27 März 2010

Mission: Aborted

Na, da hat sich der Speedmaschinist heute ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So ziemlich alles, was bei einer Tour schief gehen kann, geht schief. Es ist der erste Ausritt der Saison - das Liegerad soll nicht viele Kilometer machen heute, 80 werden es. Den Klaus, der mir aus Wittenberge entgegen fährt, in einer kleinen Pension irgendwo an der Elbe treffen.

Und weil mir 80 Kilometer zu wenig erscheinen entscheide ich mich, den Anfang der Tour an der Süderelbe entlang quer durch den Hamburger Hafen zu legen. Was eine sehr dumme Idee war.

Davon abgesehen, dass für heute Regenschauer angesagt sind, freue ich mich zunächst, denn es bläst mich ein kräftiger Rückenwind durch die Stadt. Bei den Deichtorhallen biege ich ab, fahre, und fahre und ... verfahre mich.

Brücken sind gesperrt, Wege werden zu Holperpfaden und ich verliere gänzlich die Orientierung. Menschen? Trifft man hier keine mehr an. Fragen unmöglich. Mein Handy ist nicht internetfähig und so stehe ich da.

Ich irre herum. Kanäle, Kaianlagen, mehr oder weniger verfallene Hallen und Produktionsstätten, Berge aus rostigen Containern, ja, ganze Städte von ihnen, immer mal wieder faszinierender Geruch von Kaffeeröstereien und Gewürzmühlen, vom Wind zu mir herüber getragen, dann wieder tiefe Wildnis.

Ich verliere total die Orientierung. Wie eine Maus im Labyrinth.

Über mir zieht es sich immer dunkler zusammen - 20 Kilometer stehen auf dem Bike-Computer, aber ich steuere die Speedmachine nicht in Richtung Klaus. Ich steuere sie von einer Sackgasse in die nächste. Bulgarische Truckerfahrer, die in dieser Einsamkeit einen ruhigen Schlafplatz gefunden haben, lächeln mir zu, Goldzähne blinzeln.

Und dann mein altes Problem mit den Geräuschen, die aus Richtung Rohloff Speedhub/Schnellspanner kommen - werden sie stärker? Und ob! Was vorgestern noch wie ein Baujahr ´88 Golf GTD geklungen hat, macht sich jetzt aus wie ein Königstiger beim Frontalangriff. Keine guten Geräusche!

Und dann bläst es.
Es knattert neben mir.
Ein weißer Schatten in den Augenwinkeln, ich drehe mich zu ihm - und sehe, wie meine Route, die ich mir Straße für Straße, Abbiegung für Abbiegung und Name für Name fein säuberlich aufgeschrieben hatte, in den Kanal fliegt. Weg ist sie. Ich sehe ihr noch einige Sekunden nach.

Nachdem ich wütend pissen war beschließe ich, dass es keinen Zweck mehr hat: Über mir braut sich Regen zusammen und ich kurve hier seit einer Stunde ohne Anhaltspunkt im gottverlassenen Hafengelände herum.

Abbruch. Aus. Vorbei.

Schlimm, für einen jeden leidenschaftlichen Tourenfahrer, sowas entscheiden zu müssen. Aber angesichts meiner Karten- und Orientierungslosigkeit, einem Stimmungstief vom Feinsten und dem Umstand, dass ich bei jeder Kurbelumdrehung Angst habe, dass mir das feinmechanische Innere meiner Nabenschaltung um die Ohren fliegt, kann es nur einen Weg geben: Den nach Hause.

Ich schreibe Klaus meine Aufgabe. Und versuche dann, wieder Heim zu finden. Und muss den ganzen verqueren Weg zurück. Vorbei an Rostbergen, an Kaffeeduftfabriken, am bulgarischen Truckercamp und durch / über / unter abenteuerlichen (gesperrten) Brücken zwischen Fleeten und Kais hindurch komme ich irgendwann in Veddel heraus. Veddel. Das kenne ich.

Der Weg Heim geht schnell. Aber wenigstens ein Umweg zur geliebten Mauz, mit der ich mir ein Frühstück gönne. Einen Lichtblick soll dieser Tag wenigstens haben.

Und weil es so schön war, komme ich auf den letzten 15 Kilometern noch in drei harte Regenschauer. Fröstelnd. Nass wie ein Pudel. Geschlagen erreiche ich meine Wohnung.
Nein, das war keine Heldentour heute.
Das war ... ein Fehlschlag.

Trotzdem immer wieder faszinierend, was man im riesenhaften Hamburger Hafen so alles entdecken kann.



Gefahren: 51,23 km in 2:21 Stunden netto und 22er Schnitt


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7 Kommentare:

Olli hat gesagt…

Mensch, das tut ja schon ein bischen weh, das so zu lesen. Einmal aus Mitleid, aber weil Du ein grandioser Autor bist mußt ich leider auch ein wenig Lachen, sorry! :-)

Nächstes mal wird alles besser!

Anonym hat gesagt…

Jau. Das schmerzt das Ego. Allerdings bist zwar nass und fröstelnd nach Hause gekommen, dafür ist dir deine Nabenschaltung nicht um die Ohren geflogen.

Du solltest die Kiste mal stehen lassen bis du das repariert hast. Wenn die Nabe 60 Kilometer von Zuhause versagt hätte waerst du sicher noch nasser geworden und hättest noch mehr gefroren ;-)

Wie war das noch ? Mann oder Manuela ?

Unknown hat gesagt…

Jungs, es kommen auch wieder bessere Zeiten ... Grüße.

hinze hat gesagt…

Guter Bericht zum Schmunzeln ;-)
Ich glaube, du bist einer der letzten Speedmaschinisten ohne GPS. So ein kleines Ding kann einen zwar auch in die Irre führen, aber vielleicht solltest du dir vor der nächsten Fahrt eines zulegen.
norbi

Unknown hat gesagt…

ja, norbi, das stimmt. bisher hat mich immer der hohe preis (GPS60 um die 250 €) abgeschreckt. da juni mein alter mobilfunkvertrag ausläuft, werde ich mir eine schöne internetflat holen und ein schickes endgerät - routenführung brauche ich nicht, wohl aber positionsbestimmung - und da würde mir selbst google maps hefen.

die handys werden immer besser, die angebotenen karten auch. solch diffizile planungen mit genauesten höhenmetern usw. brauche ich auch nicht, das habe ich bisher ohne auch ganz gut hinbekommen.

nur LOST gehen, das muss nicht mehr sein :o)

mal sehen, ist ja noch ein bissel zeit bis zur großen tour.

LG

hinze hat gesagt…

Naja, Routenführung für Radfahrer ist auch so ein Thema, ich würde ein Gerät nehmen, mit dem man TRACKS nachfahren kann. Und als Backup immer ne Karte ;o)
norbi

Olli hat gesagt…

Handy und Google Maps hat einen entscheidenden Nachteil: Datentransfer im Ausland ist sündhaft teuer. Du glaubst gar nicht, wie schnell Du die 250 EUR vom gesparten GPS an Deinen Mobilfunkprovider überwiesen hast, wenn Du im Ausland mit Offboard-Navi unterwegs bist...