05 September 2009

Mümmeln im Marmot

Was für eine Nacht! Es rumort, es stürmt, es grummelt und es rattert - Wolken fliegen in Fetzen über den dunklen Himmel, ab und zu schimmert ein Stern durch, fixer Punkt an einem quirrligen Firmament. Doch dann verschwindet er wieder - es regnet Katzen und Hunde.

Und ich mittendrin. Stehe da, bettfertig, linse durch die nassen Blätter des Bambusstrauches, der auf meiner Terrasse wächst, prüfe noch einmal den Halt meines Zeltes - es steht etwas quackig da, denn auf dem Betonboden hier kann ich keine Heringe einbringen (zumal mal nach 22 Uhr eigentlich auch keine Schlagbohrhämmer mehr benutzt) und so habe ich es lediglich mit den Zugkräften der Abspannleinen gesichert.

Okay, okay, ich gebe es ja zu - eine Heldetat ist das hier alles nicht wirklich. Meine Freunde Olli & Manu sind seit einer Woche im leider total verregneten Schweden und Dänemark unterwegs, und Klaus, der Cyberman, hat sich mit seiner Streetmachine von Berlin aus auf den Weg nach Hamburg gemacht.

Die Jungs kämpfen gegen harte Gegenwinde, Steigungen und literweise Nass von Oben. Und ich? Okay, ich sitze auf meiner überdachten Terrasse superbequem. Bin trocken. Und habe keine 120 Regenkilometer in den Beinen. Dafür ist der Betonboden aber viel härter, als deren Graswiesen, auf denen die heute Nacht zelten können ...

Aber ich kann ja auch nicht anders - meine Speedmachine ist an diesem Wochenende sowieso nicht verfügbar. 15.000 Kilometer-Checkup. Und so ist bei mir der Test des neuen Schlafsacks Programm. Unter echten Bedingungen - also draußen. Der Balkon ist da das beste, was ich bekommen kann.

Zunächst bin ich zufrieden: Zelt und Schlafsack - ein Marmot Wave III - passen großartig in meine Radical-Liegerad-Tasche. Somit werde ich bei den Touren eine der Beiden komplett mit der Campingausrüstung füllen, während die andere Klamotten und Nahrung vorbehalten sein wird. Toll.

Ich krieche ins Innere meines neuen Nordisk-Einmannzeltes, breite den Schlafsack aus, lege mich hinein und ... schwitze. Sauheiß hier drin. Aber das ist immer so im Zelt, weiß ich, am Anfang, wenn der Körper noch heiß ist vom Bewegen, fast dampft.

Draußen testen Sturmböen die Festigkeit der Abspannleinen. Es klingt furchteinflössend, wie im Film. Regen pladdert hinab, die Wiese hinter meinem Haus dürfte sich mittlerweile in eine Schlammpfütze verwandelt haben.

Meine andere neue Errungenschaft ist ein LED-Headlight. Damit hat das Aufbauen von Zelten und Herumkramen in Taschen, nur spärlich und umständlich beleuchtet vom Handydisplay ein für allemal ein Ende: Ich sehe zwar aus wie ein geistesgestörter Bergmann, aber praktisch ist das Teil allemal.

Ich schreibe noch eine letzte SMS, draußen fliegt bei einem meiner Nachbarn ein Blumentopf vom Geländer - weiter weg brüllt der Wind seinen Sauerstoff in die Pappeln. Es hört sich an wie in der Schlussszene von "Der Sturm".

So liege ich da, mache meine Grubenlampe aus und versuche zu schlafen. War das eine Katze? Fliegt da etwa ein Vogel herum? Und immer wieder flattert draußen das Überzelt im Wind. Hier drinnen aber, das muss ich sagen, wärmen mich die Kunstfasern meines Schlafsackes ohne Probleme auf.

Gut, der Sack ist bis Minus 7 Grad im Übergangsbereich getestet, bis Minus 25 geht es mit entsprechender Kleidung. Und da ich hier auf meiner Extremtest-Terrasse gerade mal 12 Grad habe, düfte dieses Tail auch kaum an seine Grenzen geraten.

Wumms! Eine nächste Palme hat es erwischt. Ich schrecke hoch. Schlafe aber bald wieder ein - es war eine harte Woche.

Es riecht nach neuem Zelt und neuem Schlafsack. Nicht sehr lecker - eine Mischung aus ätzendem Silikon (kennen wir ja alle vom Herumspielen mit Fensterdichtmasse) und Gummi. Ich mache mir eine Kopfnotiz, das Zelt und den Sack morgen den ganzen Tag zum Lüften draußen zu lassen.

Irgendwann gegen zwei Uhr nachts, ich schrecke auf - will mich drehen und spüre einen stechenden Schmerz im Rücken. Ach ja richtig, denke ich, ich liege ja im Zelt, nicht in meinem Bett. Mach langsam, Larsen, langsam.

Der Schlafsack, so prüfe ich schnell noch, bevor ich mich wieder umdrehe und einzuschlafen versuche, ist heiß wie ein Ofen. 10, 12 Grad draußen - und hier, in meinem Zelt fühle ich mich wie in einer finnischen Sauna.

Der Wave III ist also nicht nur preiswert, sondern auch wirklich warm. Großartig.

So dämmere ich wieder weg, schlafe ein. Draußen, was heißt draußen?, neben mir pfeift und stürmt es, Winder zerren an meinem Zelt, ich liege auf der Terrasse, denke an weite Touren mit meinem Liegerad, an harzige, duftende Wälder, an Flüsee, deren Ufer zum Nächtigen einladen und treibe ab, meine Gedanken, grau, verschleiert, sie driften hinüber, ich schlaf ein. Tief, fest. Glücklich.

Der Samstagmorgen kommt früh, kommt anschließend, kommt schnell. 8 Uhr, ich stehe auf, pelle mich aus dem Zelt, neben meinem Balkon regnet es in Stromen, aber es riecht frisch, so frisch, selbst hier, in der Stadt - Camping ist eben auch etwas für die Nase.

Leider muss ich meine Isomatte, das sehe ich erst jetzt, an den Enden etwas anspitzen, zuschneiden, damit sie voll ins Nordisk Pasch passt. Aber das geht schon - viel herumturnen wird nach 120-Kilometer-Etappen durch die Berge im Zelt sowieso nicht sein.

Abends kommt dann noch Klaus mit seiner Streetmachine von Berlin nach Hamburg angefahren. Ich bin das Mutterschiff, biete eine Schlafstelle, Pasta und ein Weinchen zum Einschlafen.

Na, wenigstens einen klitzekleinen Liegerad-Kontakt gehabt an diesem Wochenende. Ich winke ihm bei der Abfahrt. Frustrierend, wenn man selbst kein Rad hat - auch wenn es draußen regnet.


Mit der Speedmachine durch die Rockies - Recumbently Canada

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