zeltplatzkneipe dem 2:1 der deutschen Nationalmannschaft zu, kaute auf einem Schnitzel herum und schnackte mit einem schwedischen Camper auf Denglisch, was die EM so bringen wird.

Beim Schlag der Wellen und fernen Beats der feiernden Abiturienten träumte ich mich im Schlafsack meines Zeltes dann in die Nacht ... hinüber ins Morgen, wenn die Rückfahrt anstehen sollte.

Gefahren: 136,7 km in 7 h und 19,3 km/h Schnitt


Den Post des nächsten Tages gibt es im Archiv ->

HH - Insel Fehmarn Tag 2 "Zeitreise"

Es ist erwiesen, dass beim längeren Ausüben eher monotoner Tätigkeiten, die wenig bewusste Denkkapazität erfordern, das menschliche Bewusstsein abdriftet. Und genau das erlebte ich wieder - auf der Rückfahrt.

Nachdem mich gegen 5 Uhr eine selbige innere und ein heftiges Frösteln weckte (14 Grad Nachttemperatur bei stetigem Meereswind sind dann doch nicht so kuschelig, wie angenommen) döste ich noch, mich wild hin- und herwälzend, als ich es gegen 6 nicht mehr aushielt und aufstand.

Großartig, an diesem schönen Ort vielleicht noch großartiger als sonst, stand sie da oben, die Sonne, und brannte den Reif vom feuchten Gras. Voller Tatendrang - allerdings mit sich widersetzenden Wadenmuskeln - packte ich das Zelt zusammen, wusch mich und sattelte die Maschine. Um 7 rollte ich vom Platz. Winkte den Opel-GTs, die noch schliefen, und hangelte mich durch duftende Kornfelder nach Burg. Dort hatte ein Bäcker schon offen, der mich mit einem herrlich heißen Pott Kaffee und zwei riesigen Schokocroissants verwöhnte.

Und dann ging es los. Ganz frech. Als alter Hase, sozusagen, bog ich auf die fette E-Straße zur Fehmarnsundbrücke ein und trat in die Pedale. Der Wind war heute mein mächtiger Verbündeter - schob er doch dermaßen, dass die maximalbeladene Speedmachine locker ihre 26 - 28 km/h Dauergeschwindigkeit erreichte. Was spitzenmäßig ist.

Über die Fehmarnsundbrücke schoss ich - kaum Verkehr, wo es gestern noch ein Auto am anderen klebend gar nicht erwarten konnte, in den Stau vor dem Fährhafen in Puttgarden zu kommen. Ich blieb auf der E-Straße bis Heiligenhafen, das ich etwa eineinhalb Stunden später erreichte. Ab hier wurde das ganze zur Autobahn - sowas musste jetzt nicht sein.

Im Prinzip folgte ich der gestrigen Route. Ich kannte mich ja nun aus.

Alles war im Flow. Fast wie in Trance schoss ich über den Asphalt. Es rollte. Die Sonne tat ihr übriges, denn unerbittlich glühte sie den Schweiß aus meinem Körper. Mehr als ein mal musste ich anhalten, tiefe Züge kalter Getränke zu mir nehmen.

An einer Tankstelle, ich lutschte gerade ein Magnum, standen etwas weiter ab zwei kleine Jungs so um die 10 Jahre. Sie beäugten das Liegerad, sichtlich fasziniert. Sie trauten sich aber nicht, näher zu kommen.
Und so aß ich auf, legte mich in den Sitz und klinkte einen Fuß ein. Da hörte ich den einen Jungen hinter mir: "Wollen wir hinterher fahren? Vielleicht können wir ihn einholen!"
Der andere, sichtlich echauffiert, wie man so etwas offensichtlich Dummes sagen kann, entgegnete: "Quatsch, LIEGERÄDER KANN MAN GAR NICHT EINHOLEN!"

Ich grinste und fuhr los.

Der Rest war pures Zen. Meditation auf der Straße. Die Psalme das ewige Klackern des Freilaufs, mein Amen jedes Einrasten eines höheren Ganges. Ich schraubte mich durch die Landschaft, genoss es, obwohl es immer schlimmer wurde: Die Hitze war mörderisch. Aber die Zeit schmolz, Landschaft flog vorbei, Minuten türmten sich zu Stunden, Berge kamen und gingen. Ich stand neben mir, sah mir zu, wie sich im Gleichtakt meine Schenkel hebten und senkten, jeder Meter verlangte einen Tropfen Schweiß als Opferwasser.

In Bad Oldesloe gab ich mich einer Literflasche eisgekültem Bonaqa hin, das ich mir kurzerhand über Gesicht und Körper goss. Pures Vergnügen.

Ich erreichte nach fast 7 Stunden Hamburg, war froh, wieder im Schatten sein zu können und über diesen erholsamen, tollen Trip an die Ostsee und fragte mich, wo die Zeit hin ist. (Sie steckte in meinen Waden, was ich aber erst Stunden später beim Einschlafen bemerkte, denn das Pulsieren des heißen Blutes in den Adern sollte mich wach halten.)

Gefahren: 139,27 km in 6 h 47 min und mit für ein schwer beladenes Rad tollen 20,48 km/h Schnitt.

Gesamte Tour: 275,97 km in 2 Etappen