Heute stand mal wieder die Ehre auf dem Spiel. Jeder, der halbwegs ambitioniert Rad fährt, weiß, worauf ich anspiele. Und so siegesgewiss wie sonst, war ich heute nicht - das Einlauffoto täuscht. Denn heute, heute hatten sie mich. Aber nur beinahe. 3 Jungs. Rennräder. Stahlschweine.
Eigentlich ganz sympathisch, die drei - hanseatisches Understatement. Fast anarchisch, ihr Auftreten. Das mochte ich sofort. Die Klamotten schmucklos, schwarze Dreiviertel-Leggins, darüber Skateboard-Pluderhosen, keine bunten Helme mit Speed-Aufklebern, keine gestylten Angeber-Trikots der großen Markenhersteller und die Räder. Tja, die Räder - eben nicht edel und sauber im "schaut her, mein Carbonrenner ist mehr wert als Dein Wagen!"-Look. Ansprechend. Sympathisch.
Ich holte Sie ein in Rissen. Gerade den Scheitelpunkt meiner Trainingsrunde erreicht. Mir ging es nicht gut - die Erkältung gerade am Abklingen, der Osterverkehrs-Smog, dem ich tiefliegend im Straßenverkehr natürlich sehr exponiert ausgesetzt bin, tat das seine. Ich hustete. Augen tränen. Aber ich will nicht heulen.
Ich hielt neben ihnen. Einer sah sich um. Ich grüßte. Er nickte - aber nicht aus Höflichkeit. Eher aus Reflex. Dabei wirkte er so ... ertappt. Wie, als hätte er etwas Verbotenes getan. Schaute auch gleich, ob seine beiden Freunde das gesehen hatten. Wie peinlich, denke ich.
Und Schade. Dann wohl doch einer dieser arroganten Liegerad-belächelnden Rennradfuzzies, die nichts und niemanden neben sich auf der Straße dulden? Die Ampel ist immer noch rot. Die drei tuscheln. Grinsen. Einer dreht sich nochmal um. Muss fies lachen, als er sich wieder seinen Freunden zudreht. Lacht der mich etwa aus? Tut er wohl.
Eine Kampfansage also. Klare Sachlage. An diesem schönen Ostermontag.
Kein Problem, denke ich. So scheiße geht es mir auch nicht. Sollt Ihr haben!
Ich klicke meinen Schuh ein. Die Ampel wird gleich grün. Auch die drei Stahlschweine machen sich startbereit. Ob der Mercedes-Mensch hinter mir mitbekommt, was sich hier gerade anbahnt?
Gelb. Ich trete an.
Grün. Ich bin schon über die Kreuzung. Aber gebe nicht Vollgas. Denn die nächste Ampel, keine 200 Meter entfernt, wird noch etwa 20 Sekunden Rot sein. Die drei kommen heran. Ich kann Grinsebacke groß im Spiegel erkennen. Hinter ihm, etwas versetzt, zuckt sein Freund raus. Na? Wer will das lustige Liegerad zuerst überholen?
Ampel gelb. Vollgas. Jetzt zählt´s Jungs! Es folgt eine etwa 3 Kilometer lange Strecke an deren Ende ein langer Anstieg steht, das weiß ich. Dann erst geht es bergab. Ich fahre sie fast jeden Tag. Aber die drei Jung, sie scheinen es nicht zu wissen - denn sie treten rein, als sei das hier der Prolog der Tour de France. Hauen alles raus, was sie haben, scheint es. Und sie haben viel. Ich, ich habe vor allem schon 30 Kilometer speedy cruisin´ unten in meinen Waden.
Und ´ne Erkältung oben drin.
Grinsebacke im Wiegetritt, er nimmt Speed auf. Okay. Dann halt eben auf die harte Tour, denke ich. Und gebe jetzt auch alles. 35 km/h. 40 km/h. Der Abstand wird größer. Ich schaue immer wieder in den Rückspiegel. Muss mich konzentrieren - gestern ist mir bei einem solchen Ritt der rechte Fuß aus den Cleats gesprungen, von einer Sekunde auf die andere war ich im Ungleichgewicht, bin auf den Grasstreifen gekommen und bei 45 km/h torkelnd und halb fallend im rutschigen Gras gerade so einem Sturz entkommen.
Hier gibt es keinen Grasstreifen - nur einen scharfen Bordstein.
Und eine Menge Autos, die uns mit 20 cm Abstand überholen.
Ich trete rein, fliege über den Asphalt.
Die Stahlschweine scheinen es kapiert zu haben - Spacko ist wohl doch nicht so einfach zu knacken, was? Jetzt übernimmt ein anderer die Führung. Professionell, wie ich finde - so teilen sie sich die Arbeit im harten Wind. Ich habe keinen, der mir Windschatten macht. Also zucke ich ich jedes Mal, wenn mich ein Auto überholt hat - und Gott segne mich, wenn es ein Transporter ist! - nach links, um wenigstens ein paar Sekunden Windschatten zu haben.
Vorn sehe ich den Anstieg. Und ich weiß, dass ich hier nicht mit mehr als 22, vielleicht 25 km/h hoch komme - vielleicht schnell genug für die Lachgarde hinter mir. Aber mit Sicherheit zu langsam für die Blankeneser Ausflügler in ihren Blechkarossen. Und bei aller Liebe, was ich jetzt am wenigsten brauche, ist ein lautes Hupkonzert erzürnter Autofahrer.
Ich lenke also auf den Radweg - die drei denken, sie haben gewonnen. Der Liegeradler gibt auf? Verlässt das Kampfgebiet? Mitnichten, Jungens, mitnichten!
Der Radweg ist holperiger, bremst mich also ab. Aber auch sicherer. Mein Vorsprung ist mittlerweile auf vielleicht 200 Meter angewachsen. Ich nehme den langsam machenden Weg in Kauf. Trotzdem trete ich rein - weiche Löchern und erhöhten Gullydeckeln aus, fliege über rissigen Asphalt und - seit meinem neuem Tiller-Lenker fehlt die Klingel - brülle nicht gerade auf die feine Englische eine Oma und ihren Dackel von der Fahrbahn. Sorry, Ommsen, aber hier steht gerade die Ehre der Liegeräder auf dem Spiel.
Dann kommt die Steigung. Ich pumpe. Feurig heiß brennt die Luft in meinen Bronchien. Obwohl ich mich zurück lehnen und den Beinen komplett die Arbeit überlassen könnte, krümme ich mich im Sitz meiner Speedmachine zusammen, krampfe mich fest, als ob die Anspannung der Brustmukulatur noch mehr km/h heraus holen könnte.
Mit 26 km/h schieße ich den kurzen Anstieg hinauf - die Jungs sind heran gekommen, 100, vielleicht 70 Meter. Nächste Ampel - "Grün bleiben du Sau!" - fluche ich.
Und grün bleibt sie, ich springe vom Radweg hinab auf die Fahrbahn. Denn was jetzt kommt, das weiß ich, ist ein wunderbarer Kilometer Abfahrt nach Wedel.
35. Schnell wieder 40 km/h, dann 45 km/h. Die Stahlschweine sind nur noch ganz klein im Rückspiegel. Abgehangen. Gewonnen. Die Lachgarde war ´ne Lachnummer. Liegerad vs. Rennrad: Mal wieder zugunsten der bergauf ach-so-langsamen Liegeräder und ´nem kranken Herkulars. Geschafft, denke ich noch so, glücklich, als ich abbiege, gen Pinneberg.
Ich nehme mir vor, den Rest der Rückfahrt langsam anzugehen. Mich einfach an den zartrosa-farbigen Kirschbaumblüten zu erfreuen und - falls mich noch einmal Stahlschweine an einer Ampel auslachen sollten ... ich würde sie ziehen lassen.
Aber jetzt. Jetzt bin ich es, der grinst.
Gefahren: 60,59 km, davon 4 km mit drei Rennrädern am Arsch, in 2:08 Stunden und 28,3 km/h Schnitt
Liegerad-Highlights 2008: Die besten Touren mit der Speedmachine
13 April 2009
Zum X-ten Mal: Rennrad vs. Liegerad
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3 Kommentare:
Was hab' ich schmunzeln müssen - herrlich geschrieben :)
Klasse Bericht! Und ich darf auch endlich wieder ranklotzen! Nachdem ich das gelesen habe reizt es mich unwahrscheinlich, mich in den kommenden Tagen endlich mal wieder mit so Leuten - im sportlichen Sinne - anzulegen (Rennradfahrer. Im Gegensatz zu Radrennfahrern).
hahaha...habe tränen gelacht & krieg das grinsen nicht mehr aus dem gesicht!!!! super!!!
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