20 April 2008

Gegenwind gab es viel, in Kiel.

Am Samstag gewohnt früh aus den Federn gekrochen - angezogen, frühgestückt, auf die Speedmachine gesprungen und gehörig in die Pedale getreten. Und das musste ich auch, denn mit - laut Wetterbericht - beständig nervigen 30 km/h wehte es mir dann auch schon direkt nach Verlassen des heimatlichen Niendorfs ins Gesicht. Das ganze dann gern immer wieder garniert mit der einen oder anderen Bö, gegen die auch das lauteste Fluchen nicht das Geringste auszurichten vermochte.

Überraschenderweise ging es dennoch mit 20 bis 21 km/h im Schnitt Richtung Kaltenkirchen. Und wie von Zauberhand ... ein wenig später fand ich mich dann auch schon in Neumünster wieder. Nun lagen schon stattliche 50% der Tour hinter mir. Freudig ob der dann doch einfacher als gedachten Tortur blickte ich grinsend auf die Straße, die noch vor mir lag. Ein Klacks. Oder?

Aber halt - zu früh gefreut: Denn dass im ach-so-flachen Norddeutschland fiese steile Hügel und lang gezogene Aufstiege auf mich warten würden, damit hatte ich nicht gerechnet. Sehr demotivierend: Nach ätzend kilometerlangen Anstiegen mit voller Breitseite Gegenwind endlich den Berg erobert zu haben, eine majestätische S-förmige Abfahrt vor sich sehend ... und dann dermaßen von zerrenden Böen gebremst zu werden, dass selbst mit Anstrengung nur 18 km/h drin sind.

Das ist so, als würde man um die Früchte harter Arbeit gebracht werden.

Griesgrämig, missgelaunt und heiser vom Schreien gegen den Wind stand es dann aber auf einmal vor mir: Das Ortseingangschild von Kiel. Und wie von Geisterhand war mittlerweile auch der traurig graue Himmel aufgerissen und die Landeshauptstadt zeigte sich in bestem Sommerwetter.

Vorbei an Aida, Color Fantasy und der Kieler Kogge radelte ich gemütlich am Westufer entlang. Dann und wann schwebten Yachten in der Luft und entfernt tönte tief das Horn eines Frachters. Einfach herrlich, die Sonne im Gesicht zu genießen, alle die verliebten Pärchen zu sehen, die Wellen, der Duft des Meeres. Urlaub, wie er sein muss.

Die nächste Salve Realität folgte allerdings auf dem Fuße - Aufstieg zur Holtenauer Brücke, die den Nord-Ostsee-Kanal unter mir zu einem schmalen türkisfarbigen Band schrumpfen ließ.

Toll war ja auch diese süße Kielerin, die sich ebenso wie ich an der Brücke abquälte und versuchte, die holtenauer Steigung zu meistern. Ein Lächeln von Leidendem zu Leidender, ein schüchterner Gruß und schon war sie verschwunden, diese blonde norddeutsche Inlinerin ...

In Holtenau links abgebogen und schon hatte ich es, mein Hotel. Bei Expedia hatte ich Tags zuvor einen Sondertarif geschossen und bald schon labten sich sämtliche geschundenen Glieder in dem heißen Wannenwasser meines Zimmers. Abends musste es dann ein 250-g-Rindersteak, ein großer Salat und ein übergroßes Pils sein. Man hatte es sich ja auch redlich verdient ...

Etappe 1, HH-Kiel: 90,34 km in windgebremsten 4 h 53 min und 18,44 km/h Durschnitt.

Später kam dann noch die Orangemamba mit dem Orangepapa und luden mich ein zu einem nächtlichen Cruise durchs partyverwöhnte Kiel. Gegen 1 Uhr und um 4 Mojitos abgefüllter ging es dann wieder heim - denn die Rückfahrt wollte ich nicht in Katerlaune absolvieren.

Aber der Abend war sehr lustig, Ihr beiden Schnuftis. Und das müssen wir wiederholen!

Nach einem ausreichenden Frühstück und diversen Morgengeschäften verließ ich gegen 8:30 Uhr das Hotel. Und ... OH MEIN GOTT wie haben die Kniegelenke wehgetan! Meine Güte! Selbst einfaches Anfahren mit wenig Last war die reine Qual. Eine wahre Tortur, der erneute Aufstieg zur Holtenauer Brücke - und diesmal motivierte auch kein süffisant mit 5 km/h wackelnder Inline-Hintern, an den ich mich gestern noch wenigstens visuell hatte klammern können.

Die Fahrt durch die Stadt immer wieder von schmerzhaften Ampelhalten und vor allem dem Wiederanfahren unterbrochen. Meine einzige Hoffnung war, dass der fiese Gegenwind von gestern heute nun mein Verbündeter sein würde. Und dieser würde dann hoffentlich meine lädierten Knie und das Unvermögen, mit meinem in Trümmern liegenden Bewegungsapparat halbwegs anständige Reisegeschwindigkeiten hinzubekommen, etwas wett machen.

Das tat er auch, allerdings kam ich selten über 23 km/h heraus. Es tat einfach alles weh im Knie. Von den ätzenden Hügeln südlich von Kiel und vor Neumünster ganz zu schweigen, die ich im 2ten Gang und mit 10 km/h heraufkratzen musste.

Aber schön, schon waren die ersten 60 km im Nu vergangen.

Und dann drehte der Wind ...

Zu beschreiben, mit welchen Ausdrücken ich den Wettergott verfluchte, würde den Rahmen sprengen und - so auch die Erkenntnis auf der Strecke - eh nix ändern können.

Auch das so schön gedankliche Ablenkung verprechende Firmenschild eines Salatherstellers mit fragwürdigem Namen in Kaltenkirchen konnte meinen kognitiven Fokus nicht auf Angenehmeres ablenken. Dann läuteten in einem Dorf auch noch die Kirchenglocken Sturm, als ich einradelte, fast als würden sie die nahende Beerdigung meiner Knie ankündigen. War aber nur eine Konfirmationsfeier.

Etappe 2, Kiel-HH: 86,13 km in windgebremsten 4 h 47 min und knieschmerzfreundlichen 17,97 km/h Durschnitt.

Alles in allem eine tolle Tour, trotz Knie-SuperGAU. Viele lächelnde, winkende Kinder gegrüßt, zweifelnd dreinblickenden Rentnern in die Augen geschaut und wieder so viele schöne und unbezahlbare Augenblicke in dieser unserer tollen Landschaft erlebt.

Gefahren: 176,47 km in 18,2 km/h Durchschnitt.

1 Kommentar:

drea hat gesagt…

..verträumt mit klebrig müden äuglein denke ich an quallencocktails.. ich war so gegen halbeins aus den federn, wie machst du das nur, so früh auf den beinen?