04 Mai 2009

Auf der Jagd nach dem heiligen Graal-Müritz.

Diese demütige Erzählung, ein Bericht dessen, was sich dato zugetragen, ist der des ehrenwerten Road-Ritters vom Reisenberge. Und alles, was der geneigte Leser nun zu erfahren gedenkt - so schwöre ich bei Eide - sei nichts als die Wahrheit ...

So trug es sich zu, im Jahre des Herrn Zweitausendundneun. Ein harter, kalter Winter ward gerade über die Lande gezogen und hatte selbst die härtesten der Ritter der Straße und ihre edlen Rösser in die beheizten Stuben und an die warmen Herde ihrer Weiber gefesselt. Es ward eine Zeit von Untätigkeit und Völlerei - fett und behaglich wurde den Männern, fast vergessen schon, wem sie Lehn schuldeten und was ihre Bestimmung waret.

Und doch, im Innern brannten sie darauf, des Königs Ruf zu folgen - auf, zum Ruhme der liegenden Zunft! Tragt hinaus die Botschaft eines halswirbelsäulenbeschwerdefreien Sturmritts über selbst gefürchtetsten Asphalt! Bekehret die Ungläubigen auf ihren überzüchteten Carbon-Tieren - und falls sie nicht zu bekehren sind, gehet hin und zocket sie ab, wo Ihr nur könnt!

Des Königs Ruf schallte durch das Reich - landauf, landab. Und sobald sich die Schneewolken und das Flockengestöber verzogen hatten, machten sie sich sogleich daran, ihrem Herren und Gebieter zu folgen - die Botschaft ins Land zu tragen.

Und da tat er sich auf, der Himmel, überließ der holden Sonne die freien Lande, auf dass sie sie bescheinen und erwärmen würde, dem Frösteln des Winters ein Ende bereiten und die Edelmänner es könnten, sodann nach den weihnachtlichen Festtagsbanketten ihre Bauchspecke abzutrainieren.

Am Tage der Arbeit - es war der erste Tag im neuen Mai - machten sich an zwei verschiedenen Orten des Reiches drei dieser tapferen Ritter der Landstraßen, Kämpfer in der Horizontalen und träger enger Lendenschürze in gar bunten Lycra-Farben auf den Weg, einen langen, beschwerlichen Pfad durchs Land der Mecklenburger und der Vorpommern auf sich zu nehmen.

Drei edle Recken mit keckem Tritt und forschem Blick - so sie stürmten los, die einen aus dem fernen Berlin, jener Hochburg im Herzen des Landes, bekannt als kochender Tigel. Es waren zwei Ritter gesetzteren Alters, doch gewahr ihrer Kräfte, reich an Erfahrung und Klugheit, die das, was ihre Körper vielleicht nicht mehr im Stande wären zu leisten, wett machte.

Der Eine gab einer Speedmachine die Sporen, einem Rassetier aus dem Gestüt der hessischen HP Velotechniker - der Andere steuerte ein holländisches Ross, einen edlen Heißblüter aus dem Hause Challenge, welcher auf den Namen Ventus höret.

Und ich, der Erzähler dieser epischen Geschichte, ebenfalls auf dem aluminierten Rahmen einer gar schnellen Speedmachine - machte ich mich des Morgens zur neunten christlichen Stunde auf den Weg. Von meiner Heimstatt in Hamburg, brach ich auf, bei Ebbe, der Schlick glänzte im Morgenlicht, als ich durch die sich langsam verziehenden Nebelschwaden in Richtung Osten aufbrach - in ein Land, welches ich lang nicht mehr betreten, welches von ursprünglicher Schönheit und natürlichem Glanze nur so strotzte.

Es wart keine Wolke am Himmel, doch trügerisch das Wetter, welches ich sogleich bemerkte, denn ein steter Druck auf mutiger Brust - von hartem Winde herkommend - hinderte einen schnellen Ritt ab dem Momente, als ich die schützenden Stadtmauern verließ und in die offene Heide ritt.

Mühsam ächzte das Ross die Wege hinauf und hinab, die Generationen vor mir schon die alten Germanen auf ihren Beutezügen genutzt hatten - und obwohl diese dunklen Zeiten längst schon vergangen, trug es sich zu, dass ab und zu gar finstere Gesellen in stinkenden Blechkarossen meine edle Aufmerksamkeit auf sich zogen, durch rüpelhaftes Benehmen, das einem Manne wie mir nicht gut zu Gesichte gestanden hätte - dann und wann musste ich sie zur Ordnung rufen. Ich tat es, wie man mir gelernt hatte, durch Anwenden von Hand- und Fingerzeichen, die meines Wissens nach im gesamten Abendlande zu verstehen waren (auch von Knechten und Landstreichern, die nicht des Lesens mächtig wären), so tadelte ich sie denn.

Neben mir tat sich meilenweit ein Abgrund auf - eine tiefe Schlucht, in der es rumorte und bebte. Es war mir, als schoss dort unweit meines Weges ein reißender Strom mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch ein viel zu enges Bett - ein Grollen und Donnern, ein Toben und Heulen. Oder hausten dort gar finstere Gestalten? Trieben ihre Späße mit Wandersmännern und Edelleuten wie mir? Doch ich erkannte, dass es hier kein Durchkommen gab - der Abgrund war zwar nicht breit, das andere Ufer gar zum Greife nah, aber an eine Überquerung war nicht zu denken - mutige Brückenbauer hatten dann und wann in kühnem Bogen diese Schlucht überspannt, jene Schlucht, die die Kartographen meiner Zeit nur ehrfürchtig A 1 nannten. Zu Fuß oder gar auf meinem Rosse war hier jedoch kein Durchkommen.

Doch ich ließ mich auf meiner Ilias nicht beirren - die Sonne stand hoch und brut mir die Schenkel, selbst die tiefen Wälder des Nordens, um die ich nicht herum kam, ab und zu mein Ross zu lenken, vermochten es kaum, ein wenig Linderung ob des Schweißflusses zu verschaffen und mich zu kühlen. Schnell schon stand das Salz in große Wasserperlen gelöst mir auf der Stirne. Eine gefährliche Röte bildete sich, doch der Apothekulus im heimatlichen Hamburg hatte mir vorsorglich ein Gesalbe bereitet, mit dem ich wohlriechend meine Haut zu schützen vermochte. Er hatte mich gewarnt, doch ich wollte nicht glauben - nun eines Besseren belehrt, kann ich alle, die nach mir kommen und sich auf diese Reise machen wollen, nur warnen: Schützet euch mit einer salbigen Milch vor den Strahlen der Sonne, die in diesen fernen Breiten gar gefährlich scheinet!

So kämpfte ich mich - meine Maschine und mich in den harten Wind stemmend - bis in die Hansestadt Lübeck, meiner ersten Station nach einem zweistündigen Ritt durch die Einsamkeit des Nordens - überraschend, gar versteckt hinter einem Berge liegend, taten sich hinterm Walde die Zinnen des Stadttores auf, grüßte die freundliche Flagge eines wohl gesonnenen Fürsten. Doch, sogleich ich das Tor durchschritt, und so gern ich geblieben wäre, mich den Verlockungen dieser Burg herzugeben (man sagt, es käme das beste Marzipan aus Lübeck), so hatte ich jedoch keine Zeit, die Schönheiten eines Blickes zu würdigen, denn die Kameraden in der Ferne würden nicht warten können.

Und so ritt ich durch ihre holperigen Gassen und ließ ihre sicheren Mauern sogleich hinter mir liegen. Weiter ging es, weiter gen Norden, tiefer hinein ins unbekannte Land - durch eine endlose Weite, leer und doch so voll. Voll von Feldern die in ihrem prächtigsten Gelb blühten und den Duft reinen Rapsöls versprühten.

Eines Öls, in dessen siedender Hitze ich mir vorstellend einen frischen Fisch braten dünkte, den ich heute Abend nach vollbrachtem Ritt würde königlich verspeisen dürfen. Doch bis dahin war es noch ein langer Weg - mehr als zweihunderttausend Meter würde mich meine Tagesreise heute noch tragen, bis tief hinein ins Land, an eine ferne, fremde Küste, unbekannt und mystisch.

Aromatische Wälder passierte ich dann und wann, und konnte nicht anders, als auch meinem Rosse eine Pause zu verschaffen. So ließen wir uns nieder in hohen Gräsern am Wegesrande, saßen auf weichem Moos und aßen das wenige Mitgebrachte. Durch die erbarmungslose Sonne bereits erhitzes Wasser floss lindernd über die heiße Kehle, manch wohlgemeinter Guss aus dem Trinkgefäß über die Knie verschaffte kurzweilige Genüsse, waren es doch diese Gelenke, die mir seit einiger Zeit schmerzten.

Da griff mich ein mehrköpfiger Drache an, als ich gerade meine Notdurft verrichtete - schneidend bohrten sich scharfe Kanten in meine Waden, die ich entblößet hatte. Hinterhältig, wie man es von solch´ Ausgeburten der Hölle nicht anders erwarten würde, kreischte und drohte das Getier. Doch sogleich das Schwert bei der Hand, die Hellebarde im Anschlag - so entledigte ich mich sogleich des hinterrücksen Angreifers. Die Köpfe abgetrennt - ihr Blut sammelte sich zu einer Lache - lagen Sie da und sollen nun verrotten in alle Ewigkeit.
Meine erste Feuerprüfung hatte ich bestanden.

Doch frisch auf! Aufgesessen in das liegende Rad, hineingehangen das lederne Beinkleid in die stabilen Steigbügel - und so gab ich ihm die Sporen. Und wunderte mich immer wieder wie agil und freudig gehorchend mein Gefährt sogleich in die Spur kam und beschleunigte.

Die Sonne, ich sah sie schon herabsteigen von ihrer Himmelsreise, da zirpte mir ein kleiner gefiederter Bote, eine SMS, die Kunde vom Fortkommen meiner Mitstreiter zu: Einer der Edelmänner habe sich beim Kampf mit den Elementen gar furchtbar verletzet und könne nicht mehr aus eigener Kraft weiter. Die Botschaft besagte auch, dass ich nun nur noch einen Verbündeten hätte - der andere zu Stärkung seiner Kräfte habe sich aus dem Paarritt der Beiden zurück gezogen. Und so wähnte ich die Schwierigkeiten und war gar erschrocken ob der Härte, die meine Freunde in der Ferne traf - war mir bisher doch nichts wirklich Schlimmes zugestoßen.

Doch das sollte sich ändern.

So passierte ich einen dieser finsteren Wälder - nur spärlich vermochte das Licht der Sonne zwischen den Ästen und Zweigen dichter alter Eichen, die bullig sich mir in den Weg stellten und hoher, ächzender Kiefern, hindurchzudringen. Schatten und Schattenspiele funkelten auf meiner Rüstung, brachten den von gülden schimmernden Nadeln bedeckten Boden zum Funkeln, als sich links und rechts von mir ein wildes Moor auftat.

Dampf quoll aus dem Morast, es roch durchdringend nach Erde, hier, so schien es, atmete ein Wesen, das größer und älter war, als ich es jemals sein würde. In Demut und wachsam steuerte ich mein Ross behenden Tritts durch die angsteinflößende Szenerie, immer gewahr, dass ein schlammbedecktes Scheusal jeden Momente neben mir seiner feuchten Gruft entsteigen und mich angreifen könnte.

Doch war es mein schneller Tritt oder das energische Surren meines Liegerades? Kein Angreifer wagte es, sich auch nur zu zeigen - so kam ich glücklich aus diesem finsteren Walde, betrat wieder festen Boden und staunte ob des weiten, weiten Blickes, den ich nun über die Lande haben und genießen konnte. Kurz ergötzte ich mich an diesem feinen Bilde - ließ die Augen schweifen - doch dachte ich auch sogleich an die Kameraden, die sich weit im Süden durch Gefahren kämpften, um sich mit mir an den Gestaden des Landes, an der Küste hoch im Norden, zu treffen.

Es begann mein Magen sich zu melden. Auch gingen die Vorräte an kostbarem Nass zuneige und so beschloss ich, mir ein Gasthaus zu suchen, das sich mir unterwegs hoffentlich baldigst anbieten würde. Immerhin brannte die Sonne hart und ich hatte mit über einhunderttausend Metern schon die Hälfte des beschwerlichen Weges hinter mich gebracht.
Es schlug die Stunde zwölf, als ein moosbewachsenes Schilde Hinweis gab, dass sich einige Meilen entfernt eine feste Siedlung mit allerlei Landsknechten und Bauern befinden würde - ein Ort, so versprach ich mir, an dem es ein einladendes Wirtshaus würde geben müssen, in welchem ich zu Speisen sodann gedachte.

Der Weg wurde plötzlich weniger wellig, dazu schnurgerade - an seinem Ende, da, gerade über dem Horizonte, erkannte ich das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus - ein Kirche die Heimstatt guter Menschen voraus nahm. Hier sollte ich auf freundlich Gesinnte treffen - sie verrieten mir auch den Namen ihrer feinen Siedlung: Grevesmühlen. Die Fahrt ging schneller, ich gebe zu, dass Gottes Hand in Form eines gestrengen Rückenwindes mir hold war und mich zusätzlich anschob.

Ich kam vortrefflich über die Meilen und ließ mich nur wenig später in ein bequemes Gestühl eines einladenden Gasthauses am Markte sinken, bestellte einen Teller Heißes und labte mich, als die Magd ihn mir brachte, gar königlich an einem Ragout vom Wild aus umliegenden Wäldern, trank einen Humpen kalten Saftes der Apfelfrucht und genoss nach diesem festlichen Schmause einen heißen, exotischen Mocca. Auch mein getreues Ross ergötzte sich - ihm dankte ich ob des schnellen und bequemen Fortkommens und gönnte ihm diese Pause.

So gestärkt, die Waden gelockert und ein wenig frische Salbung auf die erröteten Stellen aufgebracht, jene Stellen, die der Sonne ausgesetzt waren, machte ich mich an die Bewältigung der zweiten Hälfte meiner Reise. Ein Ort namens Wismar lag vor mir, ein Ort, an den ich mich noch erinnere. Hier kam ich auf einem meiner früheren Züge ins ostische Land schon einmal vorbei und nächtigte in einem Lager, das die Schweden hier feil boten - heute jedoch würde ich durch diesen Ort hindurchreiten, denn die Zeit drückte und ich wollte auf keinen Fall, dass mein Mitsreiter - durch das Zurücklassen seines treuen Begleiters nunmehr allein unterwegs in umkäpftem Felde - allzu lange auf meinen Entsatz würde warten müssen.

So ließ ich die in strahlendem Sonnenscheine liegende Festung Wismar wie Lübeck schon davor links liegen und lenkte mein Gefährt in die Landschaft. Nunmehr kam ich immer tiefer in den Osten des - mir jetzt - unbekannten mecklenburger Landes. Unerwartet hoch türmten sich die Berge vor und neben mir auf, wie wogende Wellen eines unruhigen Ozeans, gefroren in der Bewegung, ein atlantischer Sturm zum Stillstand verzaubert - verzaubert, so kam mir das ganze Land vor, stand doch die Blüte des ölspendenden Rapsgewuchses in herrlichstem Gelb und bedeckte das Land bis kurz unter den Himmel wie Berge von goldenen Talern.
Und dort, wo die Felder jenen Himmel küssten, schmerzten meine Augen, so intensiv brannte sich dieser Effekt in meinen Pupillen ein.

Mein Berater, der treue Google, ein gar lustiger Gnom, den ich in meinem Hause daheim als Knecht in einer kleinen Kiste halte und dann und wann um Rat frage, hatte mir von dem, was da jetzt kommen würde, berichtet: Ungeheuer von gar riesigen Ausmaßen!

Ich fuhr ein ins Land der Windrotoren - so nannten wir jene Geschöpfe.

Und da sah ich sie von Weitem schon, ihre grässlichen Tentakel schwenkend versuchten sie, mich einzuschüchtern. Doch ihr aggressives Gehabe konnte mich nicht beeindrucken - unbeirrt hielt ich meinen Kurs. Und ich gebe zu, dann und wann wählte ich einen Pfad, der mich in sicherem Abstand an den riesenhaften Gestalten vorbeiführen würde.

Eines Momentes jedoch - kaum der Gefahr gewahr - tauchte einer der Riesen neben mir auf. Hoch türmte sich sein Körper, laut und mächtig das Gebrüll, ein rhythmisches Fauchen, ein Krächzen, ein Drehen - ein schreckliches Geräusch, welches ich vorher noch nie vernommen, es nur aus Erzählungen und den Berichten Anderer kannte. Nun war er neben mir, drohte mir grollend.

Messerscharfe, riesige Klauen hackten nach mir - es fauchte und schrie, wildes Gebrüll. Ich zog meine Waffen, entschied aber, dass ich keine Chance gegen ein Wesen dieser Art haben würde, und würde mein goldenes Herz auch noch so tapfer sein - zu viele meiner Art hatten schon versagt, als sie sich diesen Ungeheuern der Tiefebene entgegen gestellt hatten: Bürgerinitiativen, Kommunen und der B.U.N.D. hatten es nicht vermocht, die Ausbreitung dieser Monstrositäten einzudämmen. Wie konnte ich Einzelner es da wagen, daran zu denken, es besser zu können?
Angesichts der drohenden Gefahr - und immer an meinen Waffenbruder denkend - entschied ich mich, mich nicht diesem Kampfe zu stellen. Dies war ein Kampf, den andere zu führen hatten - und sei er auch noch so aussichts- und sinnlos.

Doch wie nur an dem Riesen vorbeikommen? Da sah ich meine Chance: Viel zu unbeholfen, viel zu langsam war diese Monstrosität. Groß und mächtig zwar, aber in seinen Bewegungen wenig geschmeidig und geradezu tranig. Würde ich es schaffen, einer wieselflinken Feldmause, die vom Bussard verfolgt wird gleich, dem Riesen zu entwischen? Mehr noch, ihn listig auszutricksen und meinen Weg fortsetzen können, ohne das Tier in seinem Zorne noch weiter zu reizen?

Da! Genau zwischen den Tentakeln, die wie riesenhafte Messerschneiden gleich vor mir kreisten, mich drohten zu zerschneiden, dort würde ich hindurchzustoßen versuchen.

Ich wartete meinen Augenblick ab, in Todesgefahr, so wagte ich kurz, an meine lieben Daheimgebliebenen zu denken, gönnte ihnen einen Wimpernschlag, doch dann, gefasst und konzentriert, gab ich meinem Gefährt die Sporen und ritt los - in einem mächtigen Antritt schoss ich einen Hügel entlang, einen, den ich mir ausgesucht hatte, weil er gar vortrefflich schien bei der Ausübung meines Planes.

Den Wind in meinen Haaren, die Lunge zum Bersten gefüllt, so schoss ich hinab, ließ das grässliche Monster neben mir, tauchte unter seinen Klingen hindurch die mit furchtbarem Gebrüll die Luft neben mir zerschnitten - und gelobt sei der Herr, sie zerschnitten nicht mich!
Und ehe es dem Riesen gewahr wurde, war ich hinter im, die Angst im Nacken und immer noch das Dröhnen seiner Tentakel im Ohr drehte ich mich nicht um - sondern kniff die Augen zusammen und jagte meine Maschine den nächsten Berg hinauf. Heiß prustend, schwer atmend so ächzte auch die Speedmachine unter mir, aber ich sah ihn, den Bergkamm, hinter dessen Rücken ich außer Sichtweite der Monstrosität - und damit in Sicherheit - wäre.

Doch - oh Graus! - was sehe ich, als ich glücklich lächelnd mit letzter Kraft über den Kamm komme? Weitere Monstren! Bis zum Horizont stehen sie, brüllen und gestikulieren, drohen mit ihren Riesenwaffen und warnen, markieren ihr Gebiet. Wo man auch hinsieht, überall diese Wächter der Ebenen! Wie eine Armee stehen sie in der Landschaft, mit wehenden Waffen, drohend, mächtig - eine Horde von Zyklopen, eine mächtige Streitmacht, fürwahr!

Doch ich kann nicht mehr zurück, frisch an, tapferer Ritter - so tue ich das einzig Mögliche, nutze den Schwung, den ich noch habe, fasse mir ein Herz und beschleunige, wo ich eben noch plante, Rast zu machen.

Was vorhin schon glückte, das wollte ich abermals auf die Probe stellen - mich durch die brüllenden Riesen schlängeln. Geschwindigkeit, das wusste ich nun, war der Schlüssel. Nicht Kampf, sondern in der List lag hier der Sieg - so tat ich es dem großen Odysseus gleich, in dessen Fußstapfen ich mich nun wähnte.

Und so streiten sich in mir Körper und Wille - der Eine will aufgeben, schreit hinaus, dass er nicht mehr kann, keine Kraft mehr hat, der Andere drängt, drängt voran, weiß, dass es kein Entrinnen gibt und weiß auch, dass die rettende Festung Rostock nicht mehr weit sein kann.
Schreiend - stumm zwar, aber nicht minder verzweifelt - kämpfe ich mich durch die Kohorten der Armee der Riesen hindurch.

Was eben schon klappte, sollte sich auch diesmal als richtig erweisen - keines der Monstren vermag es, mich zu treffen, und strengten sie sich auch noch so sehr an. Sie brüllen und toben, drehen sich, schlagen und treten nach mir, wetzen ihre Messer - doch sie treffen mich nicht, und brüllen sie auch noch so laut.
Mit wehenden Wimpeln, triumphierend und glücklich - doch abgekämpft und leer - obsiege ich, lasse die Masse der wilden Riesen hinter mir und sehe mich wenig später schon unversehens vor den Toren meiner dritten und letzten Station vor dem Ziele meiner Reise gegenüber - es erscheint Rostock, die alte Hansestadt, auf einem Hügel vor mir erkenne ich mir vertraute Zinnen.

Die Sonne steht bereits tief, doch geben die Steine und der Boden die Wärme, die sie von ihr tagsüber erhalten haben, ab. So bleibt es warm, fast drückend. Und ich hoffe, dass am Wasser des Hafens ein gar kühlender Wind mein pochendes Herz beruhigen würde können.

Am Stadttor überrascht es mich nicht - eine lange Schlange von blechernen Karren aller Art aus vieler Herren Länder - angereist über weit weniger gefährliche Handelswege als den meinen - bitten wie ich um Einlass. Sie stehen an, murren und schwitzen, kommen nicht vorwärts, nur langsam, zögerlich, Meter um Meter, wälzen sie sich die Wege entlang.

Ich aber, als liegender Edelmann von herrschaftlichem Geblüte, kann neben dem traurigen Strom der Wartenden mein Gefährt schnellen Fußes vorbei an all den Engstellen steuern und finde mich sogleich inmitten bunten Stadttreibens wieder, das in solch bunten Krontraste zu dem steht, was sich nur wenige Meilen vor dieser Stadt soeben abgespielt hatte. Wussten die Bewohner überhaupt, wer dort draußen vor ihren Toren herrschte? Kannten sie jene Wesen - oder, schlimmer noch, hatten sie sich ihnen unterjocht, gar einen Packt geschlossen ihrer Versorgungs-Sicherheit mit vermeintlich grünem Strome willen?

Alles Denken und Grübeln zerschlage ich, muss ich doch wachsam sein, denn in Rostock war es, da ich mich mit meinem Waffenbruder und Mitstreiter vereinen wollte.

Vereinen und verbünden, auf dass wir gemeinsam die letzten Meilen durch - dann wildes, unbewohntes Gebiet - bis hoch an die Küste würden zurücklegen können, um zu finden, was so viele vor uns schon zu finden gehofft hatten - den Heiligen Graal-Müritz.

Doch - welch´ Überraschung und Freude! - ich steuere gerade an die Mole des kleinen Stadthafens, als ich fernab meinen Namen gerufen vernahm.
Ich schaue mich um. Suche.
Da! Wieder mein Name. Erlaubte sich ein frecher Schelm einen gar unschönen Streich mit mir? Diesem Strolche würde ich es zeigen!
Doch da sehe ich ihn winken. Und glaube meinen Augen nicht - es war ein edler, liegender Rad-Maschinist, Ritter der Landstraße und Heizer des heißen Asphalts, genau wie ich! Und welch´ zusätzliche Freude, als mir gewahr wird, wen ich da sehe: Nicht den Erwarteten, nein, den Zurückgelassenen treffe ich hier an. Wunder!

Voller Freude und Glück begrüßen wir uns - wohl an, mein Freund, erzähle mir auf welch´ wundersame Weise du nach hier kamst? - fordere ich ihn sogleich auf, mir Bericht zu erstatten.

Und so erzählt mir der Ventus-Reitende, wie ihm nach mutigem Kampfe die Knie gar blutig geschlagen, die Kräfte verließen und er sich nunmehr nur als Last für seinen Mitstreiter empfindend anbot, im Getümmel der Straßenschlacht zurück gelassen zu werden. Mein Waffenbruder ließ dies natürlich nur schweren Herzens zu, waren sie doch immerhin noch mitten im Brandenburgischen, allein in weiter Flur - aber so würde wenigstens einer den Weg sich bahnen können.

Mein Freund hier aber - klug und gerissen - bat einen Zauberer um Hilfe. Ein großer roter Lindwurm. Mächtig und unberechenbar. Ein Monstrum, eine Ausgeburt - DB-Konzern genannt - bot seine Hilfe an. Gegen einen geringen Obulus würde ihn der Lindwurm bis nach Rostock bringen. Sicheres Geleit, trockenen Fußes und ohne Anstrengung. Das Angebot klang verlockend.

Der Preis dafür, so berichtet mein Freund, war angemessen, und so begab er sich sodenn in die Obhut des roten Lindwurms, ein Regional Express, wie er noch einmal erklärte. Auf schnellem Ritt über uralte, steinern wirkende Pfade raste der Lindwurm von Ort zu Ort, selbst die drohenden Riesen, die auch mein Freund gesehen hatte, konnten dem diesem nichts anhaben.
Lediglich vertan hatte sich das Geschöpf in der Zeit. Das riesige Zauberwesen hatte ihm versprochen, eine halbe Stunde vor voll in der Hansestadt anzukommen. Vermochte diese Abmachung aber nicht halten.

Doch vergessen der Groll - ich freue mich, dass wir nun doch zu dritt würden sein. Einer mehr, das sollte nicht schaden! Und so warten wir am Wasser, ein kühler Wind zieht vom Meere heran, warten, warten auf den Dritten im Bunde und erzählen uns Geschichten von anderen Heldentaten, von unseren Rössern und den Dingen, die wir liegend auf ihnen erlebten.

Wir warten und vertreiben uns die Zeit bei Minne und und erzählen uns unsere Heldentaten, die wir auf unseren Rössern vollbracht hatten - der Edelmann zu meiner Rechten nennt sich selbst Sir Liegalot. Ein aufrechter Kämpfer für die Sache und beseelt vom Gedanken an eine bekehrte, auf den Rücken gelegte Welt.

Sir Liegalot und ich springen auf, ein wenig später, als wir - angekündigt durch Trompeten und Fanfaren - des nahenden Dritten im Bunde gewahr werden. Ritter Olltus stürmt heran, klappernd sein Geschirr, glänzend seine Rüstung. Doch gezeichnet auch er von schwerem Wege und allerlei Gemetzel.

So pausieren wir noch eine Zeit am kühlen Ufer, gar liebliche Mägde versorgen uns mit frischem Fisch in knackigem Gebäck, mit einer kalten Milch für starke Muskeln und schmeichelndem Blick - wo sieht man heutzutage noch eine edle Streitmacht wie die unsere schon einmal? Fragende Blicke, zurückhaltendes Getuschel. Die Menschen im Hafen dieser Festung Rostock sprechen über uns, nur wenige wagen es, sich den Rittern des Asphalts zu nähern um eine Frage zu stellen, halten die meisten einen Abstand in Respekt.

Nachdem auch Ritter Olltus sich gestärket hatte, befragte er seinen Knecht, einen ähnlichen, wie ich ihn zu Hause Google nenne, ob der weiteren Strecke. Es ward nicht mehr weit, erzählte ihm schmeichelnd der kleine Gnom, und so machten wir uns frisch auf, um die letzten Meilen des Tages - zum Ziele unseres edelmütigen Kreuzzuges - hinter uns zu bringen und uns mutig dem zu stellen, was da kommen möge.

Sir Liegalot, Ritter Olltus und ich, der Ritter vom Reisenberge, gleiten gemeinsam aus der Stadt, die untergehende Sonne im Rücken, die heraufziehende Kälte der Nacht und das Kribbeln des nahenden Abenteuers im Bauche, so reiten wir als starke Kohorte, unaufhaltsam, schnell und entschlossen. Die Wege werden schlechter, mitunter müssen wir unsere Rösser zügeln, fast absteigen, um die Fairnisse der Wegeführung zu meistern. Der kleine Google unseres Waffenbruders lotst uns - doch konnte man ihm trauen?

Nach Norden - so lautet die Devise, dort, dort muss er sein, der Heilige Graal-Müritz. Doch wo? Mehr recht als schlecht, mehr ratend denn wissend folgen wir den Wegen, die letzten Siedlungen der Bauern, die die fruchtbaren Schwemmfelder um Rostock bewirtschften, wähnen wir längst schon hinter uns, die Lande werden karger, es dämmert und uns fröstelt. Waren das die Vorboten der nahenden Gefahr? Doch wo - wo waren wir? Und bewegten wir uns in die richtige Richtung?

Da deutet Ritter Olltus gen Himmel, über uns, hoch am dunkelblauen Firmament - ein Zeichen!

Unser Herr und Beschützer hatte drei dicke Bäuerinnen - so erkannten wir sie nach einigem angestrengten Hinschauen und Rätseln - an das Firmament geheftet. Und diese in einer besonderen Konstellation: Die Sonne, ihre letzte Kraft in einem heißen Untergang zusammen raufend, in die Mitte genommen, formen die Matronen einen Pfeil, einen Hinweis. In jene Richtung, so stellt Sir Liegalot fest, in jene Richtung hatten wir unsere Gefährte zu lenken. Dort würden wir ihn finden, den Graal-Müritz.

Also auf, frisch ans Werk - noch 10 Meilen, vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger, liegen vor uns. Salzige Luft der Baltischen See streicht durch unsere Nüstern, Dampf vom schweren Atmen hängt vor unseren Mündern und bald schon entzünden wir Fackeln, auf dass unsere Rösser den Weg besser besehen können.

Da erscheint ein monströses Etwas vor uns. Ein riesenhafter Zyklop, ein bewaffneter Kämpfer, ein klobiger, versteinerter Riese flankiert düster drohend unseren Weg - vor Urzeiten schon schien dieser hier mit einem Zauber belegt worden zu sein. Doch immens seine Kraft, gebannt in diesem Augenblicke, gefesselt für die Ewigkeit - oder diesen einen Moment, den wir nicht vermochten abzuschätzen, da diese Kraft durch neuen Zauber wieder freigesetzt würde.
Doch nicht heute, nicht jetzt.

Wir lassen ihn links liegen - die Waffen abwehrbereit im Anschlag - doch der steinerne Wächter lässt uns durch. Im heraufziehenden Dunkel passieren wir ihn.

Da höre ich es. Höre es rauschen. Das Meer. Die Küste - da ward es gekommen: Das Ende unserer Reise. Das Ziel, es liegt vor uns, endlich! Graal-Müritz. Wir haben ihn. Und mit vom Stolze geschwellter Brust reiten wir ein, in jenen kleinen Ort - nur wenige Lichter brennen noch in den Hütten der Bewohner. Hier und da ward uns ein fremder, ängstlicher Blick hinter dicken Vorhängen zugeworfen. Türen schließen sich, Rolläden stürzen herunter.

Hunger knurrt in unseren Mägen - geschafft nach den Gemetzeln des Tages und dem langen Ritte, der meiner Wenigkeit eine Distanz von nicht weniger als 147 Meilen abforderte - er verlangt seinen Tribut. Nach saftigem Braten und einem Kelche Wein steht uns der Gaumen, und so kehren wir in einem Lokale ein, das letzte am Platze, das noch geöffnet hat, um uns von einem fremdländischen Mauren ein gar deftiges Mahl servieren zu lassen. Mit schnalzenden Zungen legen wir die Rüstungen ab, unsere Helme poltern auf den Boden - und ein wenig später serviert der Lakai ein dampfendes Gericht, das uns sättigt und mit Wohlgeschmack umschmeichelt.

Der Lehnsherr meiner beiden Waffenbruder Sir Liegalot und Ritter Olltus hatte uns eingeladen, in seiner Kemenate zu nächtigen. Ein gar großzügiges Angebot, welches wir nicht ausschlagen können und uns wenig später mitsamt unserer treuen Aluminiumrösser in einem wundersamen Schloss mit allen Annehmlichkeiten wiederfinden - so stehen uns zwei geräumige Badezimmer samt Zuber zur Verfügung, eine ofenbeheizte Hitzekammer zum Aderlass durch Schwitzen und etliche Schlafzimmer mit gar weichen, einladenden Nachtlagern für geschundene Knochen wie die unsrigen.

Etliche stärkende Zaubermittelchen, die wir noch vom großen Zug durchs nördliche Reich übrig haben, tragen wir aus unserem Gepäck zusammen und teilen diese ritterlich wie Brüder. Auf dem großen Tische, der uns an die Tafelrunde am fernen Hofe des Artus erinnert, speisen wir allerlei mit Cerealien und Früchten gefüllte Gebäcke, spülen dabei Herz und Seele mit erfrischendem Gerstengebräu und sitzen so, erzählten noch bis spät in die Nacht, ehe wir uns um die Stunde 2 herum auch zu Ruhe betten. Denn morgen, morgen, so wissen wir, morgen würde ein harter Tag werden ...

Der Schlaf kommt langsam. Ich liege in meiner Kemenate, rolle von einer Seite auf die andere - zu viele Meilen stecken in meinen müden Knochen. Zu viele Berge, die ich schnellen Fußes erklimmen und zu viel Wind, den ich ertragen musste, meinen schnellen Ritt bremsend - mein Körper fordert nun Tribut, doch mein Angebot eines erholsamen Schlafes scheint er ausschlagen zu wollen.

Bilder von dem, was mir heut widerfahren, zucken vor meinem inneren Auge - der reißende Abgrund, der Sumpf mit dem angsteinflößenden Wesen, das Scheusal und seine Armee auf dem Berge und schließlich die drei dicken Weiber am Himmel über uns. Welch´ wundersame Reise bis hierher, denke ich, beschaue mir diese Traumbilder und merke kaum, wie ich hinüberdämmere in eine andere Welt, eine friedlichere, eine, in der mir nichts passieren kann ... ich schlafe.

Genauso schnell wie der Schlaf, so kommt auch der nächste Morgen. Sir Liegelot klappert bereits in der Küche, bereitet einen heißen Mocca zu, tafelt Wasser auf und beräumet das Durcheinander, das wir gestern beim Zechen hinterlassen hatten - keine Knechte stehen uns zur Verfügung und so sind wir Edelmänner uns auch nicht zu schade, selbst Hand anzulegen.

Dann rüsten wir uns, legen Kettenhemd, Panzer und Schilde an, wetzen ein letztes Mal die Schwerter, prüfen den Sitz der Schilde und klappen die Visire herunter - auf, auf, es gilt, Kameraden! Heute wollen wir ihn uns holen, den Heiligen Graal-Müritz. Die Pause hat uns gestärkt, im Glauben fest und durch Tugend tapfer treten wir vor die schützenden Mauern unserer Burg, ein Blick geht gen Himmel - Schlachtenwetter hat der Herr Petrus da aufgefahren. Der Himmel grau in grau, es fröstelt uns - eisiger Wind ziehet heran und lässt unsere Standarten steif im Wind stehen.
Sodann, an den Feind!

Wir stehen uns gegenüber - geradeso, wie es die Prophezeihung und des Olltus´ Google-Gnom voraus gesagt hatten. Am Gestade des Meeres, vor uns im Sande, bis zum Horizont, haben die feindlichen Krieger Aufstellung bezogen. Einer ums andere - grässliche Gestalten in dicke Panzer gehüllt. So stehen sie da, die furchtbaren Krummsäbel in die Lüfte gereckt, drohend die Speere in unsere Richtung gedreht und mit grauenvollem Tone auf die Schilde im Takt geschlagen.

So stehen sie, die Kohorten des Sheitans, bis zum Horizont, eine Armee in Schwarz, die letzte Hürde, die letzte Bastion - nur sie stehen noch zwischen uns und dem, weswegen wir ausgezogen - dem Graal-Müritz wegen.

Sie schreien und brüllen, wir, ganz ruhig, die drei Ritter, edelmütig und mit geschwellter Brust, wir nehmen Aufstellung, ziehen die Schwerter - wie sie glänzen, als - wie von Gottes Hand, einem Zeichen gleich - plötzlich der Himmel über uns aufreißt und eine Woge heißer Sonnenstrahlen uns treffen.

Doch da schon greifen sie an - wie Böen eines furchtbaren Sturmes gleich werfen sie uns ihre wuchtigen Pfeile entgegen - massenweise, Welle um Welle in hohem Bogen auf uns abgefeuert. Kurz Deckung bezogen, dann wieder vorwärts gestürmt. Die Pfeile können uns nichts anhaben, prallen ab an des Schmiedes eisernem Rüstzeug, das unsere Körper zieret.

Die Ersten mähen wir nieder, Streich um Streich fährt unsere Klinge durch die Reihen der Widersacher, mäht sie nieder wie Gräser, sie fallen uns zu Füßen, wie Krumen eines Laibes Brot, der im Gemenge der Hungrigen gierig zerfleischet ward.
Gewahr des Blutrausches, wage ich einen Blick auf meine Mitstreiter. Ritter Olltus stürmt abermals vor, fährt seine tödliche Ernte ein, kehrt zurück mit jubelndem Geschrei und allerlei Trophäen in seinen Händen. Sir Liegelot - nicht minder mutig - wirft sich mal um mal in das Gemenge, kehrt aus dem Chaos zurück und verschnauft ein wenig in der Deckung.
So ist es nun auch wieder an mir, meine Kameraden zu unterstützen. Und zu ihrem Entsatz springe auch ich wieder ins Getümmel.

Vorbei an Verletzten und Schreienden, die mit wenig kräftigem Hieb versuchen, mich aufzuhalten, doch ich lasse Euch gnädig in blutrotem Sande, auf dass Ihr vielleicht überlebt und eine Lektion gelernt, zu Euresgleichen zurück kehret und berichtet von der Stärker der Liegenden Ritter.

Am Ort des Geschehens angekommen, ziehe auch ich mein Schwert und werfe mich in die Reihen der Wilden. Wie Gevatter Tod persönlich lade ich Zug um Zug neue Seelen auf mich, streiche das Fleisch von meiner Klinge, lade die Früchte der Schlacht in meine Waagschale. Bis auch ich nicht mehr kann, zu geschwächt vom Gemetzel, die Flagge hoch, so ziehe ich mich kämpfend bis hinter unsere Linien zurück, bis Ritter Olltus an meiner statt das schreckliche Todeswerk übernimmt.

So geht das - eine ganze Stunde lang. Bald ist der Strand überladen mit Ganzen und Teilen unserer Widerspenster. Abgeschnittenes, Abgehacktes und Ausgequetschtes lieget herum. Manche stöhnen, manche zucken - viele aber sind schon den Hüllen, die ihre Körper waren, entrückt. Woanders, jetzt, gerichtet werden sie.

Wir aber, gezeichnet von der Schlacht, pausieren. Legen uns kurz lang. Können nicht mehr. Das Büffet des Todes hat uns satt gemacht. Es hat seinen Preis verlangt - wir waren bereit, ihn zu zahlen.

Graal-Müritz, wir haben Dich gefunden. Und Dich befreit. Das war unsere Mission, das war unser Kreuzzug. Und gewahr unseres Sieges, noch leicht benommen von des Schlachtens Wirren, jubeln wir. Leise zwar, wissend um die vielen Opfer, doch auch wissend, dass wir Gutes getan und obsiegt haben.

Das ist, was bleibt. Das ist, was man sich noch vin vieelen Generationen schaudernd am knisternden Feuer erzählen wird.

Mich aber rufet die ferne Heimat. Der Weg ist lang und weit. Meine Kameraden, sie beschließen, sich wieder des mächtigen Zauberers, des roten Lindwurms zu bedienen. Seine Dienste hatten es uns gebracht, dass Sir Liegelot nach dem Zurücklassen im tiefen Brandenburgischen, doch noch zum großen Schlachten eintreffen konnte. Nun befragt Ritter Olltus seinen Gnom Google, wie er den mächtigen Zauberer DB dazu bringen kann, sie beide wieder gen Heimat zu tragen.

Ich für meinen Teile vertraue den Zaubereien und der schwarzen Magie dieses Wurmes nicht - zu oft schon hörte ich Geschichten, von Lug und Trug berichtend. Sodass ich mich entscheide, mithilfe meines velotechnischen Rosses, des aluminierten Liegerahmens in bequemer und schneller Manier - einem Edelmann mit engem Lendenschutze genehme - die Heimat erreiche. Ganz so, wie es mich auch an diesen Ort gebracht hatte. So würde es mich auch nach Hause bringen.

Eine herzliche Verabschiedung später verlasse ich den Ort. Den Graal-Müritz im Gepäck meines Herzens, die Erinnerung an die Turbulenz dieser Tages im Kopf, so stelle ich mich dem Wind, den Gefahren und den Hügeln Mecklenburgs.

Rostock, die Hansestadt, liegt in regnerischem Grau und empfängt mich missgelaunt mit einigen Schauern. Ich bin nass und mir friert.
Doch wohlan - es gab schon Schlimmeres auf dieser Reise! So kämpfe ich mich durch so manchen Schauer, weitab jeglicher Zivilisation auf Wegen meiner Urahnen wieder bis nach Wismar, dann nach Grevesmühlen, wo sich selbst die grässlichen Ungeheuer verzogen haben.

Der dichte Vorhang aus kaltem Nass, das da auch mich herab prasselt, macht meine Beine eiseskalt, lässt sie fast zu Eissäulen erstarren. Ein fliegender Bote, die SMS, kündet vom einem sicheren Vertrage mit dem Lindwurm des DB-Konzerns, den meine treuen Kampfgefährten soeben geschlossen - ich wünsche ihnen im Geiste ein gutes Fortkommen. Und muss acht geben, nicht im Regen die Orientierung zu verlieren.

Die Reise endet nach fast 10 Stunden in heimatlichem Gestüt - völlig nass, verdreckt und gezeichnet vom Wetter, das mich fast 6 volle Stunden lang mit Dauerregen, härtesten Windböen und der Gischt anderer Reisender der Landstraße durchnässt und hat frieren lassen, falle ich in den Zuber, gefüllt mit heißem Wasser, wasche den Sand aus meinen Haaren und striegele mein Ross, das harte, tolle Ross, das mich an diesen zwei Tagen zum Heiligen Graal-Müritz und zurück getragen hat. Ein treuer Freund, ein harter noch dazu - so muss es sein, denke ich, unter uns Rittern: Einer oben auf, liegend und tretend, einer unten drunter, vorwärts stürmend, unbeirrt die Spur haltend.

Blut bespritzt, voller Dreck und gezeichnet von diesem unmenschlichem Ritte steht sie da in ihrem Stall, ruhig und gelassen - ich reinige das Liegende Rad und befreie es von den Spuren der Schlacht. Bis es wieder glänzt, in alter Pracht, stolz und unbeirrt - wartend ob der nächsten Herausforderung, der zu stellen wir beide - Pilot und Speedmachine - bereit sind, wie wir es immer waren.

Und das, so beschließe ich meinen Bericht nun, sei das, was uns von anderen unterscheidet: Edel und schnell, flink und uneinholbar, so reiten wir durch die Lande - von Nord nach Süd, von West nach Ost. Und wenn es sein muss, bis ans Ende der Welt, uns allen Gefahren stellend, mit allen Wirren kämpfend, nie hadernd ob der Widerstände. Das schaffen nur die edlen Ritter der liegenden Zunft.

Ihnen zum Ruhme und HP Velotechnik zur Ehre.

Ich beschaue den Heiligen Graal Müritz, der nun auf meiner festen Platte ist und muss milde lächeln. Diese, meine Trophäe, mein Triumph, den mir niemand mehr wird nehmen können, mithin ein weiterer Kreuzzug, den ich beende. Und ich frage mich, wie viele da noch würden kömmen.

Einige, beschließe ich und gehe zu Bett.

Gefahren:
Hin 227,26 km in 8:45 h und 26,00 km/h Schnitt
Zurück 217, 75 km in 8:36 h und 25,3 km/h Schnitt
Gesamt 445 km in 17:21 h

Und wer die Originalfotos sehen mag, der kann sich diese hier im Web-Album anschauen: Mit dem Liegerad HP Velotechnik Speedmachine nach Graal-Müritz: Die schönsten Fotos der Tour ohne Ritter, Recken und Drachen



Liegerad-Highlights 2008: Die besten Touren mit der Speedmachine

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

super blog-weiter so-bin ein fan!!

grüße aus tirol!

manfred

Unknown hat gesagt…

hi manfred,

danke fürs lob ... hatte ja einen guten lehrer :-)

viele grüße,
LR

Markus hat gesagt…

Die Bilder sind einfach nur klasse! Ich habe sehr gelacht beim Lesen dieses Artikels.

Unknown hat gesagt…

dankesehr, markus.
hört man gern.
grüße,
LR